Zur Geschichte des Hofes Heitkamp in Wanne

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel


Zur Geschichte des Hofes Heitkamp in Wanne.

Kein Gebiet unserer engeren Heimat hat im Laufe der letzten hundert Jahre eine so große Umwälzung erfahren wie die heutige Stadt Wanne-Eickel. Bis zum Beginn des Kohlenbergbaues (die Zeche Unser Fritz wurde 1872, der Schacht Wilhelm der Zeche Pluto 1873 abgeteuft) war das Gebiet der Gemeinde Wanne nur dünn besiedelt und hatte einen rein landwirtschaftlichen Charakter. Die Bauernschaft Wanne wird schon im ältesten Heberegister des Klosters Werden aus der Zeit um 1150 genannt, der Name "Wande" dieser Höfegruppe blieb das ganze Mittelalter hindurch bestehen. Er ist wohl von Wanne = Futterschwinge abzuleiten, es sollte mit dem Namen die leichte muldenförmige Senkung angedeutet werden, in der diese Höfe im Gelände lagen.[1]

Durch die Wanne führte von Eickel kommend ein Feldweg nach dem Schulthof in der Wande, bog dann nach Westen ab und lief auf die Horsthöfe zu und von dort auf die Krange Heide. An der Grenze zur Bauernschaft Eickel dicht am Eickeler Bruch, der Gemeindeweide für Eickel und Wanne, lag der Bauernhof Heitkamp, an dem in die Wanne führenden Weg. Den Namen hatte der Hof von seiner Lage; unter Kamp verstand man im frühen Mittelalter, wo der Hof seinen Namen erhielt, ein gerodetes Ackerstück, das von einer Hecke eingefriedigt war, um Wildschaden zu verhüten. Dieser Kamp an der Heide (dem Eickeler Bruch) war immer das größte Ackerstück des Hofes, er umfaßte über 30 Morgen und hat also dem Hof den Namen gegeben. Wann der erste Bauer sich hier auf dem Gelände der "Wande" angesiedelt hat, wissen wir nicht, wir können aber annehmen, daß die Besiedelung der Wanne schon zur Zeit Karls des Großen abgeschlossen war.

Urkundlich zum ersten Male hören wir von dem Hofe Heitkamp in dem alten Pergamentregister des Klosters Herdecke, das um 819 gegründet wurde.
Das Kloster kam durch fromme Stiftungen reicher Großgrundbesitzer zu Wohlstand und sorgte gut für seine adeligen Insassinnen. In dem um 1229 angelegten lateinischen Verzeichnis[2] der Lehnsgüter des Klosters werden aufgeführt auch drei Huven bei Eickel (tres mansus prope Eclo), die verpachtet waren und von denen jede eine Scheffel Braugerste, 18 Denare, 1 Obolus und 1 Gans jährlich an den Fronhof in Herdecke, den Ablieferungsort für die vielen Pächter der Klosterleute, abliefern mußte. Die Braugerste diente zur Bereitung eines leichten Bieres, des täglichen Tranks der damaligen Zeit. Aus einem späteren Verzeichnis [3] aus dem 15. Jahrhundert können wir entnehmen, daß es sich bei den drei Hoven, wie man die Höfe im Mittelalter bezeichnete, um den Heitkamp Hof, der Kamphove in Hofstede und dem Hof Osthuesen dort, der später zum Rittersitz Nosthausen umgewidmet wurde, gehandelt hat. In dieser Aufstellung heißt es: dye hove is gelegen achter den Dorenborgh, Heitkamp geheissen, der underwindet sich Aschebrock, dye hove gift xiii schepel gemalen gersten malt, eine gans, xviii penning und 1 helling. Nach diesem Vermerk lag also der Heitkamphof hinter dem Rittersitz Dorneburg und war damals an die Familie von Aschebrock zu Lehen gegeben. Eine Notiz am Rande aus späterer Zeit: doitt de hove der xii Schilling weist darauf hin, daß die Abgaben von Braugerste usw. später in eine jährliche Geldrente von 12 Schilling umgewandelt worden sind. [4] 1543 heißt es: tom Heytkamp 1 Mark Geldes der Äbtissin, seit dieser Zeit wurde also jährlich 1 Mark an die Äbtissin gezahlt, der Betrag entspricht etwa einer Summe von 30 DM.

