Aus der Geschichte von Herne-Mitte /Die Dammstraße, Mühlenstraße, Vinkestraße

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 28. März 1936 wurde im Herner Anzeiger ein weiterer Artikel über die Nebenstraßen der Bahnhofstraße von Leo Reiners veröffentlicht.[1]

Aus der Geschichte von Herne-Mitte

Die Dammstraße
Die Nebenstraßen auf der Westseite der Bahnhofstraße haben wir jetzt abgeschlossen. (Die Beckstraße wurde schon zusammen mit dem Bahnhofsviertel behandelt, die Manteuffelstraße ist eine relativ neue Straße.) Nunmehr kommen wir zur Ostseite. Die erste hier zu behandelnde Straße (Friedrich= und Fabrikstraße fanden bereits ihre Behandlung) ist die Dammstraße. Sie ist alter, als mancher Herner gemeinhin denkt. Scheinbar hat man einmal den Glauben gehabt, es würden sich in der Nähe des Bahnhofes bedeutende Querstraßen zur Bahnhofstraße und ein ganzer Stadtteil entwickeln. Doch ist sowohl die Mühlenstraße nicht zum rechten Ausbau gekommen. Es sind kleine seitliche Äste der Bahnhofstraße ohne größere Bedeutung geblieben. Immerhin zeigen die kleineren Häuschen der Dammstraße auch dem flüchtigen Passanten der Bahnhofstraße, der einen Blick in diese schmale Straße hineinwirft, daß ihnen ein nicht geringes Alter anhaftet und ihnen eine siedlungsgeschichtliche Bedeutung zukommt.

Das erste Häuschen auf der Nordseite, einstöckig, in Backsteinfachwerk errichtet, gehört Sassenhoff und ist erst in den neunziger Jahren durch das Hotel Sassenhoff, das auf demselben Grundstück errichtet wurde, den Blicken etwas verborgen worden. Das Grundstück hatte, wie alle Grundstücke an der Dammstraße, zu der Parzelle gehört, die 1811 bei der Versteigerung der Strünkeder Flur „In der Koppenburg" von Jasper am Steinweg erworben wurde. Von dem Wirt Friedrich Hochstrate gt. Jasper erwarb es 1863 der Schmiedemeister Wilhelm Sassenhoff in der Größe von 54 Ruten 40 Fuß für 843 Taler 6 Sgr. Er erbaute darauf das Wohnhaus Dammstraße 2, das 1897 an Auguste und Helene Sassenhof aufgelassen wurde, während das inzwischen an der Ecke der Bahnhofstraße entstandene Hotelrestaurant der Wirt Hermann Sassenhoff erhielt.

Das Nachbarhaus Nr. 4 ist von dem Postschaffner Heinrich Herzog erbaut, der das Grundstück 1865 von dem Wirt Friedrich Hochstrate gt. Jasper für 294 Taler 15 Sgr. kaufte. Im Jahre 1901 ging es auf den Bäckermeister Heinrich Herzog, 1927 auf die Ehefrau des Bäckermeisters Karl Höltring, Luise geb. Herzog, über. Der Familie Herzog wegen führt die Dammstraße noch heute im Munde alter Herner die Bezeichnung „Herzogstraße".

Das nächste Haus Nr. 6, das ganz mit Zinkblechscheiben verkleidet ist, entstand aus einem Grundstück, das der Kalkbrenner Bernhard Kottenmeier am gleichen Tage wie Sassenhoff und Herzog 1865 von Hochstrate gt. Jasper für 398 Taler 16 Sgr. kaufte. (Später kaufte Kottenmeier noch ein Grundstück an der Friedrichstraße, wo die Häuser Nr. 42 und 44 (Wirtschaft) entstanden, von denen das haus Nr. 42 heute dem Ingenieur Kottenmeier in Hannover gehört.) Im Jahre 1895 erbte die Witwe des Wirts Bernhard Kottenmeier das Haus an der Dammstraße, die in zweiter Ehe Theodor Sinder heiratete. Sie verkaufte das Haus 1898 an den Arbeiter Matthias Neumann, von dem es 1901 an den Händler Peter Neumann, 1906 an dessen Witwe, 1921 an den Bergmann Johann Borsutzki kam. Im Jahre 1930 wurde es in der Versteigerung von der Frau des Kaufmanns Fritz Suberg erworben und kam so 1932 an den Dipl.=Kfm. Wilhelm Suberg.

Auf der Südseite der Dammstraße lag 1877 außer dem Eckhause an der Bahnhofstraße (heute Suberg) nur in der Mitte und am Ende der Dammstraße ein Haus. Das Haus in der Mitte, es trägt die Hausnummer 5 und ist durch Aufstockung und Verputz modernisiert, entstand auf einem von dem Mühlenarbeiter Friedrich Biermann ebenfalls 1865 (am gleichen Tage wie Sassenhoff, Herzog und Kottenmeier) für 338 Taler 28 Sgr. Dem Wirt Friedrich Hochstrate gt. Jasper abgekauften Grundstück. Dieses erbte 1907 die Witwe Biermann, Lisette geb. Kaldewey, mit ihren Kindern und wurde 1921 an den Bergmann Johann Zipfel aufgelassen. Im Jahre 1927 wurde es umgebaut.

