Meine Jugend auf Schloss Strünkede (HA 1934): Unterschied zwischen den Versionen

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*Erinnerungen eines 71jährigen.
*Erinnerungen eines 71jährigen.


Die Meldung in der Presse über das Freiwerden des Schlosses Strünkede haben auch den jetzt 71 Jahre alten Sohn des ehemaligen Schlossgärtners, Georg Schöllgen, erreicht und ihn veranlasst, in der Dortmunder Zeitung Erinnerungen an seine Jugendzeit auf Schloss Strünkede zu veröffentlichen. Er schreibt:
Die Meldung in der Presse über das Freiwerden des Schlosses Strünkede haben auch den jetzt 71 Jahre alten Sohn des ehemaligen Schlossgärtners, Georg Schöllgen, erreicht und ihn veranlasst, in der Dortmunder Zeitung<ref>[https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/1107162 Dortmunder Zeitung Jg. CVI Nr. 356 vom 3. August 1934. S. 7. Online auf Zeitpunkt.nrw]</ref> Erinnerungen an seine Jugendzeit auf Schloss Strünkede zu veröffentlichen. Er schreibt:


Als ich heute in Ihrer Zeitung vom 24. Juli den Artikel über das Schloss Strünkede las, wurden alte Erinnerungen in mir wach. Sechzig Jahre sind es her, dass ich dort auf dem Schloss meine Jugend verlebt habe. Meine Eltern wohnten im linken Flügel oben; unten wohnte der Kutscher Wessels. Wir beiden Familien hatten diesen linken Flügel ganz für uns. Ich war 9 Jahre alt, als mein Vater, der Gärtner war, von Düsseldorf mit seiner Familie dort hinzog. Er war von dem damaligen Landrat des Kreises Bochum, [[Friedrich von Forell|von Forell]], dem das Schloss gehörte und der auch dort wohnte, als Gärtner für mehrere Jahre fest angestellt worden. Dies geschah 1872, also gleich nach dem für uns so glorreichen Kriege.  
Als ich heute in Ihrer Zeitung vom 24. Juli den Artikel über das Schloss Strünkede las, wurden alte Erinnerungen in mir wach. Sechzig Jahre sind es her, dass ich dort auf dem Schloss meine Jugend verlebt habe. Meine Eltern wohnten im linken Flügel oben; unten wohnte der Kutscher Wessels. Wir beiden Familien hatten diesen linken Flügel ganz für uns. Ich war 9 Jahre alt, als mein Vater, der Gärtner war, von Düsseldorf mit seiner Familie dort hinzog. Er war von dem damaligen Landrat des Kreises Bochum, [[Friedrich von Forell|von Forell]], dem das Schloss gehörte und der auch dort wohnte, als Gärtner für mehrere Jahre fest angestellt worden. Dies geschah 1872, also gleich nach dem für uns so glorreichen Kriege.  

Aktuelle Version vom 13. Oktober 2021, 22:31 Uhr

Von Georg Schöllgen

Meine Jugend auf Schloß Strünkede

  • Vom Schloß, den Forells sowie der früheren Kirche und Schule am Markt
  • Erinnerungen eines 71jährigen.

Die Meldung in der Presse über das Freiwerden des Schlosses Strünkede haben auch den jetzt 71 Jahre alten Sohn des ehemaligen Schlossgärtners, Georg Schöllgen, erreicht und ihn veranlasst, in der Dortmunder Zeitung[1] Erinnerungen an seine Jugendzeit auf Schloss Strünkede zu veröffentlichen. Er schreibt:

Als ich heute in Ihrer Zeitung vom 24. Juli den Artikel über das Schloss Strünkede las, wurden alte Erinnerungen in mir wach. Sechzig Jahre sind es her, dass ich dort auf dem Schloss meine Jugend verlebt habe. Meine Eltern wohnten im linken Flügel oben; unten wohnte der Kutscher Wessels. Wir beiden Familien hatten diesen linken Flügel ganz für uns. Ich war 9 Jahre alt, als mein Vater, der Gärtner war, von Düsseldorf mit seiner Familie dort hinzog. Er war von dem damaligen Landrat des Kreises Bochum, von Forell, dem das Schloss gehörte und der auch dort wohnte, als Gärtner für mehrere Jahre fest angestellt worden. Dies geschah 1872, also gleich nach dem für uns so glorreichen Kriege.

Mein Vater hatte diesen als Landwehrmann mitgemacht und genoss bei der Herrschaft von Forell einiges Ansehen. Er genoss den Ruf eines erfahrenen Gärtners, besonders in der Gemüsezucht, und hatte weitgehendste Vollmachten. Zwei= bis dreimal wurden in jeder Woche große Fuhren von allerhand Gemüse für den Bochumer Wochenmarkt fertig gemacht, die mein Vater dann selbst mit begleitete und der auch die Gelder dafür einnahm und an die Herrschaft ablieferte. In den Ferien bin ich oft mit zu den Märkten nach Bochum gefahren und habe einmal auch miterlebt, wie die Pferde durchgingen. Heute noch muss ich den Mut meines Vaters bewundern, der sich diesen vollblütigen Pferden entgegenwarf und sie beruhigen konnte.

Zur Schule mussten wir nach Herne, wo auf dem alten Marktplatz auch die alte evangelische Kirche stand. (Die Kirche wurde 1875 abgebrochen, die daneben stehende alte Schule, ein zweistöckiges Backsteingebäude, erst 1912. D. Red.) Der Lehrer war der bekannte alte Nohl, ein guter, lieber Lehrer. Bei schlechtem Wetter fuhr der Kutscher seine Kinder und uns mit dem Wagen zur Schule, sonst mussten wir den Weg von fast einer Stunde laufen. (Die „Stunde“ ist zwar etwas stark übertrieben, bezeugt aber, wie schrecklich weit den Kindern der Schulweg erschienen ist. D. Red.) Es würde zu weit führen, all die Erlebnisse auf dem Schloss zu schildern. Dieser wunderbare Obst= und Gemüsegarten mit den herrlichsten Blumen!

