Die Enthüllung des Kaiser Wilhelm=Denkmals in Herne

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Über "Die Enthüllung des Kaiser Wilhelm=Denkmals in Herne" berichtete der Dortmunder General=Anzeiger am Montag, dem 28. September 1903 auf ihrer Titelseite des zweiten Teils.[1]

Die Enthüllung des Kaiser Wilhelm=Denkmals in Herne.

Herne, 27. Sept.

In einem solch festlichen Gewande prangte unsere Stadt bis jetzt noch nicht. Ja, herrlicher konnte sich Herne nicht schmücken, wenn der Kaiser selbst in eigener Person gekommen wäre, um unserer jungen, aber blühende Industriestadt einen Besuch abzustatten. Da war kein Haus zu sehen, welches nicht geziert gewesen wäre durch Flaggen= oder Guirlandenschmuck. Die Bahnhofstraße bot mit ihren tausenden von Fähnlein und Flaggen einen malerischen, hochinteressanten Anblick und die Oststraße mit dem Denkmalsplatze glich einer wahren via triumphalis. Recht geschmackvolle Dekorationen zeigten die Schaufenster der Geschäftsleute, die unter einander gewetteifert hatten, das Schönste zu erreichen. Der Andrang des Publikums machte sich schon in den ersten Nachmittagsstunden bemerkbar. Um drei Uhr mussten bereits alle Zugänge z. Standorte des Denkmals gesperrt werden und eine halbe Stunde später war nirgends mehr durchzukommen.
Um diese Zeit setzte sich vom Altmarkt aus der Festzug in Bewegung. Es beteiligten sich daran 40 Vereine, die mit ihren zahlreichen Fahnen und Emblemen ein imposantes Bild boten. Fünf Kapellen, davon drei Militärkapellen, lieferten die Marschmusik. Gegen vier Uhr langte der Zug am Denkmal an, das umsäumt war von einem Kranz des schönsten Häuser= und Straßenschmuckes, wozu duftende Flor der auf den Balkonen und in den Fenstern weilenden Damenwelt ein interessantes Pendant lieferte. Selten dürften unsere Photographen ein solch fesselndes Bild auf die Platte gefesselt haben.
Punkt 4 Uhr 15 Minuten kündete ein als Vorreiter dienender Gensdarm die Ankunft des Oberpräsidenten an. Se. Excellenz war am Bahnhof von dem Herrn Ersten Bürgermeister Schäfer und Stadtverordnetenvorsteher Dieckmann empfangen worden, die mit ihrem Gaste eine Equipage bestiegen und ihn zum Festplatze geleiteten. Es schlossen sich an der inzwischen eingetroffene Regierungspräsident Frhr. Coels van der Brügghen und Herr Landrat Gerstein, die in einem zweiten Wagen folgten. Die Herren hatten ersichtlichen Gefallen an den kleinen Buben und Mädchen, die in der Oststraße mit ihren Lehrern und Lehrerinnen zu beiden Seiten Aufstellung genommen hatten; die Mädchen trugen auf dem Haupte einen Blumenkranz, die Jungen aber schwenkten die schwarz=weiß=rote Fahne.
Vor dem Denkmal wurden dem Oberpräsidenten zunächst die Mitglieder des Festkomitees und des Magistrats vorgestellt, sodann begrüßte Frhr von der Recke die zahlreich erschienenen Offiziere und begab sich nunmehr auf die dem Denkmal gegenüberliegende Tribüne, wo auch die Stadtverordneten Platz genommen hatten. Die Feldartilleriekapelle der 22 er ließ sodann den Choral „Lobe den Herrn“ ertönen. Gleich darauf traten die vereinigten Gesangvereine zusammen und sangen unter Leitung des Hauptlehrers Schemm das altniederländische Volkslied: Wir treten zum Beten vor Gott den Gerechten“ Mächtig dröhnten die gewaltigen Männerstimmen über den weiten Festraum. Dann hielt Herr Erster Bürgermeister Schäfer folgende
Weiherede:
Ew. Excellenz, hochverehrte Festversammlung!