Wie die Familie von Aschebrock an den Heitkamphof gekommen ist, ergeben die heute noch vorhandenen Urkunden des Archivs des Stiftes Herdecke nicht mehr. Wahrscheinlich hat das Kloster den Hof schon im 13. Jahrhundert dem adeligen Besitzer des Hauses Dorneburg zur Pacht oder Lehen übergeben, in der Familie hat sich dann der Heitkamphof vererbt, ging auf den Zweig, der sich Aschebrock nannte über; 1399 erwarben die Aschebrocks das Rittergut Malenburg in der Bauernschaft Bockum nördlich von Datteln, wir finden dann den Hof Heitkamp später im Besitz dieser Familie von Aschebrock auf Malenburg. Die Adeligen gaben den Hof in Pacht an die darauf sitzenden Bauern, sie nahmen ihm jährlich eine nicht höhere Pacht ab als sie selbst an das Kloster gaben. 1684 gab der Hof jährlich 12 Malter Korn (Roggen), 2 Schulschweine, 2 Gänse, 6 Hühner, 5 Reichstaler Dienstgeld (offenbar die Ablösung für Dienste mit Pferdestelle auf dem Rittergut), 10 Pfund Flachs, 1 Pfund Pfeffer, 1/2 Pfund Ingwer an seinen Grundherrn, dazu noch 1 Scheffel Zehntroggen an den Zehntherrn.

Folgende Zusammenstellung gibt eine Übersicht über die urkundliche Erwähnung des Hofes vom 15. bis 17. Jahrhundert:

1486 gab Heitkamp bei der ersten allgemeinen Landessteuer 2 Ort (1 Ort war ein Viertel Reichstaler) Reichstaler. Der Zusatz: nil habet (hat nichts) deutet darauf hin, daß der Hof nichts einbrachte. (Schatzbuch der Grafschaft Mark von 1486, abgedruckt in Meister, Festschrift der Grafschaft Mark Band 2 S. 14).
1515 Evert Heitkamp wird im Meßkornregister der Bochumer Kirche als Abgabepflichtiger für 1/2 Scheffel Meßkorn angeführt (Jahrbuch der Bochumer Heimatvereinigung 1951 S. 43).
1528 der Heitkamphof in Byckenbernschop umfasst 10 Malter 4 Scheffel Ackerland (Darpe, Gesch. der Stadt Bochum S. 100).
1524 Heitkamp gibt 1 Goldgulden Türkensteuer (eine Reichssteuer zur Bekämpfung der Türkeneinfälle an der Ostgrenze des Reiches (Steuerliste abgedruckt in der Zeitschrift Westfalen Band 21 S. 25).
1598 Heitkamp gibt 1/2 Goldgulden Türkensteuer (Jahrbuch des Vereins für Heimatfreunde der Grafschaft Mark Bd. 51 S. 108).
1664 Heinrich Heitkamp, ein halb Hovener, hat eine Feuerstelle, sein Grundherr Aschebrock zu Mahlenburg, Kamin-, Steuerliste von 1664 (Schulte, die Bevölkerung des Amtes Bochum im Jahre 1664, 1925, S. 78).
1678 Gert Heitkamp ist mit seinem Hof berechtigt im Eickeler Bruch und unterzeichnet eine Vereinbarung der Weidegenossen über die Bewirtschaftung des Bruches (Gustav Hegler, Aus der Väter Tagen, Bilder zur Heimatkunde von Eickel-Wanne, 1911, S. 46).
1684 wurde auf Veranlassung des Großen Kurfürsten eine Vermessung aller Ländereien der Bauernhöfe im Amte Bochum vorgenommen. Es heißt in dem erhalten gebliebenen "Landmaßenprotokoll" des Mittelamtes Bochum (im Staatsarchiv Münster):
Heitkamp
Auf dem Nienkamp: 325 Ruten
Im Esche das Meerstück: 113 Ruten
Im Esche auf Brunchhorst, Garten schließend: 139 Ruten
Ein Stück Land im Bußmanns Garten gelegen: 30 Ruten
Ein Stück Land auf Bußmanns Feld: 49 Ruten
Ein Kämpgen der Breil (?): 572 Ruten
Ein Kämpgen der Einschlag genannt: 268 Ruten
Ein Kamp, das Feldstück genannt: 3515 Ruten
Ein wießgen: 118 Ruten
Insgesamt: 12 Malter, 79 Ruten, 12 Fuß

