Das südliche Herne von einst (Reiners 1935) II
Am 8. Juli 1935 wurde im Herner Anzeiger ein Artikel von Leo Reiners über das südliche Herne - Teil II - veröffentlicht. [1]
Das südliche Herne von einst
Die Siedlungen „im Wietel“- Ein Gang durch die Vödestraße-—„Am Handweiser“-— Die Bergstraße vor über 50 Jahren.
II. (zum 1. Teil)
„Im Wietel“
Von Kuenkamp bachaufwärts, wo heute die Eigenheim=Siedlung „Im Winkel“ steht— in ihrem Bereich ist der Bach jetzt unterirdisch verlegt — führt noch heute ein alter Weg parallel zum Bachbett auf den mittleren Teil der Vödestraße zu. An diesem Wege liegen einige alte Häuschen, die mit der Geschichte Hernes länger verknüpft sind, als mancher glauben mag. Das erste Häuschen, das in der Karte schwarz angelegt ist, ist nicht mehr vorhanden. Es hat neben dem jetzigen ersten gestanden und ist zwischen 1870 und 1886 verschwunden. Es gehörte 1823 dem Leineweber Georg Wietelmann (geb. 1753, gest. 1825, verh. mit Cath. Gerdrut Knap). Das daneben erbaute Häuschen (jetzt das erste) ist wohl der Ersatz für das verschwundene und stand bereits im Jahre 1870 da. Eigentümer war der Bergmann Heinrich Georg Wilh. Wietelmann (der Enkel des 1825 verstorbenen Leinewebers Georg Wietelmann), 1907 ging es in den Besitz des Drehers Georg Hrch. Wilh. Wietelmann über.— Nach 1870 entstand dann das in die Karte nicht mehr ausgenommene Nachbar-Fachwerkhaus an der Wegebiegung, das dem Bergmann Wilh. Frie gehörte und jetzt dem Landwirt Friedrich Frie zu eigen ist.
Ist man um die Wegebiegung herum, so trifft man zur Linken auf das in Grün gebettete alte Stemmermannsche Häuschen. Es ist nicht das von 1823, sondern ein „Neubau“ aus der Zeit zwischen 1870 und 1886. Im Jahre 1895 stand der Bergmann Diedr. Wilh. Abendroth als Eigentümer eingetragen, 1919 seine Witwe Friederike geb. Wietelmann mit ihren Kindern, seit 1921 ist Eigentümer der Fuhrmann Friedrich Abendroth. Die Familie Stemmermann, die schon 1684 in den Herner Kirchenbüchern erwähnt ist, war um 1823 in Herne mit zwei Linien vertreten, von denen die ältere an der Mont=Cenis=Straße (das war wohl der Stammsitz), die andere hier wohnte. Diese führte zur Unterscheidung davon die Bezeichnung „Stemmermann im Wiedel“. Der 1823 erwähnte Schuhmacher Georg Stemmermann (er dürfte wohl Erbpächter gewesen sein, denn Grundeigentümer war Köster in Herne) war 1770 geboren und starb 1839. Er war verheiratet mit Anna Maria Elis. Coelhoff (gest. 1840). Die Tochter Cath. Gerdrut (geb. 1799) heiratete 1832 Joh. Friedr. Abendroth, während der älteste Sohn Georg Henrich, der mit Cath. Marg. Langhoff von Langendreer verehelicht war, das Besitztum übernahm. Hernach ist es an Abendroths gekommen, die heute noch darauf wohnen.
