Altgermanische Opferstätte in Röhlinghausen?

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Auf dem Grund der Stelle, wo jetzt die von Wanne nach Kran führende Eisenbahnstrecke die Halde der Zeche Pluto in Röhlinghausen durchschneidet, lag und liegt vielleicht noch unter dem hohen Bahndamm ein mächtiger Steinblock, ein „Findling“, der nach dem Zeugnis alter Bewohner von Röhlinghausen und Eickel Einschnitte hatte.

Zum Autor:
Reinhold Grasreiner (geboren 31. Oktober 1863 in Crock (Thüringen), gestorben 12. Februar 1935 in Dortmund) war Rektor in Gelsenkirchen. 1927 war er Mitbegründer des „Heimatbund Gelsenkirchen“. Grasreiner bekleidete mehrere Ämter:

  • Mitglied der „Bezirksstelle für Naturdenkmalpflege im Gebiet des Ruhrsiedlungsverbandes zu Essen“
  • Mitglied der „Interessengemeinschaft für Heimatschutz im Industriegebiet“
  • Ernannt zum „Pfleger für kulturgeschichtliche Bodenaltertümer im Stadtkreis Gelsenkirchen“ [1]

Zum Text:
Dieser Text ist im Kontext der Entstehungszeit (sic! 1923) zu betrachten, hat aber nach wie vor einen lokal­geschicht­lichen Wert. Als historisches Dokument stellt er einen Dis­kus­sions­beitrag dar, der heutige Sichtweisen bestätigen oder ergänzen kann.

Bis in die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts (19. Jh. Anm. der Redaktion) hinein hieß die örtliche Stelle im Volksmund „Im Oestern“.

Ist diese Bezeichnung ein Anklang an den Namen der Schwester des altgermanischen Donnergottes Donar: Ostara? Diese altgermanische Göttin galt als die Versinnbildlichung des im Osten aufsteigenden Lichtes, der Morgenröte, des Frühlings und der Fruchtbarkeit. Geweiht war ihr der Hase, und so ist das Häslein der Ostara der Osterhase geblieben, wie ja auch der Name der Göttin beim Auferstehungsfeste der Natur im Frühling verblieben ist.

„Ostar, Ostar,
Edenmutter,
lasse diesen
Acker wachsen,
laß ihn grünen,
laß ihn blühen,
Früchte tragen,
gib ihm Frieden,
daß die Erde sei gefriedet,
daß sie sei geborgen…“

Oder liegen in diesem Wort („Oestern“) die gleichen „Wasser“=Stämme wie in dem Wort Geil i st i r i n kirkin d. i. Gelsenkirchen? Unmittelbar neben dem großen Stein rieselte eines Baches Quelle, die aber jetzt vollständig von der Zechenhalde überschüttet ist. Der Bach führt auf der Landkarte den Namen Baumbach. Er durchfließt (nunmehr: durchfloß) zunächst das Röhlinghauser Tiefenbruch und mündet(e) nach verhältnismäßig kurzem Lauf in den Hüller Mühlenbach. Die alten Bauern nannten den aus dem „Oestern“ kommenden Bach die Bombeke, was als Wodansbach gedeutet wird, wie ja auch aus Wodansbornin oder Bodenbornin das Wort Bommern (bei Witten) entstanden sein soll. So wäre in dem Namen des Bächleins die Erinnerung an den urgermanischen Obergott Wodan festgehalten. Etwa 500 Meter westlich von der Quelle entfernt liegt jetzt noch an der Bombeke in bruchigem Gelände ein Gehöft, das in alten Zeiten Bönnerbrauk oder Bönnerbruch hieß. In seinem ersten Teil weist dieses Wort ebenfalls auf Wodan hin.

Der große Stein, der Name „Im Oestern“, die Bezeichnung des gerade an dieser Stelle quellenden Baches als Bombeke, sowie der Name des alten Bauernhofes Bönnerbrauk deuten wohl mit ziemlicher Sicherheit darauf hin, daß jene Stelle auf der Röhlinghauser „Wilbe“, d. i. Wildbann, wo heutzutage die großen Halder der Zeche Pluto sowie deren Schachtanlagen sich erheben, eine altgermanische Opferstätte war, wo die Druiden ihres blutigen Amtes waltete. Und vielleicht galt auch dieser Stätte die Strafandrohung im „Kapitular“ des Kaisers Karl vom Jahre 785: „Wer an Quellen oder Bäumen oder in Hainen ein Gelübde tut, oder etwas nach heidnischen Brauche verbringt oder zu Ehren der bösen Geister spricht, hat, ist dieser ein Adliger, 60, ist er ein Freigeborener, 30, ist er ein Lite, 15 Schilling zu entrichten. Vermögen Sie aber nicht, die Zahlung gleich zu leisten, so sollen sie in den Dienst der Kirche gegeben werden, bis die Schillinge bezahlt sind.“

Das Gelände südöstlich von „Oestern“ führte noch gegen Ende des 17. Jahrhunderts die Bezeichnung „auf’m Grüggel“ (Greuel, Grusel, Grauen). Daran schloß sich südlich ein „Im Ordale“ genanntes Geländestück an. Ordal bedeutet Urteil, eine Handlung, durch die man eine Entscheidung über Schuld oder Unschuld herbeizuführen suchte.

So schein unweit der vermuteten alten Opferstätte, von dieser durch ein mit wilden Hecken umstandenes „Grüggel“=Gelände getrennt, auch eine alte Gerichtsstätte vorhanden gewesen zu sein. [2]

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Quellen