Besuch in Hernes ältester Ziegelei (1937)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Im Herner Anzeiger wurde am 11. September 1937 ein Artikel über einen Besuch bei der ältesten damals noch laufenden Ziegelei in Herne veröffentlicht. Wir drucken ihn nachfolgend ab um die Arbeit des Ziegelbrennens aufzuzeigen. [1]

Besuch in Hernes ältester Ziegelei
Die einzige, die in Betrieb ist.— Steine entstehen wie Wurstscheiben.
160 000 „Backmänner“ im Feuerofen

Der unersättliche Schlund des Ringofens
Wir stehen hier an einer Öffnung der 16 Kammern des Ringofens. Ein Wagen nach dem anderen wird eingefahren. Insgesamt verschlingt der Ofen, wenn er in seiner ganzen Länge und Höhe gefüllt wäre, 160 000 Steine. (Foto: Schmitz)

Der Lehmboden im südlichen Teil Hernes eignet sich vorzüglich zur Herstellung von Ziegelsteinen. Es ist daher kein Wunder, dass gegen Ausgang des vorigen Jahrhunderts, als die Bautätigkeit in Herne besonders rege war, eine Ziegelei nach der anderen entstand. Schon in den fünfziger Jahren hatte der „große“ Overkamp eine Ziegelei, scheinbar eine Feldbrandziegelei, gehabt, von deren Existenz eine uns vorliegende Rechnung über Ziegelsteinlieferungen Kunde gibt.
Im Jahre 1889 baute die Firma Franz Esser an der Feldstraße den ersten Ringofen.
Die damit verbundene Ziegelei produzierte bei einer Gefolgschaft von 20—27 Arbeitern 2 bis 3 Millionen Steine jährlich. An der Vödestraße, wo sich heute der SA=Schießstand befindet, entstand 1892 die Ringofenziegelei von Seher & Comp., die mit 38 Arbeitern und 3¾ Millionen Steinen Jahresproduktion die größte war. Im Jahre 1896 folgte die Ziegelei von A. Schmidt an der Feldstraße, die später von der Gewerkschaft Mont Cenis übernommen wurde. Sie brachte es bei 20—25 Arbeitern auf 2—2½ Millionen Steine. Im Jahre darauf wurde von der Firma Weusthoff, Sacher & Comp. bei dem jetzigen Schießstand von Cleves[2] hinter Weusthoffs Busch eine weitere Ziegelei erbaut, die zehn Arbeiter beschäftigte und rd. 1¼ Millionen Steine herstellte. Daneben gab es noch Ziegeleien auf der Bochumer Seite des Höhenrückens, der sich an Hernes Südgrenze entlangzieht, so die Ziegelei in Bergen und die an der Zillertalstraße. Weiter bestand eine Ziegelei in Holsterhausen (Sandforths Ziegelei) und eine Ziegelei in Holthausen.
Fast all diese Ziegeleien liegen seit Jahren still oder sind vom Erdboden verschwunden. Nur die Ziegelei in Bergen und die Essersche Ziegelei an der Feldstraße, die heute beide der „Herner Ziegelindustrie, Finke, Jöllenbeck und Schaper“, gehören, arbeiten wieder, die Bergener mit Hilfe des Lehmanfalls, der bei der Erbreiterung der Zechenbahnschlucht von Constantin 4/5 hinter dem Constantiner Wald gewonnen wurde.
Uns interessiert am meisten die Ziegelei an der Feldstraße,
die einzige Herner Ziegelei, die noch bzw. wieder in Betrieb ist.
Viele Jahre hat diese älteste Herner Ringofenziegelei still gelegen, bis sie im vorigen Jahre [1936] wieder in Gang gebracht wurde. Vor einigen Wochen ist auch der Ofen wieder angemacht worden, und nun brennt er wieder unentwegt die trockenen „Lehmbrote“ zu feuerfesten Steinen.
Wenn man heute die Ziegelei an der Feldstraße besucht, so findet man zwar die langgestreckten Trockenschuppen und den Ringofen mit dem hochragenden Schornstein, aber keine Ziegelbäcker, die mit bloßen Füßen an Tischen stehen und den nassen Lehmteig, der vor ihnen aufgeschichtet ist, in die Formkästen klatschen und glattstreichen. Die im Beschicker aus Lehm, Mergel und Kies mit Wasserzusatz hergestellte Masse wird heute durch ein Transportband in eine Maschine geführt, wo der Press= und Formungsvorgang sich vollzieht, ohne dass sich eine Hand zu rühren braucht.
Ein viereckiger glatter Lehmstrang verlässt auf einem Transportband das Mundstück der Presse, und dann schneiden ihn gespannte Stahldrähte in der künftigen Steingröße auseinander. Es ist, als wenn man Scheiben von der Wurst schneidet oder ein Ei durch einen Eierteiler in Scheiben zerlegt. Während früher der Ziegelbäcker bei angestrengtester Arbeit im Handstrich stündlich bis 300 Steine herzustellen vermochte, vermag die Maschine in der Stunde bis zu 4000 Steinen zu formen. Die Maschinenarbeit hat also auch das schwere Los der Ziegelbäcker erheblich zu bessern vermocht.
Wenn die Steine die Maschine verlassen haben, sind sie noch butterweich und lassen sich mit dem Finger eindrücken. Sie müssen daher vorsichtig behandelt werden. Zunächst werden sie für drei Wochen in Trockenschuppen der frischen Luft ausgesetzt. Wenn das Wetter keinen Strich dadurch macht, sind sie dann so trocken und hart geworden, dass man sie in den Feuerofen schaffen kann.