Geht man weiter, so liegt etwas zurück jetzt der Neubau von Abendroth anstelle des 1932 durch Brandstiftung (bis auf das erhalten gebliebene Backhaus) zerstörten alten Hauses, das noch dasselbe war, das schon 1823 dort stand. Bei der Kartenaufnahme 1823 gehörte es dem Leineweber Heinrich Wietelmann. Diese Wietelmanns waren wohl die ältesten Ansiedler in der ihren Namen begründenden Flur „im Wietel“ (= Widelo, Weidengehölz; unsere Karte zeigt noch die ursprüngliche Ausdehnung des Gehölzes, von dem jetzt nur noch der östliche Teil vorhanden ist. Auch sind es heute keine Weiden mehr). Die Wietelmanns sind schon 1664 in der Feuerstättenliste erwähnt. Der Grund gehörte Klüsener in den Altenhöfen. Der „Pfächtiger Jorgen Wytelman“, so heißt es in der Feuerstättenliste, „ist ein Kotter, (hat) zwei Feuerstetten, deren eine seine Tochter bewohnet". Von dieser Familie Wietelmann dürfte der Wietelmann, dessen Häuschen wir oben bereits erwähnten, ein späterer Zweig sein, der zum Unterschied von diesem „Wietelmann in den Alten Höfen“ „Wietelmann auf der Riemker Voede“ hieß. Der 1823 genannte Leineweber Heinrich Wietelmann (geb. 1763, gest. 1834) war seit 1787 mit Anna Maria Gerdrut Drevermann aus Hiltrop verheiratet. Das 4. Kind, Georg Heinrich (geb. 1797) übernahm später das Besitztum. Er war verheiratet mit Anna Maria Partmann (auch seine älteste Schwester hatte einen Partmann aus Hiltrop). Aus ihrer Ehe entsprossen 9 Kinder, der älteste war Heinrich Wilhelm. Später heiratete eine Lisette Wietelmann den Maschinenwärter Hrch. Wilh. Wessel Sonntag. Deren Tochter Emma Sonntag vermählte sich mit dem Dreher Emil Abendroth aus dem Nachbarhause, wodurch das Besitztum auf diesen überging. Schon 1664 waren 2 Feuerstätten erwähnt. Noch heute gehört ein zweites Wohnhaus, nordwestlich neben dem jetzigen gelegen, zu dem Besitztum. Gegenwärtig wohnt darin der Wiegemeister Emil Rabe.
Der Weg, der an den hier beschriebenen Häuschen vorbeiführt und auf die Vödestraße mündet, bildet mit dieser und der Flottmannstraße ein Dreieck. Dies ist der Grund für die seltsame Flurbezeichnung „Auf dem Dreck“, die nichts anderes ist als die abgeschliffene Bezeichnung „Auf dem Dreieck".
Die Vödestraße
Am Abhang des Höhenzuges, der im Süden Hernes die Grenzscheide gegen Bergen und Riemke bildet, zieht sich seit altersher die Vödestraße in ostwestlicher Richtung hin, die ihren Namen von der ihr vorgelagerten ehemaligen Gemeinheitsweide, der Riemker Voede, hat. Im Osten sandte sie einen (noch heute vorhandenen, aber nicht straßenmäßig ausgebauten) Abzweig zu dem von Altenhöfen kommenden Wege nach Bergen, der früher etwas östlich der jetzigen Zechenbahnkreuzung noch eine Verbindung von der Wiescherstraße aufnahm. Später ist der Weg nach Bergen etwas nach Westen verlegt und so in Verlängerung der Bergstraße begradigt worden. Heute heißt auch dieses Stück Vödestraße (auf Bergener Gebiet Schultenstraße, weil es zum Hof Schulte=Berge führt). Auf der Karte sieht man auch, dass zwischen Vödestraße und der Gemeindegrenze lauter Wald war, heute ist nur von dem westlichen Teil ein Rest auf dem Bergabhang erhalten.
Zur Zeit der Kartenaufnahme im Jahre 1823 hat es auf der Vödestraße nur vier Ansiedlungen gegeben, nämlich Düppe auf der Riemker Voede oder Han. Voß „am Handweiser“, Coelhoff (Köhlhoff) am Handweiser“ und eine weitere Familie Coel= hoff. Voß war die heutige Wirtschaft Schneider an der Ecke der Flottmann= und Vödestraße, Köhlhoff am Handweiser“ lag gegenüber an der anderen Seite der Flottmannstraße, so dass wir aus diesen Namensbeifügungen erfahren, dass hier einmal ein Handweiser gestanden hat, der anzeigte, wohin die Wege (auch die Flottmannstraße ging schon damals als Fußweg in Richtung der heutigen Zillertalstraße weiter) führten. Indes erinnern sich selbst die ältesten Anwohner nicht mehr, einen solchen Wegweiser hier gesehen zu haben.