Als vor 15 Jahre der alte Heldenkaiser die treuen Augen für immer geschlossen hatte, da durchzuckte herber Schmerz jede deutsche Brust. Er war dahingegangen, der uns die deutsche Einheit gebracht, er, der ritterliche König, der erste Kaiser aus dem Hohenzollerngeschlecht. Ein ganzes großes Volk trauerte an seiner Bahre - und die trübe Frage erscholl: Sollen denn wir nie wiedersehen dürfen die ehrfurchtgebietende und uns allen doch so vertraute Erscheinung des entschlafenen Kaisers? Sollen kommende Geschlechter nicht wenigstens die äußere Erscheinung des Kaisers festhalten dürfen? Aus diesen Fragen heraus brach sich in Herne der Wille Bahn, ein Denkmal zu errichten, welches den alten treuen Heldenkaiser in seiner schlichten Einfachheit und Hoheit zur Darstellung bringen soll. Der Wunsch wurde ein allgemeiner, es bildete sich zur Unterstützung und Förderung der Angelegenheit ein Denkmalsverein, alle Bewohner, welch Standes sie auch sein mochten, trugen bei zur Erreichung des Zieles; namentlich auch flossen uns aus Arbeiterkreisen regelmäßige, langandauernde und erhebliche Beiträge zu, so daß alle diese edlen Zuwendungen die Vereinskasse füllten. Aber es war doch ein schweres Unternehmen für eine damals nur 11.000 Seelen zählende Landgemeinde, ein ehrendes Reiterdenkmal des Kaisers zu errichten. Und so hat es denn naturgemäß lange Zeit gebraucht, bis man an die Erfüllung des Planes herantreten durfte. Herne ist inzwischen Stadt geworden und zählt nun 29 000 Seelen. Nun endlich war die Zeit gekommen, man schrieb einen Wettbewerb aus und der Bildhauer Aloys Meyer aus München blieb Sieger. In Verbindung mit dem Erzgießer Clement in München entstand dieses Denkmal und nun sind wir heute in feierlicher Stunde bei echtem Hohenzollernwetter hier versammelt, um unter Leitung der höchsten Beamten unserer Provinz, an der Spitze der Herr Oberpräsident, dieses Reiterstandbild Kaiser Wilhelms des Großen zu enthüllen. Wir knüpfen an dieses Denkmal die Hoffnung wie die Erwartung, daß nie vergessen werden soll der Dank, den wir dem entschlafenen Heldenkaiser schulden und wir hoffen und erwarten, daß die jetzige Generation von Herne und die kommenden Geschlechter stets eingedenk sein mögen: Nur im engen Anschluß an Kaiser und Reich kann das Vaterland gedeihen. Auch dieses Denkmal, wie alles irdische, wird vergehen. Und wenn einst nach Jahrhunderten die letzte Tonne Kohle aus unsern Gruben zu Tage gefördert worden ist, und wenn einst dieses Denkmal zerfällt, dann sollen die Trümmer und die Urkunden in dem Grundstein die Nachwelt lehren, daß einst hier gelebt hat ein arbeitsames Geschlecht, regiert von weisen, klugen Königen, welche die geborenen Führer ihres Volkes waren.
Und so bitte ich Ew. Excellenz, namens der Stadt und namens des Denkmalsausschusses und Denkmalsvereins, zu befehlen, daß die Hülle fallen möge.
(Der Herr Oberpräsident gab das Zeichen und die Hülle fiel und unter dem brausenden Jubel der Umstehenden zeigte sich der alte Kaiser, hoch zu Roß, das Antlitz leicht nach Westen gewendet.) Im Hinblick auf dieses eherne Standbild unseres entschlafenen Heldenkaisers geloben wir unserm jetzigen Kaiser und Herrn allezeit Treue und Gehorsam, wir wollen das Gelöbnis zusammenfassen in dem Ruf: Se. Majestät, unser Kaiser und König, er lebe hoch, hoch, hoch
