Die Lügen der Flottmann-Erbin bei der Entnazifizierung (WAZ 15.11.2014)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Anna-Luise Flottmann übernahm die Flottmann-Werke im Jahr 1944. Nach dem Zweiten Weltkrieg stuften die Kontrollbehörden die Frau als „unbelastet“ ein. Ein Mitglied der NSDAP, so hatte sie ausgesagt, war sie nie. Das war eine Lüge, wie sich bald herausstellen sollte.

Stadtteilreport WAZ 2014

Herne.

Anna-Luise Flottmann ist die zweite Ehefrau von Otto Heinrich Flottmann. Nach seinem Tod im Februar 1944 übernimmt sie die Geschäftsführung des Unternehmens, das nach Kriegsende auf der Demontageliste der Alliierten steht. Das Werk soll abgebaut und nach England verfrachtet werden. Zusammen mit bewährten Mitarbeitern gelingt es ihr, die Demontagegefahr abzuwehren und den begehrten „Permit“, den Erlaubnisschein der Militärregierung zur Wiederaufnahme der Fabrikation, zu bekommen.

Zu einem Drama aus Schuld und Lüge sollte sich ihre Entnazifizierung entwickeln. In ihrem Fragebogen beantwortet Anna-Luise Flottmann im Dezember 1945 alle entscheidenden Fragen – wie „Waren Sie Mitglied der NSDAP?“ − mit „Nein“. Außerdem führt sie aus, dass nur ihr verstorbener Mann ein überzeugter Nazi gewesen sei. Ihm zu Liebe habe sie an Parteiveranstaltungen teilgenommen. Mit dem Gedankengut der Nazis habe sie nichts zu tun gehabt. Im Gegenteil: Wegen Differenzen mit der Partei habe man ihr mit dem „K.Z.“ gedroht. Tenor ihrer Ausführungen also: Heinrich Flottmann, verstorben, Nazi. Sie quasi Widerstandkämpferin.

Für den Entnazifizierungsausschuss stehen diese Aussagen im Widerspruch zu den Anschuldigungen, die in einem anonymen Brief erhoben werden: „Wir Arbeiter von Flottmann müssen darüber staunen, wie hier auf dem Werk alles im alten Nazigeist weiter geht. Sie tarnen sich alle wunderbar. Aber seid ihr nicht so dumm und lasst euch belügen. Besonders diese alte Nazitante Frau Baurat Flottmann konnte niemals groß genug tun, wenn sie im Gefolge der Nazibonzen hereinmarschiert kam.“ Als „unbelastet“ eingestuft

Im November 1946 wird Anna-Luise Flottmann durch den Herner Grundausschuss als „unbelastet“ entnazifiziert. Sie habe sich „weder propagandistisch betätigt“ noch sei sie „Mitglied der NSDAP“ gewesen, lautet die Urteilsbegründung.

Währenddessen werten die Alliierten im fernen Berlin die NSDAP-Mitgliedskarteien aus. Am 12. Oktober 1947 erhält das Wirtschaftskontrollbüro von dort brisante Kopien: die persönlich unterschriebene „Aufnahme-Erklärung“ von Anna-Luise Flottmann in die NSDAP vom 11. Januar 1931.

Mit diesem Dokument bricht die selbst gestrickte Legende der Geschäftsführerin der Flottmann-Werke zusammen. Schon weit vor der Machtübernahme war sie also Mitglied der NSDAP gewesen. Bevor es wegen der Falschaussage zu einer erneuten Anhörung kommt, stirbt Anna-Luise Flottmann am 25. Oktober 1947 in Folge eines Schlaganfalls.

Ralf Piorr [1] [2]

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Quellen