125 Jahre Stadt Herne 2022
125 Jahre Stadtrechte – Die Geschichte der Stadt Herne
Die Stadt Herne im Ruhrgebiet feierte im Jahr 2022 das 125. Jubiläum ihrer Erhebung zur Stadt im Jahr 1897. Der Weg von einer bäuerlich geprägten Gemeinde zu einer bedeutenden Industriestadt ist eng verknüpft mit der Entwicklung des Steinkohlenbergbaus im Ruhrgebiet. Dieser Artikel beleuchtet die historischen Meilensteine, sozialen Umbrüche und strukturellen Veränderungen, die Herne geprägt haben.
Frühzeit und Mittelalter
Herne wird urkundlich erstmals im Jahr 889 als „Haranni“ erwähnt. Das Gebiet gehörte zum Kirchspiel des gleichnamigen Dorfes rund um die heutige Kreuzkirche. Im Mittelalter war die Region landwirtschaftlich geprägt, mit kleinen Bauernschaften, Höfen und einigen adeligen Besitzungen. Die politische Zugehörigkeit wechselte im Laufe der Jahrhunderte – unter anderem gehörte das Gebiet zeitweise zur Grafschaft Mark und fiel später an Brandenburg-Preußen.
Aufstieg durch den Bergbau (19. Jahrhundert)
Die industrielle Entwicklung setzte im 19. Jahrhundert ein, als im Zuge der Kohlenfunde tiefgreifende wirtschaftliche Veränderungen eintraten. 1856 nahm die Zeche Shamrock in Herne als erste ihren Betrieb auf, bald folgten weitere Schächte wie Mont-Cenis oder Constantin. Die Förderung von Steinkohle brachte einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung mit sich.
Zwischen 1850 und 1897 wuchs die Bevölkerung von wenigen Tausend auf über 20.000 Einwohner an. Menschen aus den ländlichen Regionen Westfalens, dem Rheinland, sowie insbesondere aus den preußischen Ostprovinzen wie Posen, Schlesien oder Ostpreußen zogen in die Stadt, um Arbeit in den Zechen zu finden. Die soziale Struktur Hernes wandelte sich rasant – neue Siedlungen, Schulen, Kirchen und Infrastruktureinrichtungen entstanden in kürzester Zeit.
Stadterhebung 1897
Am 1. April 1897 wurde Herne durch Allerhöchste Kabinettsorder von Kaiser Wilhelm II. offiziell zur Stadt erhoben. Anlass war das anhaltende Bevölkerungswachstum und die zunehmende wirtschaftliche Bedeutung. Der erste Bürgermeister nach der Stadterhebung war Wilhelm Löbbecke, der bereits als Amtmann tätig war und die Stadtverwaltung professionalisierte.
Frühes 20. Jahrhundert und Weimarer Republik
Der Wandel zur Großstadt setzte sich im frühen 20. Jahrhundert fort. 1906 wurde Herne kreisfrei. Die Stadt erhielt repräsentative Bauten wie das neue Rathaus, Schulen und eine moderne Kanalisation. In den 1920er Jahren hatte Herne über 70.000 Einwohner, nach der Eingemeindung des Amtes Sodingen 1928 95.730. Der Bergbau blieb dominierend, allerdings entstanden schon früh begleitend erste Industriebetriebe im Maschinenbau und in der chemischen Industrie.
Die politischen Umbrüche der Weimarer Republik hinterließen auch in Herne Spuren. Arbeiterbewegungen, Gewerkschaften und politische Parteien waren in der Stadt aktiv. In den 1920er Jahren kam es zu mehreren Streiks und Demonstrationen im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Notlage.
Nationalsozialismus und Zweiter Weltkrieg
Mit der Machtergreifung 1933 begann auch in Herne die Gleichschaltung aller politischen und gesellschaftlichen Institutionen. Die Verfolgung von politischen Gegnern, Juden und anderen Minderheiten fand auch hier statt. Während des Zweiten Weltkriegs wurde Herne mehrfach Ziel alliierter Luftangriffe; insbesondere die Zechen und Bahnanlagen galten als strategische Ziele. Zahlreiche Gebäude wurden zerstört, und viele Menschen kamen ums Leben.
Wiederaufbau und Wirtschaftswunder
Nach 1945 begann der Wiederaufbau. Die Stadt profitierte vom Wirtschaftswunder der 1950er und 1960er Jahre, insbesondere durch den weiterlaufenden Kohleabbau. In dieser Zeit stieg die Bevölkerung weiter an. Herne entwickelte sich zu einer typischen Ruhrgebietsstadt mit starkem Arbeiteranteil und lebendiger Vereins- und Kirchenszene.
Zusammenschluss mit Wanne-Eickel
Im Zuge der kommunalen Neugliederung Nordrhein-Westfalens kam es am 1. Januar 1975 zur Eingemeindung der Stadt Wanne-Eickel. Die neue Stadt behielt den Namen „Herne“ bei, auch wenn die alten Stadtidentitäten weiterhin bestehen. Der neue Stadtteil Wanne bietet seither mit der Cranger Kirmes, einem der größten Volksfeste Deutschlands, einen kulturellen Höhepunkt.
Strukturwandel und Gegenwart
Mit der Schließung der letzten Zechen in den 1980er und 1990er Jahren wurde der Strukturwandel unausweichlich. Herne setzte auf Diversifizierung: Gesundheitswirtschaft, IT, Bildung und Dienstleistungen wurden neue wirtschaftliche Standbeine. Die Fachhochschule für Verwaltung des Landes NRW und verschiedene Forschungsinstitute siedelten sich an. Die Ansiedlung des Westfälischen Landesmuseums für Archäologie ist ein herausragendes Beispiel für den umfassenden Prozess der Neuausrichtung, den Herne in den letzten Jahrzehnten durchlaufen hat.“
Trotz Herausforderungen durch Arbeitslosigkeit und demografischen Wandel bemüht sich die Stadt aktiv um Stadtentwicklung, Modernisierung und kulturelle Angebote. Zahlreiche Projekte zur Stadterneuerung, wie der Umbau des Europaplatzes oder die Reaktivierung ehemaliger Industriebrachen, zeugen davon.
Jubiläum 2022
Im Jahr 2022 feierte Herne 125 Jahre Stadtrechte mit einem vielfältigen Programm aus Ausstellungen, Vorträgen, Publikationen und Bürgeraktionen. Die Stadt erinnerte damit nicht nur an ihre Geschichte, sondern betonte auch ihren Anspruch, sich zukunftsfähig und weltoffen aufzustellen.