Die Teilung der Sarras-Wiese (Reiners 1935)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 15. Juli 1935 veröffentlichte Leo Reiners im Herner Anzeiger ein Artikel über die Teilung der Sarras- und Gras-Ost-Wiese . [1]

Saaras-Große-Ostwiese 1823 und 2025.jpg

Noch eine Voede=Aufteilung in Herne=Süd

Die Teilung der Sarras- und Gras-Ost-Wiese - Die Arbeit, die der Deputierte Masthoff zu leisten hatte.

Die Geschichte der Teilung der Riemker Voede zeigte, wie die Aufteilungen von Gemeinheiten im 18. Jahrhundert vor sich gingen. Sie beruhten in der friderizianischen Zeit auf Freiwilligkeit. Trugen die Interessenten einer Gemeinheit auf Teilung an, so bestellte die Krieges- und Domainen-Kammer-Deputation in Hamm einen Teilungskommissar, der mit Hilfe eines Landmessers das Teilungsgeschäft durchführte. War die Einigung erzielt, so musste der König, dem die Akten durch die Krieges- und Domainen-Kammer-Deputation zugesandt wurden, seine Genehmigung erteilen, womit die Teilung rechtskräftig wurde. Nach den Befreiungskriegen ist die Gemeinheitsteilung in eine neue gesetzliche Form gegossen worden. Am 7. Juni 1821 wurde die „Gemeinheits-Teilungs-Ordnung" erlassen, die von Staats wegen die Aufhebung der für die Landeskultur als schädlich bezeichneten Gemeinheiten, namentlich der Weide= und Forstberechtigungen und Holzungsgerechtigkeiten bezweckte. Die Ausführung dieser Verordnungen wurde der durch Kabinettsordre vom 25. September 1820 gebildeten Generalkommission zu Münster übertragen, deren Bestimmung es war, die zur Verbesserung der allgemeinen Landeskultur gegebenen Gesetze auszuführen, und deren Bereich die Provinz Westfalen und die rheinischen Provinzen umfasste. Für den unmittelbaren Verkehr mit den Parteien wurden besondere Kommissarien eingesetzt.
Ein Beispiel für eine Gemeinheitsteilung auf dieser neuen rechtlichen Grundlage, die an die Stelle des sich persönlich die letzten Entscheidungen vorbehaltenden Königs ein Organ in der Provinz setzte, ist die Teilung der „Sarras- und Gras-Ost-Wiese“. Diese beiden Wiesenflächen, die Gemeinheitsvöden waren, bestehen noch heute. Es ist das saftige Wiesenland zwischen der Bergstraße und Weusthoffs Busch einerseits, dem Sommerbad und dem Constantiner Wald anderseits. Der südliche Teil hieß Gras-Ost-Wiese, der nördliche Sarras-Wiese. Allerdings kommt der letzte Name auch als Saars-Wiese vor, in den Katasterurkarten von 1823 heißt es jedoch Sae-Ost-Wiese. Man ist sich also damals nicht mehr klar über die Bedeutung und Form des Namens gewesen. Einen Sinn kann man vorerst nur in den Namen Sae-Ost-Wiese hineinlegen, wenn man ihn mit Gras-Ost-Wiese in Verbindung bringt. Dann könnte das eine Voedeland gewesen sein, das periodisch auch als Ackerland besät wurde, während das andere Grasland blieb. Oder war abwechselnd einmal der eine Teil „Sae-Wiese“ und der andere Graswiese?
Nach einem unter den Masthoffschen Papieren vorhandenen Teilungsrezeßauszug und anderen auf die Teilung bezüglichen Schriftstücken hatten „Roetger Overkamp und Consorten“ unterm 18. Dez. 1821 auf die Teilung folgender bei Herne liegender Gemeinheiten angetragen:

Die Generalkommission in Münster beauftragte daraufhin am 15. März 1822 den Bürgermeister Schulz in Lünen mit der Durchführung der Teilung, doch ging die „Leitung des Geschäfts“ von diesem gleich nach dem ersten zu Castrop abgehaltenen Termin „zufolge Commissorii“ vom 27. Juni 1823 auf den Amtmann Müller (wahrscheinlich in Bochum) über, von dem sie „nach ungefähr 4 weiteren Terminen“ der Justizrat Schulz „vermöge allgemeiner Substitution (= Stellvertretung)" erhielt. Zunächst wurden die Interessenten zur Anmeldung ihrer Ansprüche auf den 26. Juni 1823 vorgeladen und zwar durch Bekanntmachung im Dortmunder Intelligenz=Blatt Nr. 41 und im Arnsberger Amts=Blatt Nr. 18, sowie durch den Polizeidiener Peters in Herne.
Bei der Vernehmung der Interessenten ergab sich, daß „Der Düngelbruch eine bereits geteilte Holzung sei (er war nämlich schon 50 Jahre vorher als Teil der Herner Mark aufgeteilt worden), auf welchem keine Hütungsrechte hafteten“, ferner wurde über das Sehrbruch „eine besondere Verhandlung angelegt“, d. h. dieser Fall wurde abgetrennt, die „Sarras". und Gras-Ost-Wiese blieben demnach als Hauptgegenstand übrig. Über das „Kirchsiepen", das kleine Sumpfgebiet in der ehemaligen Gabelung der Bergstraße, wurde als § 16 des Rezesses ein besonderes Abkommen getroffen, doch ist es in dem Masthoffschen Rezeßauszug nicht enthalten. Auch ist daraus nicht vollständig zu ersehen, wieviel und welche Interessenten an der Wiese Anteil hatten. Die im folgenden vorkommenden Namen dürften aber die meisten Beteiligten erwähnen. Ihre Zahl kann nicht groß gewesen sein, denn den anerkannten Hudeberechtigten wurde eine Abfindung von 1065 Rtlr. 29 Sgr. 1 Pfg. zugesprochen, woran Masthoff allein mit 212 Rtlr. 22 Sgr. 6 Pfg. beteiligt war. Er erhielt dafür ein 2 Morgen 133¼ Ruten großes Stück. Dieser Anteil grenzte „gegen Norden an den Fahrweg, gegen Osten an die 2. Pastorat (d. h. ein der 2. Pastorat zugesprochenes Stück), gegen Süden an Masthoff, gegen Westen an die Straße". Für Huderecht erhielt Mumme 37 Rtlr. 27 Sgr. ¾ Pfg., Georg Köster 28 Rtlr. 12 Sar. 9¼ Pfg., Heinrich Dux 28 Rtlr. 12 Sgr. 9¼ Pfg., Hane gt. Schlünder 28 Rtlr. 12 Sgr. 9¾ Pfg. zugesprochen. Diese Anteile hat Masthoff von ihnen (siehe weiter unten) gekauft und dafür ein weiteres Stück, 1 Morgen 66 Ruten groß, erhalten. Es „grenzt gegen Norden an Rötger Overkamp, Herm. Asbeck, zweite Pastorat und Masthoff, gegen Osten an den Wassergraben, gegen Süden an Köhlhoff, gegen Westen an der Straße". In einem Termin am 30. August 1827 wurde der von dem Teilungskommissar auf Grund der Akten angelegte Teilungsrezeß von dem zu der Verhandlung beauftragten „Commissarius substitutus", Land- und Stadtgerichtsassessor Beughem, und dem vereideten Protokollführer Reinbach „den sämtlichen erschienenen Interessenten, mit Ausnahme des zwar verabladeten, aber nicht erschienenen Heinr. Weusthoff und des Heinrich Kuenkamp langsam und deutlich vorgelesen und zur Unterschrift vorgelegt.“ Dieser Teilungsrezeß fand indes erst am 11. Jan. 1831 (d. i. nach 3 ½ Jahren!) die Bestätigung der Generalkommission.
Über den oben erwähnten Aufkauf der Anteile von Hudeberechtigten durch Masthoff existiert noch ein Kaufbrief vom 27. November 1824, nach dem Johann Heinrich Mumme, Georg Köster gt. Vedder und Heinrich Schlenkhoff gt. Dux dem Wilhelm Masthoff den ihnen bei der Teilung der Sarras-Wiese zugefallenen Anteil für 20 Rtlr. gemein Geld bei Mumme und je 13 Rtlr. bei den beiden anderen freiwillig verkaufen. Außer dieser Gesamtsumme von 46 Rtlr. musste Masthoff es übernehmen, für die 3 Verkäufer die sämtlichen auf sie entfallenen Kosten „wegen des von den Interessenten der Herner Mark geführten Prozesses über das Bredenfeld" (über diesen großen Prozess liegen uns mehrere Aktenbände vor, wir werden darauf noch zurückkommen) zu „berichtigen“, also zu übernehmen und zu bezahlen.
Mit der Genehmigung des Teilungsrezesses durch die Generalkommission war die Teilungssache indes keineswegs zu Ende. Zunächst glaubte der Bauer Overkamp sich durch das ihm zugeteilte Parzel benachteiligt, weshalb er einen Prozess begann, der für ihn verloren ging, dessen sämtliche Kosten aber die Gemeinde zu zahlen und zu tragen hatte. Weiter stritt man sich noch lange um die Kosten. Schon gleich zu Beginn hatte man dem Bürgermeister Schulz in Lünen 50 Rtlr. Kostenvorschuß zahlen müssen, die später noch gezahlten Beträge beliefen sich auf 6-700 Rtlr - bei einem Gesamtwerk des Objektes von 1065 Rtlr.! -, von einer Abrechnung über die tatsächlich gemachten Ausgaben hatten die Teilungsinteressenten aber niemals etwas zu sehen bekommen. Noch am 2. November 1852, also über 30 Jahre nach der Einleitung der Teilung, schrieb Masthoff, der mit Köster und Claas von den Teilungsinteressenten als Deputierter gewählt worden war, an den Vorsitzenden der Generalkommission in Münster, er bitte, dem damaligen Rechnungsführer Bürgermeister Schulz in Lünen den Auftrag zu erteilen, die Rechnung über Einnahme und Ausgabe bei jenem Teilungsgeschäft vorlegen zu wollen.
Wie die Sache ausgelaufen ist, darüber liegt keine Nachricht vor, doch befindet sich unter den Masthoffschen Papieren noch eine interessante Aufstellung über „meine Gebühren und Auslagen, wegen der Theilung der Ostwiese". Da heißt es:

  • 1822
    • Im Frühjahr. Wegen Anmeldung der Theilung an d. H. J. C. Voerster bezahlt an Schreibgebühren 10 Sgr
    • Octbr. 7. Einen Termin bey Jasver in Herne beigewohnt 15 Sgr.
    • ½ Tag dem Landmesser die Grenze angewiesen 5 Sgr.
  • 1823
    • Febr. 13. Einen Termin zu Mengede an Gebühren und Reisekosten 20 Sgr.
    • Mart. 16. Nach Herbede zu dem Landmesser Wiebel gewesen, denselben zur Vermessung zu bestellen 15 Sgr.
    • Mai 4. Nach Lünen zum Commissarius Schulz um Resolution 1 Rtlr.
    • “ 6. Nach Herbede einen Gang 13 Sgr.
      • Weil der Landmesser nach Altena verreiset war, von dahin einen Brief zur Post gegeben, weshalb an Postgeld bezahlt 2 Sgr. 6 Pf.
    • “ 19. Wieder nach Herbede gewesen, und von da nach Havkenscheid zum Taxator Buschmann 15 Sgr.
    • “ 23. 24. Mit den Taxatoren zwei Tage auf der Ostwiese gewesen 1 Rtlr.
    • Juny 6. 7. Zweimal nach Bochum zum p. p. Müller, wegen Annahme der Theilung gewesen, rechne 20 Sgr.
    • “ 17. Wegen Abschätzung mit den beiden Taxatoren Schulte Lemberg und Schulte von Witten gewesen 15 Sgr.
    • “ 18. Ein Termin zu Castrop 20 Sgr.
    • Aug. 9. Ein Termin zu Herne bey Rembert 15 Sgr. An den Polizeidiener Peters an Botenlohn (zur Bestellung der Interessenten zum Termin) 5 Sgr.
    • Septbr. 11. Ein Termin in Herne 15 Sgr.
    • Octbr. 8. An Polizeidiener Peters an Botenlohn (zur Bestellung zum Termin) 2 Sgr. 6 Pf.
    • “ 9. Ein Termin wegen Cronen Ort, in Herne 15 Sgr.
    • Novbr. 12. dto. 15 Sgr.
    • “ 22. Ein Termin in Bochum 20 Sgr.
    • “ 23. Einen Gang nach Herbede 15 Sgr.
    • Decbr. 21. Einen Gang nach Herbede mit einem Brief wegen Asbeck. 15 Sgr.
  • 1824
    • Jan. 8. Einen Termin in Bochum wegen Overkamp 20 Sgr.
    • “ 18. Einen Termin wegen den Heisterkamp und Overkamp 20 Sgr.
    • Febr. 2. Einen Termin wegen Berkhoff, Schotte und Heisterkamp 20 Sgr.
    • Mai 2. Einen Termin in Bochum 20 Sgr.
    • “ 9. dto. dto. 20 Sgr.
    • “ 21. dto. bey Jasper in Herne, 15 Sgr.
    • Jun. 14. Einen Gang nach Bochum wegen der Vorwarden der verkauften Kotten (?) 15 Sar.
    • Jul. 3. Einen Termin wegen der verk. Kotten und Overkamp 15 Sgr.
    • “ 9. Einen Termin wegen Overkamp, zu Bochum 20 Sgr.
    • “ 10. Einen Termin in Herne 15 Sgr.
    • Octbr. 17. Einen Termin in Bochum 20 Sgr.
        • Summa 17 Rtlr. 15 Sgr.
  • 1828 ex post
    • Feb. 21. Einen Termin in Bochum wegen Overkamp 20 Sgr.

