Flottmann-Werke prägten Herne-Süd (WAZ 14.11.2014)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Die Maschinen-Fabrik H. Flottmann & Co., die sich Anfang des 20. Jahrhunderts in Herne ansiedelte, prägte den Stadtteil Herne-Süd. Als soziales Großprojekt entstand 1937 die Werkssiedlung „Anna-Luise-Straße“. Am Ende besiegelte der Strukturwandel das Aus des Unternehmens.

Stadtteilreport WAZ 2014

Flottmann-Werke prägten Herne-Süd


Herne.

Im April 1902 beantragt die „Maschinen-Fabrik H. Flottmann & Co.“ eine Produktionskonzession beim Herner Magistrat. Der Schritt des Unternehmens von Bochum nach Herne ist dabei ein gewagtes Unterfangen. Die junge Stadt gilt als infrastrukturell noch nicht erschlossen, bietet dafür aber einen aufgeschlossenen Magistrat, der Ansiedlungen unbürokratisch unterstützt, einen günstigen Bahnanschluss nach Riemke und vor allem genug Raum.

Die Erde auf der Herner Vöde, wo wir unseren Betrieb wieder beginnen sollten und wo der Bohrhammer entstand, war wüst und menschenleer. Von weitem hatte man eher den Eindruck, eine bescheidene Kaffeebrennerei vor sich zu haben als eine Maschinenfabrik“, erinnert sich der Arbeiter August Wendt bereits in den 1920er Jahren. Es ist in Süd wie überall in der Emscherzone: Erst kommt die Industrie, dann die Menschen.

Freiwillige soziale Leistungen

1904 wird Heinrich Flottmann das Patent auf den druckluftbetriebenen Bohrhammer mit Kugelsteuerung erteilt. Diese Erfindung bringt schon vor dem Ersten Weltkrieg weltweiten Glanz an die Altenhöfener Straße. Es entstehen eindrucksvolle Hallen für die Eisen- und Stahlgießerei, für die Trockenkammern der Formerei und die Gesenkschmiede. Die großen luftigen Arbeitsräume, die hygienischen Einrichtungen und die neue Werksküche gelten als vorbildlich.

Mit freiwilligen sozialen Leistungen gelingt es Heinrich Flottmann, eine treu ergebene Facharbeiterschaft an sich zu binden. So wird auch die Qualität der Produktion langfristig gesichert. Auch wenn die Maschinenfabrik bei weitem nicht die Dimension der berühmten Krupp-Werke in Essen erreicht, so sind in Sachen Werksidentität− hier „Flottmänner“, dort „Kruppianer“ − durchaus Parallelen zu erkennen.

Ende der 1930er Jahre erreicht die Flottmann AG ihren ökonomischen Höhepunkt. Allein im Herner Stammwerk arbeiten über 1500 Menschen. Als soziales Großprojekt entsteht 1937 die Werkssiedlung „Anna-Luise-Straße“. Der Unternehmer ermöglicht seinen Arbeitern, ein eigenes Heim auf eigenem Grund und Boden zu schaffen. Bis heute hat die Siedlung ihren persönlichen Charakter bewahrt, auch wenn die parkenden Autos den harmonischen Eindruck mindern. Flottmann ist hier Familiengeschichte.

Zu den ersten 23 Kleinsiedlern gehört Heinrich Peters mit seiner Frau Friedericke und Sohn Hans-Dieter. „Als wir hier aufgewachsen sind, stand die Siedlung auf der grünen Wiese. Wir Kinder hatten die Straße für uns“, beschreibt Hans-Dieter Peters einen idyllischen Kindheitsraum. Tatsächlich bestimmen Weide- und Ackerfelder noch bis in die 1950er Jahre hinein den Stadtteil.

Wie ihre Väter finden auch die Söhne Arbeit im Werk. „Mein alter Herr arbeitete als Maschinenschlosser in der Kompressorenmontage. Ich habe meine Lehre 1949 in der Abbauhammerabteilung begonnen. Im Betrieb waren hauptsächlich gelernte Facharbeiter beschäftigt. Gegenüber dem Bergbau waren das alles bessere Arbeitsplätze. Der Tenor war: Bei Flottmann in die Lehre und bei Flottmann in die Rente“, so Hans-Dieter Peters. Familienära endet

Aus dieser Lebensplanung wird allerdings nichts. Dem Strukturwandel steht das einst so stolze Familienunternehmen ideenlos gegenüber. Peters findet 1964 einen Job bei Opel in Langendreer. „Man hat da schon gemerkt, dass bei Flottmann alles den Bach runter geht“, sagt er. Als Friedrich Heinrich Flottmann sich im Oktober 1977 zurückzieht, endet kurze Zeit später die Familienära des Unternehmens. Zu diesem Zeitpunkt sind nur noch 140 Beschäftigte in den mittlerweile veralteten Werkhallen beschäftigt.

Ralf Piorr [1]

Flottmann-Werke prägten Herne-Süd [2]

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Quellen