Kronprinz Friedrich am Herner Bahnhof 5. Februar 1858

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Empfang des Prinzen und der Prinzessin von Preußen in Herne, Februar 1858.


Auf der Rückreise von London, wo dem Prinzen [Friedrich] Wilhelm von Preußen, dem späterem Kaiser [Friedrich III.] Wilhelm I., anfangs Februar 1858 die englische Königstochter [Victoria] angetraut worden war, berührte das jungvermählte Paar auch die Station Herne der Köln-Mindener Bahn. Ueber den Empfang in Herne-Bochum (Bochum hatte damals noch keinen eigenen Bahnhof) liegen uns einige Berichte vor aus der Nr. 12 des Märkischen Sprechers [1. Bochumer Zeitung] vom 10. Februar 1858. Die aus den vergilbten Zeitungen entnommenen Schilderungen sind charakteristisch für die damalige Zeit und dürften für unsere Leser sicherlich von großem Interesse sein. Die Red.[1]

Herne-Bochum, 5. Febr. 1858
Die vor einigen Tagen hier eingegangene Nachricht, daß das hohe neu vermählte Paar, Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz Friedrich Wilhelm von Preußen und der Prinzessin Friedrich Wilhelm, in Folge einer Abänderung des Reiseplans auf der Rückkehr nach Berlin auf der Köln=Mindener Eisenbahn=Station Herne=Bochum, als dem ersten Grenzorte der Grafschaft Mark, 10 Min. anhalten und dort die Begrüßungen der Eingesessenen entgegen zu nehmen geruhen würde, durchflog wie ein electrischer Funke den ganzen Kreis und erfüllte alle Gemüter mit der lebhaftesten Freude. In der eine Meile vom Bahnhofe entfernten Kreisstadt Bochum bildete sich sogleich ein Comitee, das sich zur Aufgabe stellte, Einheit in die verschiedenen, sich auf dem Bahnhofe zu Herne=Bochum einfindenden Festzüge zu bringen und durch zweckmäßige Aufstellung der Festzüge den beschränkten Raum auf dem Bahnhofe zu ersetzen. Ungeachtet der schlechten Witterung und der durch den tiefen Schlamm auf der Chaussee [(Bochumer Straße und Bahnhofstraße)] erschwerten Passage erblickte man schon früh heute Morgen Wagen auf dem Wege zum Bahnhofe. Durch nichts ließen sich die Markaner, die treuesten der treuen Unterthanen, abhalten, dem geliebten Thronfolger und Höchstdessen Gemahlin ihren ehrfurchtsvollen Jubelgruß darzubringen. –

Als gegen 10 Uhr die Festzüge sämtlich angelangt waren, traf der inzwischen in Begleitung des Herrn Regierungspräsidenten von Spankeren aus Arnsberg angekommene Ober=Präsident von Westfalen, Se. Exzellenz der Herr Minister von Duesburg, unter Mitwirkung des stellvertretenden Landraths, Kreis=Deputierter von Forell, die näheren Anordnungen. An den beiden Seiten des vom Bahnkörper bis zum Stationshauses erbauten verdeckten Eingangs hatten sich die Spitzen der Behörden in ihrer Galauniform und die verschiedenen Deputationen aufgestellt. Wir bemerkten darunter: den Director des hiesigen Bergamts, Oberbergrath Küper; den Kreisgerichts=Director Adriani in Begleitung einer Deputation des Kreisgerichts zu Bochum; den Präsidenten des Appelationsgerichts zu Hamm, Lent; den Landrath von Meitzenstein aus Recklinghausen; die Ritterschaft der Keise Bochum und Recklinghausen; den Kreisgerichts=Director von Dorsten mit einer Deputation des Kreisgerichts; den Ober=Post=Director aus Arnsberg; den Repräsentanten der Zechen Shamrock und Hibernia, W. Mulvany, in englischer Staats=Galauniform; die Deputationen der Städte Bochum, Hattingen und Witten; die Deputationen der Aemter Bochum, Herne, Langendreer, Blankenstein und Hattingen; die Deputationen der Städte Recklinghausen und Dorsten; die Deputationen der Landgemeinden des Kreises Recklinghausen; den Superintendenten Dr. König in Begleitung der Geistlichen aus dem Synodalkreise Bochum; den Dechanten Ekel in Begleitung der Geistlichen des Dekanats Bochum und des Dekanats Recklinghausen; die Deputation der Herzoglich Aremberg´schen Domainenkammer zu Recklinghausen; die Deputation der Bochumer Gußstahl=fabriken u.a.m. –