(Das Waltersaat Land wurde damals zu je 2 Scheffel gerechnet, jeder Scheffel umfasste 208 Ruten, jede Rute 16 Fuß).

Die Besitzer des Heitkamphofes:

Die Herren von Aschebrook veräußerten im Jahre 1658 ihr Stammgut Malenburg und wohnten von da ab auf ihrem Gut Schonebeck. Ihr Besitz ging später im Wege der Erbfolge auf die Freiherren von Westerholt zu Westerholt über. In ihrem Archiv (jetzt im Vestischen Archiv in Recklinghausen) fand sich der Vertrag über den Verkauf des Hofes im Jahre 1661/62.

Kaufvertrag:

"Wir, Adolf Henrich von Aschenburg in Schonebeck (einem Rittersitz in der Gemeinde Senden-Münsterland) und Anna Sybilla von Aschenburg, geborene von Brabeck, Eheleute, verkaufen den ehrengeachteten Herrn Henrich Rötberg, dessen Hausfrau und Erben, unseren Heitkampshof im Amt Bochum in der Bauernschaft Eickels gelegen, für eine sichere Summe Geldes, welche Erklärung uns wohl entrichtet und bezahlt hat."

So beginnt der Kaufvertrag über den Hof, der am Tage Petri ad cathedram (22. Februar) 1662 abgeschlossen wurde, nachdem vorher die in einem besonderen Vertrag festgesetzte Kaufsumme von 200 Reichstalern in zwei Raten in Recklinghausen an den Verkäufer abgeliefert worden war. (Akten 2154 des Westerholter Archivs).
Rötherg, der damals in Essen wohnte, muss den Hof wieder verkauft haben. Denn bei Anlegung des Hypothekenbuches des Gerichts Eickel um 1755 war der Hof im Eigentum zweier Eickeler Bauern: Langebeckmann und Siembeck (der Kotten lag früher auf der jetzigen Körnerstraße).
Es heißt in der Eintragung im Hypothekenbuch (jetzt im Staatsarchiv Münster, 'Hypothekenbücher der Grafschaft Mark') fol. 365:
"Heitkamp, Haus und Hof, Garten, 12 Malter Land. Eigentümer Langebeckmann und Erben Siembeck je zur Halbscheid tätulo emptionis (sie hatten also den Hof angekauft). Davon hat Langebeckmann 6 Malter, vom Hause und dahin gelegten Garten und Land zieht er die Halbscheid, desgleichen von beiden Wieschen. Von den Erben Siembeck hat Erlmann auf Heitkamps Feld Ackerland in drei Stücken und auf dem neuen Kamp beim Kattenbusch 3 Scheffel und 3 Malter vor dem Haus und dabei gelegten Land, zieht 1/4, desgleichen von den beiden Wiesen 1/4 jährlich. Zu Siembecks Haus auf dem Bruch gehören 3 Malter."
Es ist anzunehmen, dass die Erben Siembeck, d.h. Erlmann und Siembeck zu je einem Viertel und Langebeckmann zur Hälfte am Hof Heitkamp berechtigt, diesen nicht geteilt haben, sondern an den aufsitzenden Heitkamp in Erbpacht weitergegeben haben, wie es zu Zeiten der Vorbesitzer von Aschenbrook der Fall gewesen war. In der Folgezeit übernahm dann von den Erben Siembeck Johann Henrich Mering ihren Anteil. Bei der Teilung des Eickeler Bruches im Jahre 1777 erhielten die Miteigentümer des Hofes auch eine Abfindung.