Die brausenden Hochrufe wurden begleitet von dem Donner der Artilleriegeschütze, die den Salut schossen und das „Heil dir im Siegerkranz“ pflanzte sich fort bis zu den entlegensten Straßen der Stadt. Nunmehr stimmten die Sänger das Rebbert'sche „Heil Kaiser und Reich“ an, womit die eigentliche Weihe schloss. Die Ehrengäste unternahmen zunächst einen Rundgang um das Standbild, alsdann zogen unter den Klängen der drei Militärkapellen die Schulkinder an dem Denkmal vorüber - ein selten schönes Schauspiel Der Herr Oberpräsident und alle andern übrigen Ehrengäste hatten ihre helle Freude an den glücklichen Mienen der kleinen Patrioten. Es schloss sich sodann an der Vorbeimarsch der Vereine, die fast sämtlich einen Kranz mit Schleife an dem Fuße des Denkmal niederlegten. Erst gegen 5 Uhr konnte der Platz dem Publikum freigegeben werden. Und nun hätte man einen Andrang sehn sollen. Dis zum Anbruch der Dunkelheit war das Denkmal von dichten Volksmassen belagert und es herrschte nur eine Stimme, dass Herr Bildhauer Meyer in dem Reiterstandbild Kaiser Wilhelms 1. in Herne gang Hervorragendes geschaffen habe. Der Herr Oberpräsident hatte dies übrigens selbst öffentlich dokumentiert durch seine Anerkennung, die er dem an-wesenden Künstler aussprach.
Festmahl.
An die Einweihungsfeier schloss sich ein Festessen im Hotel Schlenkhoff an: die Beteiligung aus allen Ständen von Herne und Umgegend war sehr stark, dass der große Saal bis auf den letzten Platz gefüllt war.
Der Oberpräsident unserer Provinz, Exzellenz v. der Recke eröffnete die Reihe der Toaste mit dem Kaiserhoch und führte etwa aus: „Wenn es vergönnt war, ins Auge des großen Kaisers zu blicken, während des Krieges wie es traurig wegen der großen Verluste, aber auch fröhlich wegen der großen Errungenschaften glänzte, dem ist das schöne neue Denkmal eine neue Mahnung das lequame beati prossi dentes zurück zu versetzen und rastlos weiter zu streben. Deutschland muss nicht nur reiten können, es muss auch gut reiten können. Dazu bedarf es einer kräftigen Hand. Wer könnte uns besser führen als unser treuer Kaiser Wilhelm II. Deshalb bitte ich Sie mit mir einzustimmen in den Ruf: Se. Majestät lebe hoch!“ Hierauf überreichte Se. Exzellenz folgende Ordensauszeichnungen: Herrn 1. Bürgermeister Schäfer den Kronenorden 3. Klasse mit der Schleife, Herrn Stadtrat Papentin den Kronenorden 4. Klasse und Herrn Maschinist Wilms, das Allgemeine Ehrenzeichen.
Herr Erster Bürgermeister Schäfer toastete auf die Ehrengäste. Redner meinte, es sei eine missliche Sache, in unsere rauchgeschrängerte Industriegegend Gäste zu laden. Umso mehr freue es ihr, dass sie so zahlreich erschienen seien, und er sage dafür herzlichen Dank. Herne erfreue sich sichtlich des Wohlwollens der hohen Behörden. Dass auch die Offiziere der gerade hier einquartierten Truppen vertreten seien, lasse in ihm den Wunsch rege werden, dass bald dauernd ein Bezirksoffizier hierher detachiert werde.
Herr Regierungspräsident Coels von der Brüggen stattete hierauf den Dank der Ehrengäste ab. In geistvoller Weise führte er alsdann aus, Herne führe eine Eiche im Wappen. Wenn nun die Stadt auch nicht langsam gewachsen sei wie dieser Baum, so sei doch ihr Kern auch fest und hart und dauerhaft, und wie die Eiche, so würde sie auch schweren Stürmen siegreich widerstehen. Sein Glas weihte er der aufblühenden jungen Stadt Herne und ihrem 1. Bürgermeister
Herr Rechtanwalt Dieckmann feierte hierauf die anwesenden künstlerischen Schöpfer des Denkmals und erwähnte hierbei, Exzellenz Adolf Menzel habe das Denkmal kürzlich in München gesehen und seine hohe Anerkennung darüber ausgesprochen.
Im Gegensatz zu Herrn Ersten Bürgermeister Schäfer feierte Herr Landwirt Gerstein alsdann die schöne Industriestadt Herne mit ihrem schönen Damenflor, der so zahlreich sei, dass hier kein Husarenregiment, sondern eine ganze Kavalleriedivision her müsse.
Hiermit war die Reihe der offiziellen Reden geschlossen. Ein Teil der auswärtigen Ehrengäste musste gegen 8 Uhr abreisen, die übrigen Teilnehmer blieben noch lange in schönster Harmonie zusammen.

Siehe auch

Einzelnachweise