Ein Feudalsitz in Wanne-Eickel

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Selbst alteingesessene Mitbürger von Wanne-Eickel werden beim Lesen dieser Überschrift ungläubig den Kopf schütteln und sicherlich an ein Märchen glauben.

Von Otto Kortmann

Ein Feudalsitz in Wanne-Eickel

Und doch ist es verbürgte Wahrheit. Im Emscher Bruch, in der Riemker Mark, also im Norden unserer Stadt, hat vor nunmehr über 100 Jahren ein, dem damaligen Zeitalter als großzügig zu bezeichnender, mit modernsten Anlagen und Ausstattungen errichteter Herrensitz gestanden. Die Beweisunterlagen für diese Tatsache wurden vor rund 50 Jahren von dem Unterzeichneten im Katasterarchiv der damaligen Preuß. Regierung in Arnsberg vorgefunden. Erstellt wurde dieser, für unsere Gegend märchenhafter Gebäudebesitz mit seinen Park- usw. Anlagen, in den Jahren 1844 - 1874. Während dieser Zeit erfolgte auch die Vermessung und im Jahre 1855 die Übernahme im Kataster.

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Der damalige, bis Anfang der dreißiger Jahre dieses Jahrhunderts bei der hiesigen Amts- und späteren Stadtverwaltung tätig gewesene Verwaltungsdirektor Sporkhorst, der sich auch um die Heimatgeschichte von Wanne-Eickel sehr verdient gemacht hatte, konnte sich bei der Vorlage der Lageskizze aus dem Jahre 1824 mit den hier fraglichen Ergänzungen aus den Jahren 1844 - 1874, nach der die nebenstehende Nachzeichnung gefertigt wurde, nicht erinnern, von einem solchen Geschehen je gehört oder gelesen zu haben. Es wurden auch niemals irgendwelche Gebäudereste oder sonstige Merkmale in der fraglichen Gegend vorgefunden, die vielleicht einen Rückschluss auf das ehemalige Vorhandensein eines Feudalsitzes hätten erkennen lassen.

Seine Hoffnung, vielleicht doch noch jemanden zu finden, der möglicherweise über diesen gewesenen Besitz Näheres wissen könnte, erhielt er zu seiner Überraschung im Jahre 1924 von dem damals noch lebenden Rektor a. D. Friedrich Brockhoff (geb. 19. Februar 1845 - gest. 8. März 1926) aus Crange bestätigt. Rektor Brockhoff wusste sich als kleiner Junge gelegentlich seiner Streifzüge mit Gleichaltrigen durch die nahegelegenen Waldungen des Resser Bruches noch gut zu erinnern, dass tatsächlich ein Schloss mit allem "Drum und Dran" in der Art der ihm vorgelegten Zeichnung bestanden hat. Von ihm hat Herr Sporkhorst auch in Erfahrung bringen können, dass dieser Herrensitz nur etwa 15 Jahre gestanden haben soll und dann innerhalb kurzer Zeit restlos vom Erdboden verschwunden sei. Seine Schilderungen über die Kurzlebigkeit dieses Besitzes entbehrt nicht einer gewissen, imposanten Dramatik.

Angeblich soll eine Tochter des Grafen von Nesselrode-Reichenstein als Grundeigentümer bei ihrer Verehelichung mit dem Freiherrn Ludwig von Elverfeld diesen neu erstellten Herrensitz als sein Hochzeitsgeschenk erhalten haben. Wegen leichtsinnigen Lebenswandels seines Schwiegersohnes, insbesondere wegen häufiger Gelage mit zweifelhaften Frauen und Mädchen, sowohl in diesem Schloß als auch anderwärts, wurde die Ehe nach einigen Jahren geschieden. Nebenbei soll er nur vierspännig vor und abgefahren sein. Um - wie Rektor Brockhof sich ausdrückte - an diesen "Nichtsnutz" nicht mehr erinnert zu werden, hat der Graf unmittelbar nach der Scheidung die sämtlichen Gebäulichkeiten abreißen und alles Übrige wieder einebnen lassen.

Im ostwärtigen Teil dieser Gegend, in der dieser Feudalsitz stand, befindet sich heute das Gut Steinhausen bzw. der Reiterhof. Welche Ausmaße der damalige Besitz hatte, sei nur an einigen Beispielen erwähnt. Der Zugangsweg zum Schloss war 6 - 7 m breit. Alle übrigen Wege hatten eine ähnliche Breite; sie sollen sämtlich als Alleen hergerichtet gewesen sein. Die Frontbreite des Herrenhauses mit den Vorbauten betrug 30 m und die Haustiefe 23 m. Die übrigen in der Zeichnung nachgewiesenen Gebäude waren Gesindehäuser, Stallungen und Wagenschuppen. Der Fischweiher hatte einen Durchmesser von 45 m. Der Lustgarten war 160 x 82 m groß. [1]

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Quelle

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  1. Otto Kortmann 1979, Der Emscherbrücher I/79 S.12-13