Das letzte Haus in der Dammstraße ist ein Doppelhaus mit einer wechselvollen Geschichte. Zunächst hat davor, d. h. westlich von dem jetzigen, ein anderes Haus gestanden, das der Schuhmachermeister Joseph Klümper, der die Grundstücke 1866 und 1868 von Friedrich Hochstrate gt. Jasper für 826 Taler 21 Sgr. bzw. 43 Reichstaler 21 Sgr. kaufte, 1866 erbaut hatte. Im Jahre 1875 kam aber sein Besitz zur Zwangsversteigerung und wurde von dem Kaufmann Heinrich Hackert in Bochum erworben. Dieser muss (wenn es nicht schon Klümper war) das jetzige Doppelhaus unter Verschwinden des ersten erbaut haben, denn 1877 war es bereits vorhanden. Auch über Hackerts Vermögen wurde 1880 der Konkurs eröffnet. In der Versteigerung kam das Haus 1881 an den Kaufmann Karl Niederheitmann in Bochum; 1891 ging es an den Kaufmann Endemann in Bochum, dessen Name mit der Geschichte des Bergbaus in unserem Gebiete eng verknüpft ist, über. Von Endemann kam es im gleichen Jahre 1891 an die Aktiengesellschaft Herminenglück Liborius, 1893 an die Bergwerksgesellschaft Vereinigte Constantin der Große, 1895 an den Landwirt und Gerichtstaxator Friedrich Cremer in Herne, von dem es 1930 auf dem Rentner Friedrich Cremer, den Gutsbesitzer Karl Cremer in Leichlingen und die Ehefrau Oberregierungsrat i.R. Otto Pfeiffer, Ida geb. Cremer, in Erfurt überging.

Mühlen- und Vinckestraße

Die nächste Nebenstraße der Bahnhofstraße ist die Mühlenstraße. Sie ist ein alter Ackerweg, der bis über den Ostbach ging. Die von ihr abzweigende Vinckestraße ist jüngeren Datums. Der erste, der sich an der Mühlenstraße ansiedelte, war Dorlöchter. Außer ihm gab es hier bei der Katasteraufnahme 1877 kein einziges Wohnhaus. Das Dorlöchtersche Haus lag neben der jetzigen, die Ecke von Mühlen= und Vinckestraße füllenden Wirtschaft. Im Jahre 1868 hat der Weichensteller Wilhelm Dorlöchter das Grundstück (Ackerland) für 250 Taler von dem Landwirt Heinrich Rensinghoff gt. Schlenkhoff – die Schlenkhoffs hatten die Parzelle aus der Strünkedischen Koppenburg 1811 erworben – gekauft und mit einem Wohnhaus und Stallgebäude bebaut. Sein Besitznachfolger wurde 1883 der Zimmermann Heinrich Dorlöchter, der 1886 von dem Landwirt Friedrich Cremer noch einige Grundstücke hinzuerwarb. Im Jahre 1897 wurde die jetzige Wirtschaft erbaut; zunächst blieb ein Rest des alten Wohnhauses mit Stall erhalten, verschwand aber bis 1907. Im Jahre 1929 wurde der Wirt Heinrich Dorlöchter jr. Eigentümer.

Die Seilbahn von Gesmann.

Von Bedeutung für die Geschichte der Herner Industrie ist dann noch die Seilbahn von Geßmann. Sie wird kurz nach 1870 angelegt worden sein, denn als Gründungsjahr der Firma Geßmann wird das Jahr 1871 angegeben. Im Stückvermessungsriß von 1877 ist sie jedenfalls enthalten und zwar in einer Länge von 168 Metern. Später wurde sie auf 220 Meter (bis zum Ostbach) verlängert. Sie begann neben dem Dorlöchterschen Wohnhaus im Fahrdamm der jetzigen Vinckestraße und zog sich dann in Richtung auf die spätere Drahtseilfabrik von Geßmann an der Baumstraße, mit der jetzigen Vinckestraße einen spitzen Winkel bildend, nach Osten. Sie endete da, wo jetzt der Eingang zur leider zum Stillliegen gekommenen Geßmannschen Drahtseilfabrik sich befindet. Der Seilermeister Eduard Geßmann hat sich 1874 das Haus der jetzigen Wirtschaft Reifenrath an der Bahnhofstraße gebaut, in dem er sein Lager und sein Seilerwarengeschäft unterhielt, bevor er die Drahtseilfabrikation aufnahm und zu einem weithin angesehenen industriellen Unternehmen ausbaute. Dr. Reiners.


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Quellen