Bei der Behandlung der Vödestraße gehen wir am besten von der Flottmannstraße aus. Dabei ist jedoch noch einiger Bauten kurz vor Voß zu gedenken. Auf der östlichen Seite der Flottmannstraße steht dicht am Übergang des Zechengleises ein kurz nach 1870 entstandenes Häuschen, das der Bauer Schulte zu Bergen errichten ließ und 1921 von der Gewerkschaft Constantin der Große erworben wurde. Auf der anderen (nördlichen) Seite des Bahngeleises stand ein aus drei nebeneinanderliegenden Wohnungen, bestehendes Wohnhaus, das von Schulte=Ümmingen zu Bergen (auf Grüters Hof) kurz nach 1870 errichtet worden war. Es ist 1897 durch Brand zerstört und nicht wieder aufgebaut worden, so dass man heute überhaupt nicht mehr sieht, dass hier einmal ein Haus stand.
Voß am Handweiser ist, wie bereits bemerkt, die heutige Wirtschaft Schneider. Bei der Kartenaufnahme 1823 stand hier ein kleines Wohnhaus, dessen Eigentümer der Leineweber Johann Henrich Vos war (geb. 1765, gest. 1825). Aus dessen Ehe mit Anna Christine Voskühler waren 4 Kinder entsprossen, von denen das älteste, der Sohn Johann Henrich, im Jahre 1810 im Alter von 22 Jahren im Spital Liste d'aix (offenbar als napoleonischer Soldat) in Frankreich an den Folgen der „Dyssenterie"(Ruhr) gestorben ist. Das Besitztum übernahm der zweitgeborene Sohn Heinrich Wilhelm, der mit der Nachbarstochter Anna Elis. Coelhoff am Handweiser verheiratet war. In den achtziger Jahren ist anstelle des Voßschen Häuschens die jetzige Wirtschaft gebaut und später durch Um= und Anbauten erweitert worden. 1895 gehörte sie dem Wirt Wilh. Eickmann, 1897 übernahm sie der Wirt Dietr. Spieckermann, 1929 dessen Schwiegersohn Fritz Brasse und seit 1934 gehört sie den Eheleuten Herm. Schneider und Elis. geb. Scheidemantel.
Geht man nun die Vödestraße nach Westen hinauf — sie steigt nämlich an, um dann zur Zeche Constantin 8/9 hin erheblich abzufallen—. so bietet sich ein sehr malerisches Bild alter Fachwerkhäuser in blauem, braunem, rotem oder gelblichem Anstrich mit Lehm= oder Backsteinfachwerk. Zuerst trifft man schräg gegenüber „Voß“ auf ein kleines blaugestrichenes Fachwerkhäuschen, das zwischen 1823 und 1870 von Schulte=Berge errichtet wurde. Dann folgt (wir überschlagen die älteren und neueren Häuser, die noch keine 50 Jahre alt sind) das Haus Nr. 139, das von Schulte=Ümmingen gt. Grüter gebaut wurde. 1920 erbte es Wilhelm Schulte-Ümmingen, 1922 Landwirt Heinrich Grüter in Schirpenbruch, 1927 Ehefrau Karl Simon, Franziska geb. Grüter, in Ohligs. Auf derselben Seite folgt danach ein Häuschen oben am Bergabhang (Nr. 153a). Es ist nicht das noch ältere Fachwerkhaus ganz oben, sondern das quer dazu gestellte, das später durch einen Backsteinbau erweitert wurde. Das obere alte Häuschen gehört nämlich gar nicht nach Herne, sondern nach Bochum=Riemke. Die Grenze ist immer hier über den Hofraum hindurchgegangen. Das auf der Herner Seite stehende Haus gehörte 1895 dem Bergmann Friedrich Voß, seit 1902 ist Eigentümer der Bergmann Heinrich Voß.