Dieser Feuerofen, der sog. Ringofen.
ist immer noch derselbe, wie er früher war, ein ovaler Backsteinbau mit schrägen Außenwänden und höhlenartigen Öffnungen. Im Innern hat er in der Mitte noch einen ovalen Raum, so dass zwischen Außenmauer und Innenoval ein kanalartiger gewölbter Gang entsteht, der ringsherum führt und den eigentlichen Brennraum darstellt. Er ist in dem Ringofe an der Feldstraße in 16 Abteilungen (Kammern) eingeteilt. An der Decke jeder Kammer ist ein rundes Loch zum Einschütten des Brennstoffes (Kohle). Der Ringofen wird nun so betrieben, dass er fortgesetzt brennt, das Feuer aber von Kammer zu Kammer wandert. Während z. B. in Kammer 1 und 2 das Feuer brennt, schlagen die Flammen durch 3-8 und gehen von dort in den Schornstein. Indessen werden 9 und 10 entleert und 11 und 12 wieder mit ungebrannten Steinen vollgesetzt. Die hier von außen einströmende Luft zieht durch die bereits gebrannten bzw. im Nachfeuer brennenden Steine in 13-16 und kühlt sie ab.
Gleichzeitig wird dabei die Luft vorgewärmt, ehe sie in 1 und 2 dem Feuer den nötigen Sauerstoff zuführt. Die Temperatur, unter der die Ziegelsteine während des Brandes stehen, beträgt 800—1000 Gr.
Jede Kammer faßt 10 000 Steine, der ganze Ofen also 160 000 Stück (der in Bergen sogar 220 000). In elf Tagen ist das Feuer einmal durch alle Kammern gewandert, acht Tage davon sind die Steine der Glut ausgesetzt, die übrige Zeit ist nötig zum Anwärmen und Abkühlen.
Jeden Tag sind 15—20 000 Steine so weit, dass sie herausgeholt werden können. Der Bedarf des Baumarktes ist so groß, dass täglich 10-15 000 Steine an die Baustellen abgehen, der Rest wird aufgespeichert und bildet eine wertvolle Reserve für die feuchte Jahreszeit, wo keine Steine hergestellt werden können. Insgesamt können an der Feldstraße 1½ Millionen Steine auf Lager genommen werden.
Die Ziegelei an der Feldstraße beschäftigt gegenwärtig 35 Arbeiter. Davon stammen die Fachkräfte wie Ziegelmeister, Ofensetzer, Brenner aus dem Lippischen.
Sie kommen also aus der Heimat der Ziegelbäcker und haben nebenbei die Aufgabe, die Herner Arbeitskräfte anzulernen. Denn auch das Zieglerhandwerk will gelernt und verstanden sein.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z.B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i.d.R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bie diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Der Historische Verein Herne/Wanne-Eickel e. V. gibt die Texte (zu denen auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen vom Historischen Verein Herne/Wanne-Eickel e.V. inhaltlich geteilt werden.




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Quellen

  1. online auf Zeitpunkt.nrw
  2. Waldmansheil, jetzt Elsäßer Stuben