In weiterer Verlängerung waren zu beiden Seiten die Festzüge aufgestellt: das große Reichsbanner, zur Seite die Fahnen von England und Preußen, begleitet von einem Ehren=Commando des Schützen=Vereins; das Schützen=Corps zu Bochum mit seinen Fahnen; der Verein der alten Krieger des Kreises Bochum: die Wiesmann´sche und die Scharpenseelsche Lade mit ihren Fahnen und den Gewerks=Emblemen; die Schneider= und Schuster=Innung mit ihren Fahnen; das Gymnasium zu Recklinghausen mit seinen Fahnen; die Gewerbeschule, die Rektoratschulen und Elementarschulen aus Bochum mit Fahnen; die Knappschaft der Zechen Shamrock und Hibernia; das Schützen=Corps aus Herne mit seinen Fahnen. Das Amt Bochum hatte ein Reiter=Corps in Nationaltracht aufgestellt. Der Bahnhof Herne mit der nächsten Umgebung war mit Hunderten von Fahnen in englischen und preußischen Farben aauf das Geschmackvollste und schönste geschmückt. Vor allem aber zeichnete sich ein von der hiesigen Gußstahlfabrik aufgebautes Gerüste aus, in welchem 4 große Gußstahlglocken aufgehangen waren., Dieses Gerüste bot durch schöne Verzierungen, untermischt mit passenden Emblemen, einen Imposanten und überraschenden Anblick dar. Als Ehrenwache waren dabei 40 Schmelzer mit vier Meistern, welche beim Schmelzen der Glocken thätig gewesen, aufgestellt. –

Als die Zeit auf 10 Uhr 51 Minuten bestimmten Ankunft Ih. Kö. Hoheiten, herannahte, trat eine allgemeine erwartungsvolle Spannung ein. Da langte plötzlich eine telegraphische Depesche an, nach welcher die Ankunft um etwa ½ Stunde später zu erwarten stehe. Kaum hatten sich die durch diese kleine Unterbrechung gelockerten Festzüge wieder geordnet, als am fernen Horizonte die Sicherheits=Locomotive sichtbar wurde und in wenigen Minuten anlangte, worauf denn auch bald der feenhaft geschmückte Extrazug folgte. Eine lautlose Stille! Von den Tausenden von Menschen wurde auch nicht ein Wort gesprochen. Als der Zug langsam näher kommend das Glocken=Gerüste erreichte, durchbrauste plötzlich ein harmonisches Glockengeläute die Lüfte und stimmte die Gemüther zu einer frommen Andacht, die beim Anhalten des Zuges durch einen tausendstimmigen Jubelgruß unterbrochen wurde. Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Wilhelm bon Preußen trat an das Fenster des Salonzuges und begrüßte aufs Herzlichste den herantretenden Herrn Ober=Präsidenten von Duisburg, der dann im Wagen Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin vorgestellt wurde. Als nun II. KK. HH. Den Wagen verließen, um sich die Behörden und Deputationen vorstellen zu lassen, stimmten die beiden an der Spitze der Festzüge sich befindlichen Musikchöre die Preußische National=Hymne an. Der Superintendent König hieß mit wenigen kräftigen und herzlichen Worten II. KK. HH. In Westfalen willkommen, worauf der Prinz erwiderte:

“Sie empfangen mich mit einem so schönen Glockengeläute; ich bin Ihnen dankbar, Dieses (sich zu Ihrer Königlichen Hoheit wendend) ist meine Frau. Ich freue mich, daß ich auf dem Boden Westfalens bin.“

Bei er weiteren Vorstellung überreichte der bei der hiesigen Gußstahlfakrik beschäftigte Bourgoyne (der die Kanonen und größere Stücke schmiedet) mit einer passenden Anrede in englischer Sprache Ihrer Königlichen Hoheit der Prinzessin ein Album, welches den folgenden Empfangsgruß enthielt

Der Gußstahlglocken voller Chor
Den nie vernommen Englands Ohr,
Er tönt: „Glückauf Victoria!“
Willkommen! Ruft Westfalia.

Bochum in Westfalen, 5. Februar 1858.
Die Meister des Bochumer Vereins für Bergbau und Gußstahlfabrikation für sich und im Namen sämtlicher Mitarbeiter.“

Die Prinzessin, sichtbar freudig überrascht erkundigte sich nach einigen Angelegenheiten dieses weltberühmten Etablissements und fragte, ob es viele Engländer dabei beschäftigt seien.