Gegenüber diesem Haus am Abhang steht auf der anderen Seite der Vödestraße das alte, aber gut gepflegte und gelblich gestrichene Fachwerkhaus von Düppe. Der Besitzer vom 1823, Johann Diedrich Düppe, kam von Marmeshagen im Kirchspiel Bochum und war seit 1784 (damals dürfte er sich hier angesiedelt haben) mit Anna Marg. Coelhoff verheiratet. Drei Kinder starben 1794 in wenigen Tagen an der Ruhrseuche dahin. Die 1796 geborene Tochter Cath. Margarete heiratete 1817 den Henrich Wilh. Düppe aus Baukau. Sie hatten nicht weniger als 10 Kinder. Im Jahre 1895 finden wir die Eheleute Steiger Heinrich Köster als Eigentümer eingetragen, seit 1905 den Bäckermeister Heinrich Köster jr. Das zum Hause gehörige alte Backhaus ist 1897 abgebrochen und durch einen Neubau (Backhaus mit Wohnung) ersetzt worden.
Kehren wir auf die andere Straßenseite zurück, so stoßen wir auf der Höhe, wo sich die Vödestraße nach Bochum hinuntersenkt, auf das zweistöckige, durch ein hohes Sockelgeschoß mit Treppenvorbau noch erhöhte Backstein=Fachwerkhaus Nr. 167, das 1895 dem Bergmann Heinrich Voß, ab 1904 seiner Witwe Wilhelmine geb. Müller mit 2 Kindern gehörte und seit 1913 im Besitz des Bergmanns Friedrich Voß ist.
Geht man jetzt den absteigenden Teil der Vödestraße hinab, so liegt rechts das kleine einstöckige Fachwerkhaus Nr. 160, das 1895 dem Steiger August Stolte, 1912 seiner Witwe mit den Kindern gehörte und 1920 von Flottmann erworben wurde.
Zu erwähnen ist nun noch ein Häuschen an der Gemeindegrenze, das auch in der Zeit von 1823 bis 1870 entstand und 1895 den Eheleuten Bergmann Friedrich Braun gehörte. 1897 war als Eigentümer der Kaufmann Waldemar Rochol, 1905 die Witwe Ernestine geb. Balz, 1908 Geschwister Rochol, 1922 Maurer Joseph Wach eingetragen. Seit 1930 gehört es der Witwe Wach. Dieses Häuschen ist insofern noch interessant, als es früher links von der Straße lag, während es heute rechts liegt. Die Straße hat früher nämlich hinter ihm hergeführt und ist, wie die Karte zeigt, später umgelegt worden. Die südliche Straßenseite ist hier heute Bochumer Gebiet.
Wandern wir nunmehr zurück und verfolgen vom „Handweiser“ aus den östlichen Abschnitt der Vödestr., so haben wir gleich links „Coelhoff am Handweiser". Das Häuschen ist noch in der Form von 1823 vorhanden. Grundbesitzer war Schulte zu Bergen. Der damalige Bewohner, der Leineweber Diederich Coelhoff— sein Vater Heinrich Georg, geb. 1762, seit 1785 verheiratet mit Gerdrut Steinhoff aus Marmelshagen, war 1819 gestorben— war Erbpächter. Diederich war seit 1815 vermählt mit Maria Cath. Gartmann aus Hiltrop. Von den 6 Kindern übernahm später Georg Friedrich Wilhelm das Anwesen. 1895 gehörte es dem Bergmann Friedrich Fuchs und seiner Ehefrau Friederike geb. Köhlhoff, danach den Erben.“
Das nächste alte Haus ist jetzt neu und modern, es ist das im zweiten rechten Winkel der hier eine Z-Kurve bildenden Vödestraße rechts gelegene Haus Nr. 103. Es ist in der Zeit von 1823—70 entstanden und gehörte 1895 dem Bergmann Caspar Heinrich Lotte. 1899 übernahm es sein Schwiegersohn, der Bergmann August Niggemann, 1924 der Dreher Otto Niggemann. Dieser hat es 1934 so umbauen und aufstocken lassen, dass es wie ein völlig moderner Neubau aussieht.
