Bodenverhältnisse in und um Herne (Lindemann 1926) V
Zwischen dem 22. Februar 1926 und dem 15. März 1926 erschien in der Lüner Zeitung eine 5teilige Artikelserie über die Bodenverhältnisse in Herne von einem Herrn "S. Lindemann". Wir zitieren diesen interessanten Bericht über die Geologie unserer Heimat in der vorgegebenen Reihenfolge.[1]
I.
Bodenverhältnisse in und um Herne
von S. Lindermann.
(Fortsetzung und Schluss.)
Wie ist das Hellwegtal entstanden? Geschaffen werden Täler in der Hauptsache durch fließendes Wasser. Nun wird, wie schon ausgeführt, in unserer Gegend das breite Tal durchflossen von der Emscher. Von Norden und Süden fließen ihr kleine Bäche zu, Dorneburger Bach, der Hofsteder Bach, der Ost= und Westbach, der Schmiedesbach, der Hellbach, der Sodinger Bach, der Langelohbach, der Landwehrbach. Die Kraft dieser Gewässer ist aber so gering, dass sie unmöglich solch großes Tal, wie es das Hellwegtal ist, geschaffen haben können. Als Schöpfer des Tales müssen wir die Gletscher ansehen. Als das Klima in unseren Breiten milder wurde, mussten sie den Rückzug antreten. Die zweite Zwischeneiszeit begann. Von dem schmelzenden Eise floss das Wasser mit großer Kraft. Die Landschaft, die sich davor ausbreitete, wurde von den Schmelzwassern überschwemmt, bedeckt mit dem Material, das der Gletscher in sich barg. Durch das steil abfließende Wasser wurde aber gleichzeitig der Boden ausgewaschen. Die weichen Schichten des Emscher Mergels boten nur geringen Widerstand. Südlich von uns stellten sich die festeren Schichten des Turons entgegen.
Im Norden gaben die festen Zwischenlagen des Senons weniger nach. Die ausräumende Tätigkeit des Schmelzwasser war damit auf ein begrenztes Gebiet beschränkt. So wurde das große Tal geschaffen, das Hellwegtal. Es ist ein Urstromtal. Solche Urstromtäler erfüllen einen großen Teil des norddeutschen Flachlandes und werden stellenweise von den norddeutschen Flüssen benutzt. Die Schmelzwasser fanden einen Abfluss in westlicher Richtung. Die leichtlöslichen Bestandteile wurden mitgenommen. Die Sande und teilweise auch Lehme blieben zurück. Gleichzeitig bildete sich der Löß, der sich vornehmlich an den Uferrändern absetzte. Die Mächtigkeit des Lößlehms ist sehr schwankend. Sie hängt wohl von der Lage der einzelnen Gebiete zur ursprünglichen Windrichtung ab. Bei Bochum zeigte sich in den Ausschlüssen eine Mächtigkeit des Lößes von 1-4 Meter, bei Recklinghausen sogar von 8 Meter. Eingefasst von dem Lößlagerungen finden sich dann die Sande in dem Gebiet des lang anhaltenden damaligen Abflusses. Südlich von Bladenhorst wird der Boden allmählich nach Norden zu sandiger. Zu beiden Seiten der Emscher haben wir reinen Sand. Hierzu gehört auch das in der Gegend von Baukau und Bruch zwischen Herne und Recklinghausen durchschnittlich 10 Meter mächtige Kieslager des Emscher Bruches. Bei der Kanalisation der Emscher und des Landwehrbaches wurde fast auf der ganzen Strecke Fließsand angetroffen, wodurch die Arbeiten sehr erschwert wurden. Wie der Name schon sagt, ist der Blick ein fließender Sand. Es fehlen ihm die bindenden tonigen Bestandteile, wodurch er mehr Festigkeit erhalten würde. Die Mächtigkeit des Fließes schwankt zwischen 0,90 Meter und 10 Meter. Über die Sandbedeckung berichten die Namen vieler hiesiger Plätze: Cranger Heide, Hillerheide, Nettheide, Auf der Heide, Brandheide. Mit dem Auftauchen der Sande hört die Anklage von Ziegeleien auf. Während wir im Bezirk des Meßtischblattes Herne 17 Ziegeleien südlich der Emscher finden, liegt nördlich derselben nicht eine. Auch auf dem Blatt Recklinghausen treffen wir im eigentlichen Hellwegtale keine Ziegeleien an, erst südlich Recklinghausen, entsprechend dem Vorhandensein des Lößbodens, tauchen wieder Ziegeleien auf. Infolge der tiefen Lage des Hellwegtales und der Zusammenlegung der Falllinie aus sandigen und lehmigen Ablagerungen ist das Gebiet sumpfig. Das von den Höhen abfließende Wasser sickert in den Mulden nur langsam ein. Das Grundwasser steht wenig tief unter der Oberfläche. Der Boden ist deshalb zum Teil schwer begebbar. Durch die Industrie und vor allem durch die umfangreiche Tätigkeit der Emschergenossenschaft sind heute weite Strecken trockengelegt. Früher haben die Eingesenken die tieferliegenden, sumpfigen Stellen mit Krüppeldämmen ausgelegt. Bei Ausschachtungen in der Hermannstraße in Holthausen ist man vor kurzem auf einen solchen Krüppeldamm gestoßen. Ganze Baumstämme füllten eine muldenförmige Vertiefung aus. Für die Versumpfung unserer Gegend sprechen Namen wie: Lechtappe am Hellbach südlich von Recklinghausen – lech von lake Sumpf – Neues Sumpfland: Rottbruch, Holthauser Bruch. Bruch ist eine tiefliegende, von Brackwasser oder Lachen bildendem Wasser durchzogene Fläche.
