Bürgerliches Brauhaus AG Herne
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Das ehemalige Bürgerliche Baruhaus AG Herne hatte seinen Sitz im Bereich der heutigen Geschwister-Scholl-Straße in Herne.
Im Jahre 1928 wurde von der Firma selbst folgender Text veröffentlicht:
- "Die Größe und die Jährlich sich mehrende Ausdehnung der industriellen Unternehmungen im Stadtbezirk Herne und in der Umgebung zeitigten das dringende Bedürfnis nach Errichtung einer selbständigen Herner Brauerei. Bis dahin wurde der Bierbedarf Hernes vorwiegend durch die Brauereien Dortmunds und Bochums gedeckt.
- Die Gründung einer eigenen Brauerei erfolgte gegen Ende des Jahres 1897 und zwar in Form einer Aktiengesellschaft unter dem Namen „Bürgerliches Brauhaus zu Herne". Die Gesellschalt schloss sich zunächst zusammen mit einem Aktienkapital von 800.000,- - Mk., das aber schon im Jahre 1900 auf 1.250.000.-- Mk. erhöht wurde und das nach der Umstellung der Anlagenwerte auf Reichsmark 1.155.000.-- beträgt.
- Die neu gegründete Brauerei wurde unter Ausnutzung der modernsten Erfahrungen im Brauereigewerbe mit erstklassigen Gebäuden, Kellereien, Maschinen und sonstigen Anlagen ausgestattet: auch als im Laufe der Jahre das Unternehmen sich ausdehnte, wurde der Grundsatz des Fortschrittes ständig beobachtet. Heute kann eine Bierproduktion von über 100.000 Hektoliter erfolgen. Das Unternehmen, dem 3 automatisch beteuerte Großwasserraum-Dampfkessel. 2 Dampfmaschinen. 4 Dynamos und aber 40 Elektromotoren mit einer Gesamtkraftleistung von über 900 PS zur Verfügung stehen, ist auch an das Verbands-Elektrizitätswerk Westfalen angeschlossen, von dem es zum Betriebe seiner elektrischen Maschinen Kraft bis zu 80 PS, besonders während des Nachtbetriebes bei geringerem Kraftbedarf, entnehmen kann.
- Die Maschinen des neuzeitlich eingerichteten Sudhauses sind nur Einzelantrieb versehen. Die Gärung und Lagerung des Bieres erfolgt in Fässern und Tanks, die in den ausgedehnten, zum Teil mit weißen Kacheln versehenen Kellereien der Brauerei untergebracht seid. Ihn weitere Durchfuhreng der Tankanlagen ist in Aussicht genommen. Auch die Ausstoß- und Abfüll-Einrichtungen für die Flaschenbiere, deren Maschinen fast nur automatisch arbeiten, sind mustergültig.
- Unter anderem seien dann nur noch erwähnt die große Kunsteiserzeugungs-Anlage, die täglich etwa 1.000 Ztr. Kunsteis herstellt, und die weiterhin die ausgedehnten Bierlager-Keller, selbst bei der stärksten Sommer wärme, auf eine Temperatur von 0 Grad halten kann, ferner die Schwankhalle, die Picherei, Küferei. Schlosserei, Schmiede, Stellmacherei, Anstreicherei, Wagenremise, Autogarage usw. Neben den stattlichen Gebäuden, den gediegenen Anlagen. den ausgedehnten, für 60 Pferde ausreichenden Stallungen, bildet das große Brauereigrundstück den schönsten Besitz der Brauerei.
- Dier Anordnung der einzelnen Gebäulichkeiten ist derartig getroffen, dass die Brauerei sich mit Leichtigkeit zu mehrfacher Produktionsfähigkeit entwickeln kann.