Auf der linken (nördlichen) Seite der Vödestraße stoßen wir jetzt auf ein aus drei Wohnungen bestehendes einstöckiges Fachwerkhaus (Nr. 90), das in kleinerer Form schon in der Zeit von 1823—70 entstand, nach 1870 aber erst seine jetzige Form erhielt. Es gehört Schulte zu Bergen.
Einige Schritte weiter liegt daneben das alte Fachwerkhaus von Möller. Es ist noch in derselben Gestalt vorhanden wie vor 1870, nur nach Westen ist ein Stück angebaut. 1895 gehörte es dem Bäcker Diedrich Möller. Daneben ist in relativ junger Zeit die Wirtschaft Möller entstanden.
Wenden wir uns jetzt wieder der südlichen Straßenseite zu, so fangen wir am besten an der Ecke bei dem modernisierten Haus von Niggemann an. Daneben liegt das einstöckige Backsteinhäuschen Nr. 101 von Hohmann, das erst nach 1870 entstand. gehört dem Bergmann Christian Hohmann und seiner Ehefrau Karoline, geb. Kerksiek.
Das Häuschen, das dann kommt (Nr. 97), aus Backstein gebaut und verputzt, entstand auch erst nach 1870 und gehörte den Eheleuten Bergmann Friedrich Abendroth. Heute ist Eigentümer der Invalide Heinrich Brüning.
Gegenüber der ursprünglichen Form verändert ist das ebenfalls erst nach 1870 erbaute, mit einem hinteren Anbau versehene einstöckige Nachbarhaus Nr. 93, in dem sich jetzt ein Kolonialwarengeschäft befindet. Es gehörte 1895 dem Bergmann Friedrich Bartmann, heute ist es dem Kesselschied Alfred Klein zu eigen.
Nun kommen wir zu jenem Köhlhoff, der hier schon 1823 wohnte. Das Fachwerkhäuschen liegt gegenüber der Einmündung des von Wietelmann, Stemmermann usw. herkommenden Weges in die Vödestraße. Es ist nicht mehr das von 1823, sondern nach 1870 durch ein anderes ersetzt worden. Der Bewohner von 1823 (Besitzer war er nicht) war der Tagelöhner Heinrich Georg Köhlhoff. 1895 war Eigentümer der Bergmann Wilh. Romberg. gt. Lotte, seit 1902 der Bergmann August Lotte. Jetzt ist Eigentümerin die Witwe Luise Lotte.
Den Abschluß der Häuschen auf dieser Seite der Vödestraße bildet das Fachwerkhäuschen Nr. 75, das 1895 dem Landwirt und Gerichtstaxator Friedrich Cremer, zu eigen war und der Witwe und den Miterben gehört.
Überblickt man noch einmal diese Partie der Vödestraße, die teils von Landarbeiterwohnungen der Berger Bauern, teils von den ersten Bergleuten ihre Prägung erhielt, so sieht man, dass man hier in einer abgelegenen kleinen Nachbarschaftswelt für sich lebt. Fachwerkcharakter und Kleinform der Häuschen, alte Hecken und die so beliebten Kastanienbäume vor den alten Häusern geben dem ganzen das Bild des Alten, das an manche Dorfstraße außerhalb der Industriewelt erinnert.
Die Bergstraße
Die heutige Bergstraße, von der man wohl annehmen kann, dass sie ihren Namen eher daher hat, dass sie nach Bergen, als daher, dass sie im Süden den Berg hinauf (nach Bergen) führt, hat, von Klüseners Hof in Altenhöfen ab im Jahre 1823 keine weiteren Siedlungen mehr aufzuweisen gehabt. Bis 1870 sind auch nur die Häuschen Bergstraße 33, 35 und 65 entstanden. Von 1870 bis 1886 kamen dann noch etwa ein Dutzend Häuschen hinzu. Sie stehen aber alle noch und man sieht ihnen ihr Alter von über 50 Jahren wohl an. Nicht zuletzt erkennt man viele von ihnen an den für die alten Häuschen typischen Kastanien, die vor ihnen stehen. Sie sind, wie auch eine Reihe Häuser auf der Vödestraße, hauptsächlich von den ersten Bergleuten erbaut worden, die noch nichts von Mietwohnungen wissen wollten, sondern in angestammter Bodenverwurzelung nach dem eigenen Heim und Garten, das sie pflegen und schmücken konnten, strebten. So hat neben dem unschönen Koloniebau die heute wieder so stark geförderte Eigenheimsiedlung aus der Kraft eigenen Wollens am Anfang des Herner Bergbaus gestanden.