Im Vorhergehenden war verschiedentlich die Rede vom Alluvium. Es ist die Zeit, die dem Diluvium folgt, in der wir noch heute leben. Die alluvialen Ablagerungen sind demnach diejenigen, die seit dem Diluvium entstanden sind und die sich noch heute bilden. Es kommen hierfür vornehmlich Bildungen in Frage, die durch die Flüsse geschaffen werden. Durch die Kraft des Wassers wird in dem Gebiete des Flusslaufes der Boden ausgespült. Die lockeren Bestandteile nimmt das Wasser mit, am weitesten die leichtesten. Die Gesteine werden am Boden des Flussbettes hin gerollt und dadurch abgerundet. In unserem Gebiet gehören dem Alluvium die ebenen Talböden der Emscher und ihrer Zuflüsse an. Da diese Gewässer durchweg aus den Gebieten des Lößlehms und der Kreide kommen bestehen auch ihre Ablagerungen aus diesem Material. Der Boden ist wenig widerstandsfähig. Infolgedessen schneiden sich die Bäche tief ein. Lehm und Mergel werden ausgeschlossen. Mit der Eiszeit ist durch die Einwirkungen der Flüsse und der Witterung ein Teil der ursprünglichen Bedeutung wieder abgetragen worden. Aus der Herner Kreideinsel finden wir die Geschiebe der Eiszeit weit verstreut. Sie gehören in den Geschiebemergel hinein. Also müssen die darüber lagernden Schichten abgespült sein. Das ist für die Verhältnisse der Höhen leicht verständlich, da hier die Witterungseinflüsse an dem in geringerer Mächtigkeit ausgelagerten Löß leicht angreifen konnten. An diesen Stellen liegt der Mergel gleich unter der Oberfläche.
Die auflagernden Geschiebe sind Fremdlinge in unserer Gegend. Sie stammen meist aus der Heimat der Gletscher, aus Skandinavien.
Ihre Formen lassen erkennen, dass sie nicht vom fließenden Wasser oder vom Meere abgelagerte Gerölle sind. Sie müssen sonst runder sein. Geschiebe sind nur kantengerundet; es sind Granite, Porphyre, Gneise und Feuersteine. Auf unseren südlichen Höhen sind die Geschiebe verhältnismäßig selten. Der größte Teil ist schon unterwegs abgelagert worden. Die letzte größere Geschiebeansammlung in der Bewegungsrichtung der Gletscher findet sich bei Recklinghausen. Nach Süden zu wird das nordische Material immer seltener. Vor den Erhebungen unserer Gegend sind noch einmal größere Anhäufungen aufgeschlossen. Die Zusammensetzung ist aber wesentlich anders als die der nördlichen. Hier haben Gerölle den größten Anteil an den Ablagerungen. Es sind Kieselschiefer, Mischquarze und Grauwacken. Man hat diese Gesteine als Ruhrschotter erkannt. Demnach muss die Ruhr früher einen anderen Verlauf gehabt haben. Sie floss von Witten aus über Langendreer, Bodelschwingh, Castrop, Herne und Bochum nach Westen. Die Gletscher haben den alten Ruhrlauf den Weg versperrt. Bei Witten bis dorthin drangen die Gletscher vor – hat die Ruhr die heutige Richtung eingeschlagen. Über den genauen Verlauf im Herner Gebiet haben die jüngsten Aufschlüsse bei den Kanalisationen Aufklärung gegeben. In den Ausschachtungen der Hermannstraße in Holthausen, der Kirch- und Kanalstraße in Börnig stieß man in etwa 2 Meter Tiefe auf eine 30–50 Zentimeter mächtige Kiesschicht, die die oben angeführten Gesteine aufwies. Vielleicht haben wir es hier mit alten Ruhrterrassen zu tun, oder mit dem Flussbett selbst. Die Gerölle stammen aus dem Quellgebiet der Ruhr. Von dort aus sind sie hierher transportiert worden. Ein weiterer Beweis für den früheren Lauf der Ruhr in unserer Gegend dürfte die tiefere Lage des Hellwegtales sein. Die Ruhr hat dem Schmelzwasser schon vorgearbeitet. Einen schönen Aufschluss finden wir dort, wo der Landwehrbach westlich von Castrop bei Lipperheide die Chaussee Castrop-Herne quert, und zwar rechts von dieser in einer Entfernung von 10 Meter. Große Schotterablagerungen sind an dem Anfang von der Mont-Cenis-Straße zum Sodinger Volkspark aufschlossen. Die Ruhr ist ein präglazialer, d. i. voreiszeitlicher Fluss. Zum Schluss soll noch einmal die Schichtenfolge der aufgeschlossenen Gesteine in unserem Gebiet der eines Normalprofils gegenübergestellt werden.