Später (vor 1795) erwarb Langebeckmann von den Eheleuten Peter Wering Ländereien, darunter die sogenannte Breil, in Größe von 2 Malter und den 1/4 Anteil am Heitkampkotten für 500 Taler. So war Langebeckmann jetzt zu 3/4 Eigentümer des Hofes geworden. In seiner Familie vererbte sich dieses Anrecht, praktisch besaß er fast alle Ackerländereien des Hofes als Alleineigentümer, und nur das Hofgebäude selbst blieb im Miteigentum zu 3/4, wogegen das 1/4 des Wering inzwischen an Hermann Stratmann, ab 1795 an dessen Sohn Joh. Engelbert Stratmann, genannt Langenkämper, übergegangen war. Diesen 1/4 Anteil erwarb dann 1866 der Landwirt Heim. Wilhelm Lechtape, genannt Stratmann.
Beide Miteigentümer (Langebeckmann und Stratmann) verkauften dann im Jahre 1870 das Hofgebäude mit Hofraum (28 Ruten groß) an die Köln-Mindener Eisenbahngesellschaft. Diese benötigte das Gelände für die Bahn von Schacht Pluto nach Herne und zur Verbreiterung der Bahnanlagen. Es wurden auf dem Gelände Lagerhäuser und Dienstwohnungen errichtet. Wie eine Einsicht in die alten Katasterkarten von 1825 und 1887 ergab, lag das Hofgebäude an der Ecke der heutigen Hauptstraße und eines Feldweges, der nach dem Storphof führte. Dieser Hof lag unter dem Gelände des heutigen Wanner Hauptbahnhofes. Der alte Feldweg wurde ebenso wie das Gebäude des Heitkamphofes zum Eisenbahngelände genommen.
Der alte Heitkamphof umfasste das ganze große Heitkampfeld, durch das bei der von der Familie Langebeckmann nach 1870 allmählich vorgenommenen Aufteilung der Ackerländereien zur Errichtung von Wohnhäusern die heutigen Straßen am Bahndamm, Strünkeder Straße (früher Kaiser Wilhelm, dann Thälmann-Straße genannt) und Schulstraße gelegt wurden. Das Hofgebäude lag also genau an der Stelle zwischen den beiden Eisenbahnunterführungen und zwar an der östlichen Seite. Das Hofgebäude stand auf der Parzelle Flur II 197.
Wie lange die Familie Heitkamp den landwirtschaftlichen Betrieb aufrechterhalten hat, konnte ich nicht ermitteln, wird aber wohl die Überlieferung in der Familie ergeben. Es fällt auf, wie wenig urkundliches Material über den Hof vorhanden ist. Das muss damit zusammenhängen, dass bei dem Verkauf des Hofes im Jahre 1662 sämtliche auf den Hof bezügliche Urkunden aus dem Archiv der Aschebrocks an den Ankäufer Rotberg übergeben wurden, wie es in dem Vertrag heißt. Sie sind dann später in Verlust geraten.
Es fällt weiter auf, dass der aufsitzende Erbpächter Heitkamp den Hof damals nicht selbst erworben hat. Wahrscheinlich war aber der Hof in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges wie fast alle anderen Höfe so zurückgekommen, dass es an Geld zum Ankauf gefehlt hat.

Bochum, den 30. Januar 1954
Dr. Höfken
OStA i.R.[5]

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Weiterführende Links

Anmerkungen & Quelle

  1. Neueste Ortsnamenforschungen sehen "An einer Wendung des Baches" als Erklärung. Vgl.: Ortsnamen in Herne (Flöer 2020)
  2. Das Verzeichnis ist abgedruckt in von Steinen, Westf. Geschichte, 1757, 23. Stück, S. 85
  3. von Steinen S. 142
  4. Schnettler, Herdecke an der Ruhr im Wandel der Zeiten, 1939, S. 35
  5. Manuskript im Stadtarchiv Herne