Fangen wir von Altenhöfen aus an, so haben wir sogleich neben dem Sommerbad die ältesten Häuschen Nr. 33 und 35. Das erste gehörte 1895 den Eheleuten Bergmann Diedr. Hrch. Wilhelm Wietelmann, der jetzt noch darin wohnt. Das Häuschen daneben gehörte 1895 dem Bergmann Wilh. Voß, der heute Steiger a. D. ist.
Zur Bergstraße gerechnet wird auch eine Gruppe von Häuschen, die am Sommerbad vorbei in Richtung Weusthoff zu erreichen ist. Das Häuschen Nr. 370 gehört dem Schießmeister Wilh. Schuhmacher, das Häuschen Nr. 375 dem Bergmann Heinrich Puls. der es 1909 von seinem Vater Wilhelm Puls erbte, und das Häuschen Nr. 35a dem Bergmann Heinrich Klüsener, der es 1919 ebenfalls von seinem Vater erbte.
Geht man die Bergstraße weiter entlang, so gelangt man an eine Stelle, wo von rechts ein von der Altenhöfener Straße kommender Feldweg einmündet. Hier verlief die Bergstraße früher anders. Sie gabelte sich. Die eine Gabel verband sich mit dem genannten Feldweg, die andere, die noch vorhanden ist, führte zum Rand des (Constantiner) Waldes. Die Gabelung muss durch die Geländeverhältnisse bedingt gewesen sein. Aufschluss darüber gibt auch der Name des eingeschlossenen Stückes, das „Kirchsiepen“ heißt. Siepen bedeutet sumpfiges Gelände oder feuchte Niederung. Offenbar ist die Bergstraße gezwungen gewesen, hier eine sumpfige Stelle zu umgehen.
Vor 1870 entstand aber hier das Häuschen Bergstraße 65, das dem Bergmann Georg Hrch. Lotte gehörte. Als die Bergstraße geradeaus durchgelegt wurde, rückte dieses dicht an die Straße heran, steht aber, dieser Entwicklung wegen, quer, d. h. mit dem Giebel, zur Straße. Es sieht, beschattet von alten Kastanien, sehr idyllisch aus. In seiner Nachbarschaft entstanden kurz nach 1870 an der zum Constantiner Wald führenden Gabelung die Häuschen Nr. 63a und 63b. Das erstere gehört dem Bergmann Wilh. Reppekus, der es 1921 von seinem Vater, dem Bergmann Hrch. Reppekus, erbte, das letztere war ursprünglich im Besitz des Landwirts Ludwig Veuhoff (Straßburger Straße), 1913 ging es in den Besitz des Berginvaliden Karl Schweitzer über, seit 1919 besitzt es der Bergmann Friedrich Schröder.
Wenden wir uns jetzt der anderen Seite der Bergstraße zu, so fallen zunächst zwei zurückliegende Häuschen (Nr. 74 b und 74a) auf. Sie liegen weiter zurück, weil, wie beschrieben und aus der Karte ersichtlich, hier früher die Bergstraße und der von der Altenhöfener Straße kommende Fußweg sich verbanden. Das erste Häuschen (Nr. 74b) gehörte 1895 dem Bergmann August Schön, seit 1934 ist der Tagesarbeiter Joh. Sönke Eigentümer, das zweite Häuschen besaß der Bergmann Simon Ruschmeier, seit 1914 gehört es dem Maschinisten Franz Diermann.