- Gleich für das erste volle Geschäftsjahr 1899/1900 wurde eine Dividende von 4% erzielt. Sie wurde dann alljährlich bis auf 10% erhöht, jedoch während zweier Kriegsjahre bi6% ermäßigt, um in den folgenden Jahren bis auf 20% gesteigert zu werden. Die Inflationszeit wurde gut überstanden, sodass für das Geschäftsjahr 1924/25 wieder eine Dividende von 6% verteilt weren konnte. Die Leitung der Brauerei ist heute noch den Herren Direktoren Brinkhoff und Cremer unterstellt, von denen der erstere die Veranlassung zur Gründung der Brauerei im Jahre 1897 gegeben hat.
Weitere Geschichte der Brauerei
Nachschrift. Laut Beschluss der Generalversammlung vom 28. Juli 1927 ist das Unternehmen in den Besitz der Schlegel-Scharpenseel-Brauerei A.-G., Bochum übergegangen und wird nunmehr unter der Firma
- Schlegel-Scharpenseel-Brauerei Aktien-Gesellschaft Abt. Bürgerliches Brauhaus Herne
- weitergeführt. Die Herren Direktoren Brinkhoff und Cremer sind aus dem Vorstand ausgeschieden."[1]
Diese Übernehme war eine Verschmelzung, indem für 3 Aktien des Brauhauses, 2 Aktien der Schlegel ec. Brauerei getauscht wurden.
"'Geschaftliches'
'Die Herner Bierindustrie.'
Man schreibt uns: Herne, ursprünglich ein reines Ackerdörfchen, erhielt gegen Mitte des vorigen Jahrhunderts bei dem Bau der Eisenbahnstrecke Köln — Minden eine Eisenbahnstation, die den Namen Herne=Bochum führte — Bochum und selbst Essen hatten zu der Zeit noch keine Eisenbahnverbindung — und gab damit dem in Herne um diese Zeit einsetzenden Bergbau die Möglichkeit guter Absatzverbindungen. Hiermit war die Entwicklung der Ortschaft Herne zum Industrieplatz gesichert. Gefördert durch die mächtige Ausdehnung der bergbaulichen Unternehmungen, die der heimischen Industrie stets Rückgrat geblieben sind, ging die Umstellung schnell voran. Im Gefolge des Bergbaues entstanden in Herne auch andere Industriewerke, von denen wir die Drahtseilfabrik Geßmann, Dampfkesselfabrik Berninghaus, Maschinenfabrik Beien, Grubenwagenfabrik Viktor Halstrick Ww., Maschinenfabrik Baum A. G., Gewerkschaft Dorn, Flottmann=Werke A. G. anführen, deren Erzeugnisse zum Teil sich Weltruf verschafften und so den Namen von Herne bekannt machten.
Um die Wende des Jahrhunderts entstand in Herne ein neues Unternehmen, die Aktien=Gesellschaft Bürgerliches Brauhaus, an dem die Bürgerschaft besonderes Interesse nahm. Von dem alten Vorsteher, späteren Beigeordneten Herrn Fritz Cremer und seinen Freunden gegründet, wurde das Bürgerliche Brauhaus gleich in großzügiger Weise erbaut und das der Geschäftsführung entgegengebrachte Vertrauen ward durch das zum Ausschank kommende Herner Bürgerbräu gerechtfertigt. Das süffige Herner Bürgerbräu fand ungeteilten Beifall der Biertrinker. Die Brauerei nahm einen schnellen Ausschwung und rückte mit dem Ausstoß von 68000 Hl. in der Vorkriegszeit in die Reihe der Großbrauereien ein.
Dann kam der Krieg mit seinen für das Braugewerbe besonders üblen Begleiterscheinungen. Mangel an Rohstoffen, Kontingentierung, behördliche Herabsetzung der Stammwürze, kurz alles, was zu der Zeit der Dünnbiere führte. Die Erinnerung daran verursacht heute noch dem Biertrinker ein Grauen. Eine Wendung in dem stark zurückgegangenen Bierverbrauch trat erst ein, nachdem sich eine Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse zeigte und die Freigabe der Rohstoffe. Stabilisierung unseres Geldwesens der Brauerei die Möglichkeit gab, wieder ein gehaltvolles, nur rein aus Malz und Hopfen hergestelltes Bier zu brauen, das rasch den alten guten Ruf des heimischen Bieres wieder herstellte.