Seine K. Hoheit dem Prinzen wurde von dem als Obermeister der Schmelzer bei der Gußstahlfakrik angestellten Capellen ebenfalls ein Album überreicht, welches den nachstehenden Jubelgruß enthielt:

Westfalen bringt mit Glockenklang
Aus Stahlesguß dem Himmel Dank!
Den Königssohn und sein Gemahl
Geschütze Gott und unser Stahl!

Bochum, wie oben.“

Die Ehrendamen überreichten folgende Adresse:

“Ew. Königliche Hoheit begrüßen unterthänigst die Ehrendamen des Bochumer Schützen=Vereins im Namen der Frauen und Töchter Westfalens. Wir bringen unserer zukünftigen Königin Westfälische und Markanische Treue und die hohe Achtung und Liebe ehrfurchtsvoll entgegen, mit der die Frauen Westfalens und der Mark das Bild ihrer Königin im Herzen tragen. Möge der allgütige Gott Ew. Königlichen Hoheit in der neuen Heimath Glück und Segen und uns Ihre Huld und Gnade verleihen!“

Fräulein Dieckhoff überreichte diese auf weißen Atlas gedruckte Rede Ihrer Königlichen Hoheit welche auf das Freundlichste dankend derselben beim Abschiede die Hand reichte. Zu den übrigen jungen Damen bemerkte Seine Königliche Hoheit: „Ei, wie hübsch! Ja in allen Farben.“ Die jungen Damen waren nämlich mit die englischen, preußischen und die Bochumer Schützenfarben enthaltenden, Schleifen geschmückt. Als sich hierauf II. KK. HH. Entfernen wollten, überreichte Fräulein C. Schlett Ihrer K. Hoheit einen aus den seltensten lebenden Blumen gewundenen Straß mit folgenden Worten:

“Königliche Hoheit! Auch die Jungfrauen des Amtes Bochum begrüßen und bewillkommen Ew. Königliche Hoheit beim Eintritte in die Grafschaft Mark und bei der ersten Reise in die neue Heimath an der Seite Ihres Königlichen Gemahls. Königliche Hoheit bitte ich ehrerbietigst, geruhen zu wollen, diesen Blumenstraß als ein Ausdruck der tiefsten Verehrung und Liebe huldreichst anzunehmen.“

Die Prinzessin, den Blumenstrauß entgegennehmend, antwortete: „Wie schön!“- Nachdem sich Ihre Königlichen Hoheiten noch mit mehreren der sich in dem Empfangszimmer eingefundenen Herren und Deputationen unterhalten hatte, bestiegen Höchstdieselben unter Glockengeläute, unter lautem Jubelrufe der Volksmenge, unter schwenken sämtlicher Fahnen, und während die beiden Musikchöre die Preußische National=Hymne anstimmten, den Salonwagen. Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin trat an das Fenster, dankte mit freundlich aus dem großen seelenvollen Augen strahlenden Blicken nach allen Seiten, welches sie bei jedesmal erneuertem Jubelrufe, die nie enden zu wollen schienen, wiederholte. Die Menschenmassen drängten immer näher und näher, um das hohe Paar vor dem nahen Abschiede nochmals aus der unmittelbaren Nähe zu sehen; da wurde plötzlich das Zeichen zur Abfahrt gegeben und die Locomotive entführte uns schon wieder, das erst vor wenigen Minuten angekommene hohe Paar, das durch liebenswürdiges, huldreiches und ungezwungenes Wesen allgemeine Bewunderung erregt hatte. Ueber die elegante Einfachheit, über die ungemeine Güte und Anmuth der Prinzessin herrschte nur eine Stimme.

Wir schließen den Bericht mit der Bemerkung, daß zwei Maler, auf einem hohen Wagen im Hintergrunde sitzend, die ganze Scenerie aufnahmen.