An der Bergstraße folgen nun die beiden Häuschen Nr. 76 und 78. Nr. 76 gehörte 1895 dem Bergmann Friedrich Esdar, seit 1932 ist Eigentümerin Hildegard Esdar. Das Häuschen Nr. 78, neben dem später ein Wohn= und Geschäftshaus mit Bäckereianbau errichtet wurde, gehörte 1895 dem Bergmann Wilh. Winter, seit 1921 ist der Bäckermeister Wilh. Winter als Eigentümer eingetragen. Jedem Spaziergänger werden schon die etwas weiter folgenden beiden Häuschen aufgefallen sein, die neben der Wirtschaft Puls ein ganzes Stück von der Bergstraße zurückliegen. Das eine ist die Bäckerei Sütmersen (der Bäcker Karl Sütmersen erbte es 1914 von seinem Vater, dem Bergmann Heinrich Sütmersen, das erste Backhaus wurde 1898, das zweite 1901 gebaut), das andere gehört zur Wirtschaft Puls. Erbaut war es von dem Bergmann Hrch. Rüter; nachdem es verschiedene andere Besitzer gehabt hatte, erwarb es 1906 der Wirt Karl Brasse und 1918 der Wirt Heinrich Puls. Zwischen diesem Häuschen und der später erbauten Wirtschaft Puls ist einst die Bergstraße, die hier einen Bogen bildete, hergegangen. Sie ist dann in die jetzige Linienführung verlegt und begradigt worden.
Damit wäre die Schilderung der baulichen Entwicklung des südlichen Teiles der alten Gemeinde Herne bis in die Zeit vor rd. 50 Jahren erschöpft.
Zu erwähnen sind aber noch drei Wohngebäude, die bisher noch nicht berücksichtigt wurden. Zunächst handelt es sich um ein Häuschen, das nördlich der Altenhöfener Straße in der Nähe des jetzigen Lutherhauses am Westbach lag und ein Einwohnerhaus des Hofes Kuenkamp war. Es ist 1918, als die Stadt Herne den Kuenkampschen Kotten kaufte, in deren Besitz übergegangen und 1922 abgebrochen worden. Weiter sind zu erwähnen zwei Häuschen östlich der Wiescherstraße. Das eine liegt kastanienbeschattet im Sehrbruch an dem Wege, der neben der Mineralwasserfabrik Schmerfeld östlich abgeht und dann nach Norden umbiegt. Es war 1870 bereits vorhanden und gehörte dem Bergmann Friedrich Blase, seit 1905 ist Eigentümer Metzger August Heinrich Blase. Das andere liegt östlich davon, etwas nördlich der Feldstraße in dem Bereich des 1823 hier noch vorhanden gewesenen Wäldchens. Es ist ein kleiner Kotten, bestand schon 1870 und gehörte den Eheleuten Kötter Heinrich Springkämper (Springkämper sind eine alte Hiltroper Familie). Jetzt ist der Härter Heinrich Springkämper Eigentümer.
Zum Schluß weisen wir noch auf die Wegeverhältnisse in diesem Gebiet hin. Die heutige Feldstraße verband Riemke über Altenhöfen mit Sodingen, während von Sodingen in gerader Linie eine Verbindung nach Bochum führte, die in der Herner Mark auf die Wiescherstraße stieß. Es ist der von der Sodinger Mühle zum Kommunalfriedhof, der die Verbindung unterbrochen hat, führende Weg. Ein Abzweig zur Hiltroper Landwehr— es ist der vom jetzt verschlossenen hinteren Ausgang des Friedhofs ausgehende und an Constantin XI vorbeiführende Weg— stellte die Verbindung hier nach Dortmund her. Der hier liegende Hof Voß soll, trotzdem er als einziger zum Hellweg und zur Gemeinde Herne gehörte, erst später bei der Behandlung des Gebietes am Gysenberg zur Erörterung kommen.
Dr. Leo Reiners.
Der südliche Teil Hernes nach der Katasterurkarte von 1823, ergänzt durch die bis 1886 hinzugekommenen Bauten. Diese sind zur Unterscheidung von den 1823 vorhanden gewesen nicht schwarz ausgefüllt.