Wenn man heute, mit 71 Jahren, daran zurückdenkt, erscheint es als ein Märchenland der Jugend, als ein Traum, und man denkt an die Worte des Dichters:

O, Zeit der goldigen Wangen,
Dich lob ich zu jeder Frist,
Man weiß erst, wenn sie gegangen,
Wie schön sie gewesen ist.

Wenn man über die Zugbrücke (heute durch eine steinerne Brücke ersetzt. D. Red.) in das Tor trat, sah man rechts und links Skulpturen in Überlebensgröße des früheren Raubritters, des bösen Jobs, in Ritterrüstung stehen, rechts der böse Job und links seine Gemahlin. Wir Kinder gingen im Anfang unseres Wohnens dort nur in Begleitung an diesen vorbei, später gewöhnte man sich daran. (Da gerade die Rede von diesem Jobsgeschlecht ist, möchte ich erwähnen, dass diese Familie in dem Keller der alten evangelischen Kirche (es war die ursprüngliche Kath. Kirche. D. Red.) auf dem alten Marktplatz in Herne beigesetzt worden ist. Der Turm dieser Kirche wurde zuerst abgebrochen und mit den Steinen das Fundament der neuen Kirche gelegt. Da das Gewölbe des Kellers der alten Kirche, die noch einige Jahre den gottesdienstlichen Zwecken dienen musste, bis die neue Kirche fertig war, freigelegt wurde, hatten Einbrecher, die vielleicht in dem Keller Schätze vermuteten, ein Loch in das Gewölbe gebrochen. Wir Jungen stiegen am Morgen vor dem Schulanfang durch dieses Loch in den Keller, und es dauerte gar nicht lange, da flogen Menschenschädel durch die Öffnung auf den Marktplatz, die dann von uns Jungen als Kegelkugeln über den Marktplatz gekugelt wurden, was uns große Freude machte, bis die Lehrer darauf aufmerksam wurden und dem Spiel ein Ende machten.

Wenn man durch das Tor des Schlosses schritt, kam man auf den inneren Hof, auf dem sehr alte Bäume standen, sowie Lauben und gärtnerische kleinere Anlagen. Dieser Hof und das Schloss selbst war mit einem breiten Wassergraben umgeben, auch heute ist es noch so. Rechts vom Hof war die Tür zu der Herrschaftswohnung, wo später die Restaurationsbetriebe sich befanden.

Der alte Herr von Forell fuhr einige Male in der Woche nach Bochum. Eines Nachts von dort heimgekehrt, wurde ihm die Tür, die vom Hof in seine Wohnung führte, nicht schnell genug aufgemacht. Er gehörte auch der Freimaurerloge in Bochum an. Ob es nun seine Aufregung war oder ob er seinen nahen Tod ahnte, kurz, er war kaum ins Haus getreten als er auch schon tot hinfiel. Bei den Bewohnern ging die Rede, dass den alten Herrn das Los getroffen hätte zum sterben.

Zwei Söhne hatte der alte Herr, einen Sohn Fritz, der in Düsseldorf bei einem Regiment Hauptmann war und oft nach Strünkede kam, und einen Sohn Karl, der später ein Fräulein Busch[Anm. 1] in Herne heiratete, eine Schwester des bekannten dicken Busch=Willm, der über 300 Pfund wog. Aus der Ehe des Karl gingen zwei Kinder hervor, die aber in jungen Jahren starben. Der Vater selbst war schon vorher gestorben. Die Familie von Forell hatte einen eigenen Begräbnisplatz in Baukau inmitten eines kleinen Tannenwaldes. Da die alte Dame von Forell noch lebte, wollte sie nicht zulassen, dass die zwei Kinder ihres verstorbenen Sohnes auf dem Herrschaftsfriedhof beerdigt würden, da die Ehe ihres Sohnes eine bürgerliche gewesen sei. Ein Prozess erst entschied, dass auch diese Kinder ein recht hatten, an der Seite ihres Vaters beigesetzt zu werden.

Es ging damals auch die Rede, dass ein unterirdischer Gang von Strünkede nach dem Keller der alten evangelischen Kirche auf dem Markt in Herne vorhanden sei. Ob dieses stimmt, kann ich nicht sagen (Es hat sich bisher nichts Derartiges nachweisen lassen. Es ist auch höchst unwahrscheinlich. D. Red.) Im Schloss selbst war eine große sog. Rüstkammer, worin viele alte Rüstungen aufbewahrt wurden. Von Forells waren gut gegen alle Dienstbeflissenen.

Weiter vor dem Schloss lagen große Scheunen, dort wickelte sich der Betrieb der Landwirtschaft ab. Von der Familie derer von Forell ist kein Nachkomme vorhanden, denn auch der Sohn, der Hauptmann in Düsseldorf, blieb unverheiratet. Die ganze Gegend dort war damals fast gar nicht besiedelt.
Es ist auch mein Wunsch, dass die Stadt Herne dieses alte Wahrzeichen erhalten möge. Knüpft sich doch für viele alte Herner Zeitgenossen und deren Nachkommen noch manche Erinnerung an das Schloss Strünkede. [2]

GEORG SCHÖLLGEN.

Anmerkungen

  1. Der Richtige Name lautete Kaiser.

Siehe auch

Quellen