Ueber den Empfang in Herne=Bochum schrieb die K[ölnische] Z[eitung] [Nr. 38 vom 7. Februar 1858 1. Seite[2]]: „Eine eigenthümliche Ueberraschung wurde dem jungen Fürstenpaar unbestreitbar auf der einsamen Station Herne=Bochum. Ein feierliches Glockengeläute tönte nämlich dem langsam ankommenden Zuge entgegen. Man erblickte an einen hohen Triumphbogen, dessen Form an das Brandenburger Thor in Berlin erinnerte, umwunden mit frischem Grün und eben so geschmackvoll als reich geschmückt mit hundert Flaggen. Daran hingen in vier Abteilungen vier mächtige Gußstahl=Glocken, die der Bochumer Verein für Bergbau und Gußstahlfabrikation zur Begüßung des hohen Paares an der Grenze Westfalens eine Meile weit hingeschleppt und hoch aufgepflanzt hatte. Anstatt der Siegesgöttin waren oben zwei Tableaux, an beiden Seiten, theils von den westfälischen Farben, theils von einem Kranze vergoldeter Eichenblätter umrahmt, mit den goldenen Inschriften:

Der Gußstahlglocken voller Chor Westfalen bringt mit Glockenklang
Den nie vernommen Englands Ohr, Aus Stahles=Guß dem Himmel Dank!
Er tönt: „Glückauf Victoria!“ Den Königssohn und sein Gemahl
Willkommen! Ruft Westfalia. Beschütze Gott – und unser Stahl!

Darunter zwei kleine Gußstahl=Kanonen, oben darüber zwei englische mächtige Flaggen, hoch überweht von der preußischen. Die Stahlglocken präsentiren sich inmitten der vier Oeffnungen prächtig zwischen dem frischen Grün in ihrem blauen Glanze, und wenn die ganze malerische Gruppe dem Auge ein wohlthuendes Bild darbietet, so ist der volle harmonische Wohlklang des Geläutes dazu angethan, im Herzen die feierlichsten Gefühle zu erwecken. Die Königlichen Hoheiten lehnten schon beim Kommen, wie auch beim Vorbeifahren (wiederholt rückwärts sehend) aus dem Wagenfenster und waren sichtbar überrascht und erfreut.“ Nach Ankunft begab sich der Herr Ober=Präsident von Westfalen in das fürstliche Coupé zur Begrüßung des hohen Paares. Beim Aussteigen lauteten die ersten Worte seiner Königlichen Hoheit ungefähr so: Sie haben uns mit einem schönen Geläute empfangen; ich danke Ihnen dafür herzlich. Ich bin sehr erfreut, Westfalen wieder zu betreten.“ Es wurden von zwei Meistern der Bochumer Gußstahl=Fabrik in deren Arbeitern Namen (mit englischer Ansprache an Ihre Königliche Hoheit) zwei Gedenkblätter, in vergoldeten blauen Sammt gebunden überreicht.“

Köln, 6. Febr. Wie bis hierher der Reisezug des neuvermählten fürstlichen Paares überall und von allen Seiten benutzt worden war, Höchstderselben die Huldigungen der Liebe und Verehrung des Landes entgegen zu bringen und der lieblichen Tochter Albions den Einzug in das neue Heimathland so angenehm zu machen, wie immer möglich, so trat auch im weiteren Verfolge der Reise von Deutz aus derselbe lebendige Wetteifer in der Kundgebung der herzlichsten Anhänglichkeit und das eifrige Bestreben hervor, sich dem für die Wünsche des Landes nur zu rasch vorüber eilenden hohen Paare bemerklich zu machen und wenn auch nur mit einem Blicke die dem geliebten Herrscherhause gewonnene, in weiblicher Anmuth strahlende Tochter zu sehen. Sämtliche Stationen der Bahn waren, soweit es die Umstände und die Jahreszeit erlabten, auf das glänzendste und sinnreichste mit Fahnen, Laubwerk und Inschriften verziert; überall waren auf denselben inmitten einer unzähligen jubelnden Volksmenge die Behörden, Corporationen und Vereine mit Amtszeichen und Fahnen versammelt; Musik, Glockengeläute und Böllerschüsse wechselten sich mit dem lautesten Zurufe von Glück= und Segenswünschen. Der erste Aufenthalt wurde in Düsseldorf gemacht, dann in Duisburg, Herne=Bochum, Dortmund, Hamm, Bielefeld und zuletzt in Minden, wo der Zug unter dem Donner der Festungs=Geschütze gegen 3 ½ Uhr anlangte.

Siehe auch


Einzelnachweise

  1. Herner Anzeiger 1. April 1922 Im Teil des Kölnischen Anzeigers eine Erweiterung des Originaltextes.
  2. [mets=http%3A%2F%2Fcontent.staatsbibliothek-berlin.de%2Fzefys%2FSNP27193615-18580207-0-0-0-0.xml Digitalisat der Staatsbibliothek Berlin - Direktlink]