Aus dieser Aufstellung ersieht man, welch ein Unmaß von Arbeit und Opfern ein Bauer auf sich nahm, der sich von seinen Mitinteressenten zum Wortführer (Deputierten) wählen ließ. Wieviel Stunden und Tage mussten da der gemeinsamen Sache geopfert, wieviel Termine wahrgenommen, wieviel weite Reisen zu Fuß unternommen werden. Der gute Masthoff ist nach der Aufstellung nicht weniger als 5mal nach Herbede, einmal nach Lünen, einmal nach Mengede, einmal nach Castrop und mindestens 9 mal nach Bochum gelaufen. Die Rechnung, die er für diese Reisen und Zeitopfer aufgemacht hat, ist sicherlich bescheiden zu nennen. Am 23. 11. 1831 hat er nun seine Liquidation an die Generalkommission geschickt unter Berufung auf die vielen Gebührenvorschüsse, die eingezahlt worden waren. Aus dem so nach seiner Meinung entstandenen Fonds wollte er seine Unkosten ersetzt haben, aber die Generalkommission antwortete am 13. Dezember 1831, dass „in dieser Theilungssache keineswegs ein baarer Fonds hier vorhanden, und die weitere Verfügung auf Ihre Deputirten-Kosten-Liquidation um so mehr bis zur gänzlichen Abwicklung des Kostenpunkts- ausgesetzt bleiben muß". Indes kam, wie wir oben sahen, selbst bis zum Jahre 1852 die „gänzliche Abwickelung des Kostenpunkts“ nicht zustande. Ob Masthoff jemals sein Geld bekommen hat, wer weiß?

Dr. L. Reiners.



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Quellen