Imbiss Kühn: Unterschied zwischen den Versionen
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Einmal Pommes mit Mayo. Okay. Schälchen, Pommes aus der Friteuse (wieder nicht richtig abgetropft), mit dem Salzstreuer drübergewedelt, Fritten in die Pappschale, überstehende Exemplare mit den Fingern zurückschieben, das Häufchen Pommes unter den Mayonnaisespender halten, abdrücken, Schale einwickeln, „Stäbchen dabei?“ Nee, lass ma! | Einmal Pommes mit Mayo. Okay. Schälchen, Pommes aus der Friteuse (wieder nicht richtig abgetropft), mit dem Salzstreuer drübergewedelt, Fritten in die Pappschale, überstehende Exemplare mit den Fingern zurückschieben, das Häufchen Pommes unter den Mayonnaisespender halten, abdrücken, Schale einwickeln, „Stäbchen dabei?“ Nee, lass ma! | ||
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Version vom 1. Januar 2018, 11:40 Uhr
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Erinnerung
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Wir wohnten im Dunstkreis von Omma Kühn, in der Schulstraße 1a (wurde später umbenannt in Landgrafenstraße!), keine 100 m entfernt. Ja, Kühn war Kult. Allerdings gab es damals, nur ein paar Meter weiter, ein Fischgeschäft auf der Hauptstraße. Neben der Siemensstraße. Dort wo auch die Zentralfiliale der Reinigung Kleinhaus gewesen ist. Der damalige Inhaber des Fischgeschäfts war a) glühender Anhänger des DSC Wanne-Eickel / Fußball und b) hat uns für kleines Geld ebenfalls Pommes verkauft. Kostete bei Omma Kühn die Pommes 80 Pfennige, so bekam man dort, wenn man nur 50 Pfennige hatte, eine Portion für 50 Pfennige. Irgendwann ist der Inhaber gestorben und es kam in die Räumlichkeiten der bekannte Lukullus-Grill. Heute ist dort ein Döner-Imbiß beheimatet. 2018 Frank Orzessek |
Wolfgang Berke
Einmal Pommes mit Mayo. Okay. Schälchen, Pommes aus der Friteuse (wieder nicht richtig abgetropft), mit dem Salzstreuer drübergewedelt, Fritten in die Pappschale, überstehende Exemplare mit den Fingern zurückschieben, das Häufchen Pommes unter den Mayonnaisespender halten, abdrücken, Schale einwickeln, „Stäbchen dabei?“ Nee, lass ma!
Ich habe einen Traum. Der beginnt damit, dass sich eine feine Pergamenttüte wie von Zauberhand öffnet. Nachdem die Fritten genug Zeit hatten, das Fett abzustreifen, werden sie richtig gesalzen. Mit körnigem Salz, das noch eine Weile auf den goldenen Stäbchen glitzert.
Nachdem die Pommes Frites sorgfältig mit dem Salz vermischt worden sind, kommen sie in die Tüte. Bis zum Rand, so dass obendrauf nur noch ein guter Schlag Mayonnaise passt. Mit dem Löffel natürlich. Und mein Traum geht weiter. Mit einem großen Blatt Papier, das kunstvoll um die bereits aufs Herrlichste gefüllte Tüte geschlagen wird. Jetzt hat sich das Volumen verdoppelt. Platz genug also für eine weitere Portion feiner Pommes Frites, ebenfalls von einem üppigen Schlag Mayonnaise gekrönt.
Und genauso sorgfältig, wie dieses Kunstwerk geschaffen wurde, will es nun auch gegessen werden. Unterwegs natürlich, denn „hier essen“ oder „zum Mitnehmen“ gibt es in meinem Traum nicht. Der Griff ist das Wichtigste. Wer zu fest zupackt, wird später in der unteren Tüte auf matschige Fritten stoßen. Wer den Griff zu locker wählt, riskiert die obere Hälfte der Tüte samt köstlichem Inhalt. Denn nichts ist geklebt, alles nur gewickelt. Von dem losen Papier trennt man sich natürlich erst, wenn man auf die zweite Schicht Mayonnaise stößt. Zum Boden der spitzen Tüte reicht das Stäbchen aber nicht hinunter. Also Kopf in den Nacken und das letzte halbe Dutzend Kartoffelstäbchen genussvoll über den Rand in den Mund rutschen lassen.
Bis vor zehn Jahren konnte ich mir meinen Traum erfüllen. Bei Pom- mes Kühn in der Märkischen Straße. Natürlich hatte in den späteren Jahren der Zeitgeist auch vor dieser Imbiss-Institution nicht halt gemacht. Lina Kühns erster Griff galt dann dem Schälchen. „Nee, bitte wie früher.“ Musste ich erklären, dass ich als Schüler immer nach dem Hallenbad und meist noch mit nassen Haaren nach der Tüte Pommes lechzte? Musste ich erläutern, dass ich zu einer der Dutzenden Schüler- generationen zwischen 1959 und 1992 gehörte, für die es keinen anderen Heimweg gab als den durch die Märkische Straße? Nein, selbstverständlich bekam ich meine Tüte auch ohne große Worte. Mit einem Grinsen, und fast so perfekt wie früher. Aber zum Preis einer doppelten Portion – wir waren ja schließlich nicht mehr in den 1960er Jahren.
An Lina Kühn erinnere ich mich als eine freundliche, aber, wenn nötig, auch durchaus resolute Person. Neben ihr werkelte häufig ihre Schwester Johanna. Oft wurde man auch von einer grimmig dreinblickenden Dame mit respektablem Bartwuchs bedient, an deren Namen ich mich nicht mehr erinnere. Aber sie beherrschte den Tüten-Trick natürlich ebenfalls.
Hätte es diese herrlichen Kunstwerke nicht gegeben, wäre Imbiss Kühn sicher nicht zum Kult für Generationen geworden. Der Imbiss war winzig, die nackten Fensterflächen zur Märkischen im Winter beschlagen. Das Interieur in den 1960ern würde ich als ausgesprochen rudimentär bezeichnen. Resopal-Design, scheußliche Tapete. Und hinter der Glastheke war das Angebot sehr überschaubar. Bratwurst, Hähnchen, kleiner Salat. Hab ich nie gegessen. Was sich neben dem Pommes aber wirklich noch lohnte, war das Schaschlik. Das ließ man sich auf einem Porzellanteller servieren und aß es vor einem schmalen Wandbord stehend.
Die Schaschliksoße war selbstgemacht, nix aus der Tüte oder dem Eimer. Und diese dünnflüssige, wunderbare, braune Fleischbrühe gab es auch auf die Kartoffeln, wenn man Pommes mit Soße bestellte. Was zwar ungeheuer matschte, aber ebenfalls klasse schmeckte. Im April 1992 war Schluss mit Pommes Kühn. Lina, von der die meisten glaubten, dass sie eigentlich „Omma“ Kühn hieße, musste von Angehörigen förmlich in den Ruhestand gedrängt werden. Ihre letzte Schicht auf der Märkischen Straße fuhr die Grand Dame der Kartoffelstäbchen mit 87 Jahren.
Der Text wurde für das Wiki redaktionell bearbeitet. Er stammt aus dem Jahr 2002