Nahtstellen, fühlbar, hier: Edmund-Weber-Straße 173 ehem. Bochumer Straße

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Zum Gedächtnis ihrer Großeltern Wolf und Elise Weinberg und zur Erinnerung an ihre Eltern Arthur und Julie Kaufmann, für die es keine Begräbnisstätte gibt, legt Liesel Spencer mit ihren Kindern Allen und Madeleine nach jüdischem Brauch einen Stein auf das Grabmal.
Der Originaltext/Artikel dieser Seite stammt von Erich-Fried-Gesamtschule und wurde für das Wiki redaktionell bearbeitet.
Autor Erich-Fried-Gesamtschule
Erscheinungsdatum 2010, in: Erinnerungsorte - Shoah-Denkmal, S. 38 u. 39
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Erinnerungen weiter tragen

Als Liesel Spencer mit ihren Kindern Allen und Madeleine den jüdischen Friedhof in Eickel betrat, war es ein Sinnbild für die Geschichte der Juden in Deutschland.

Sie besuchte das Grab ihrer Großeltern, die bereits Ende des 19. Jahrhunderts in Röhlinghausen ein Geschäft geführt hatten. Für ihre Eltern Julie und Arthur Kaufmann findet sich kein Ort des Gedenkens. Sie wurden 1944 im KZ Stutthof[Anm. 1] ermordet. Liesel Spencer selbst floh 1939 mit einem Kindertransport aus Deutschland und lebt in den USA. Ihre Kinder Allen Spencer und Madeleine Bonomo leben mit ihren Familien in New York und besuchten zum ersten Mal Deutschland. Eine Familiengeschichte voll von verlorener Heimat, Flucht, Deportation und Neubeginn.

Im Januar 2007 war Liesel Spencer einige Tage nach Wanne-Eickel zurückgekehrt. Anlass war die Einweihung einer Gedenktafel für ihre Familie in Röhlinghausen. „Ich wusste erst gar nicht, ob ich diese Reise antreten sollte", erzählte sie. Aber dann kam es Ende Januar doch für alle Beteiligten zu fünf denkwürdigen Tagen. „Vielleicht werde ich nie wieder eine Person treffen, die diese Zeit der Verfolgung so nah miterlebt hat, und es ist für mich geradezu eine Verpflichtung, ein Stück dieser Erinnerung weiter zu tragen", erzählte der Schüler Henning Hartmann. Über 400 Menschen hörten Liesel Spencers Geschichte, Radio, Fernsehen und die Zeitungen berichteten. Oft gab es Augenblicke, in denen sie den Tränen nahe war. Die Erinnerung an den Hass, der der Familie nach der Reichspogromnacht[Anm. 2] entgegen schlug, und der Abschied von den Eltern 1939, der nur für eine kurze Zeit sein sollte und dann für immer war, das brachte ihre Stimme ins Stocken. In diesen Momenten wurde der Schmerz für alle, die ihr zuhörten, greifbar. Aber sie stellte sich diesen Emotionen. „Schließlich bin ich gekommen, um meine Geschichte zu erzählen, damit man sich erinnert und nicht vergisst“, sagte sie.

Aber die Rückkehr brachte auch viele positive Erfahrungen. Bei der Gedächtnisveranstaltung im Eickeler Sud- und Treberhaus am 27. Januar 2007 reichten die Stühle für die Besucher nicht aus. Am Ende ihres Aufenthalts zog Liesel Spencer einen zerknitterten Zettel aus ihrer Handtasche. Auf ihm fanden sich die Worte des Dankes. Sie wollte, bewegt vom Augenblick, niemanden vergessen, deswegen hatte sie sich die Namen in einer ruhigen Minute notiert. „Ich hatte so etwas nie erwartete", sagte sie zum Abschied. Aber das größte Kompliment hatte sie bereits zuvor bei der Veranstaltung im Gymnasium Wanne formuliert. „Nach diesem Besuch könnte ich mir sogar vorstellen, hier wieder zu leben", hatte sie etwas zaghaft und beinah verlegen geäußert.

Zur AG der Erich-Fried-Gesamtschule gehörten: Lehrerin Kathrin Nelles, Referendarin Lisa Schneider, Michele Schnarre, Sascha Butzen, Henning Hartmann und Till Weuder.


Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Stadt Herne

Anmerkungen

Weblinks

http://www.herne.de/kommunen/herne/ttw.nsf/id/DE_Nahtstellen Nahtstellen - Website der Stadt Herne

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Quellen

Erinnerungsorte - Shoah-Denkmal - Zum Gedenken an die Opfer der Shoah aus Herne und Wanne-Eickel - Eine Dokumentation von Ralf Piorr im Auftrag der Stadt Herne, Herausgeber: Stadt Herne, 2010; darin Abbildung der Gedächtnistafel Edmund-Weber-Straße 173 ehem. Bochumer Straße