Seit der Fusion des Bürgerlichen Brauhauses mit der Schlegel=Scharpenseel-Brauerei Aktien=Gesellschaft. Bochum, sind umfangreiche Neuanlagen und Erneuerungen geschaffen. Die Brauerei repräsentiert sich heute als ein moderner, in allen Teilen der Neuzeit entsprechend eingerichteter Betrieb, und was die Hauptsache ist, das zum Ausstoß kommende Bier mundet und bekommt vorzüglich. Wie die Bierkenner den Stoff einschätzen, zeigen die steigenden Versandziffern Im letzten Jahre betrug der Versand über 40 Prozent mehr als im Vorjahr. Trotzdem gilt auch für Herne noch das Wort von dem Propheten, der im eigenen Lande ——, weil immer noch viel fremdes und zudem teureres Bier zum Ausschank kommt.
Wenn man in Betracht zieht, wie viele Geschäftsleute durch Lieferungen an der Brauerei Geld verdienen, daß das kaufmännische und technische Personal an sich nicht unbedeutende Beträge an Steuern entrichtet und durch die Ausgaben für ihren Lebensunterhalt den Herner Geschäftsleuten auch Geld zufließt, so muß ein derartiger Betrieb sich der Sympathie der Bürgerschaft und bestimmt auch der Unterstützung des Staates und der Gemeindebehörden schon der Steuern wegen erfreuen.
Auch die Biertrinker dürften darüber nachdenken, daß es zweckmäßig ist und ihrem eigenen Interesse entspricht, anstatt des teuren fremden Bieres, dem ebenso guten, wenn nicht besseren heimischen Erzeugnis den Vorzug zu geben."[2]
- Die Schlegel-Scharpenseel-Brauerei Aktien-Gesellschaft AG. verschmolz 1971 mit der Dortmunder Union-Brauerei und wurde aufgelöst.
Der genannte Gründer der Brauerei, Fritz Brinkhoff, war ein Sohn des ersten Braumeister der Dortmunder Union-Brauerei AG, zu dessen Ehren das Premium-Bier "Brinkhoff s No. 1" (September 1977) benannt wurde.[3]
Der andere Gründer war Friedrich Cremer (1836-1920), dessen gleichnamiger Sohn Fritz Cremer (1869-1938) ebenfalls seit 1897 als Direktor die Geschäfte bis 1927 weiter führte.
Weitere Geschichte der Gebäude
Am 12. März 1938 wurde die Betriebsstätte stillgelegt. 1940 gründete sich hier die "" H e r k ü l a " Herner Kühl- und Lagerhaus Gesellschaft mit beschränkter Haftung" mit Sitz im Verwaltungsbau Horsthauser Straße 2. Im November 1985 begann die Liquidierung der Gesellschaft, die noch stehenden Bauten wurden ab September 1985 abgetragen, das Grundstück parzelliert und verkauft. Am 25. März 1987 wurde diese Firma aus dem Handelsregister gelöscht. Heute befindet sich dort die Geschwister-Scholl-Straße.
In der Betriebsstätte dahinter pachtete sich Ende 1940 die Mocca-Rahmgesellschaft Dr. Löchel & Co Berlin ein und eröffnete ihr Zweigwerk zur Herstellung von Kondensmilch mit dem Warennamen "Land-Edel". Im Januar 1941 berichtete der Herner Anzeiger darüber. 1976 wurde auch diese Firma aus dem Handelsregister gelöscht.
Archiv
- Bundesarchiv, R 8127 Berliner Handelsgesellschaft, BArch, R 8127/8350 [4]
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