Aus der Geschichte der Bahnhofstraße VIII

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Originaltext aus dem Herner Anzeiger vom 11. Januar 1936. Abgeschrieben und mit neuen Überschriften versehen von Andreas Janik.

Aus der Geschichte der Bahnhofstraße

Ein Stück alte Herner Postgeschichte

VIII.

Datei:HA-1936-01-11-Bahnhofstraße-Postamt-Meinhardt.jpg
Bis 1895 Herner Postamt (heute [1936] Geschäftshaus neben Hotel Meinhardt. Bildquelle: Stadtarchiv Herne

Einen besonderen Grundstückskomplex bilden die Grundstücke von M e i n h a r d t. (Die Meinhardt sind eine alte Herner Familie. Ein Meinhardt wohnte 1823 an der Ecke Shamrock= und Bahnhofstraße, ein anderer an der Altenhöfener Straße.) Da ist zunächst das Grundstück, auf dem das Haus

Bahnhofstraße 112

steht. In ihm befindet sich heute der Frisiersalon Fleischer. Es gehörte zur Parzelle 8 der Flur "In der Koppenburg", die 1811 bei der Strünkeder Versteigerung von Hentrey (später Lechtape) an der Rosenstraße erworben wurde. Von diesem kaufte es 1852 für 200 Tlr. der nebenan schon wohnende Maurer Wilhelm Meinhardt, der es erst nach 1870 bebaute. Die auf ihm zuerst in der Katasterkarte verzeichneten Gebäulichkeiten waren 1877 nicht mehr vorhanden, sondern ersetzt durch ein Wohnhaus mit Schuppen und Remise. Dieses Wohnhaus ist das heute noch vorhandene Gebäude. Es hat eine besondere Bedeutung gehabt, denn es war P O S T G E B Ä U D E. Südlich neben ihm stand ein schmaler, durch kleine Anbauten im Hofe erweiterter Nebenbau (vermutlich Kegelbahn), der zu der dann folgenden Gastwirtschaft gehörte, von der 1883 und später eine P a s s a g i e r s t u b e besonders erwähnt wird. Das Postgebäude zeigt unser Bild, auf dem außer der Inschrift "Kaiserliches Postamt" (die Reichspostverwaltung wurde 1871 geschaffen) noch ein alter P o s t w a g e n zu sehen ist. (Der oberste Teil des Hauses hat heute noch dasselbe Aussehen, besonders der Würfelfries ist dafür bezeichnend.) Die Personenpost von Bochum über Herne nach Recklinghausen wurde 1836 (also vor 100 Jahren) eingerichtet. Sie ging zunächst über die alte Landstraße Herne-Bochum, die an Hiltrop vorbei durch die Herner Mark über die Wiescherstraße kam, nach 1842 über die neue Chassee, die über Riemke gelegt war. Ihre Hauptbedeutung hatte die Personenpost nach 1847 als Zubringerin zur Bahnhstation Herne-Bochum. Deshalb verkehrte sie auch dreimal am Tage. Der Fahrpreis von Bochum nach Herne betrug 6 Silbergroschen. Die Fahrzeit dauerte von Bochum bis Recklinghausen 3 Stunden! Wann die Personenpostverbindung Herne-Bochum aufhörte, ist nicht bekannt. Sie verlor jedenfalls an Bedeutung, als im Jahre 1860 Bochum eigene Eisenbahnverbindung (Bergisch-Märkische Strecke) erhielt und besonders, als 1875 die (1870 eröffnete) Güterstrecke Bochum - Riemke - Herne, die von der Bergisch-Märkischen Bahn erbaut war, für den Personenverkehr freigegeben wurde. Die Personenpost Herne - Recklinghausen ist bis zum 31. März 1889 betrieben und dann durch eine häufigere Privat-Omnibus-Verbindung ersetzt worden. Im Jahre 1894 kam die Straßenbahn Herne-Bochum und 1898 die Straßenbahn Herne-Recklinghausen in Betrieb. Sie sind aber erst nach dem Neubau des Bahnhofs zu einer durchgehenden Schienenverbindung vereinigt worden. Bis dahin endigten sie südlich und nördlich der Eisenbahn und Fahrgäste, die weiterfahren wollten, mußten umsteigen.

weitere Postgebäude

Das Postgebäude Meinhardt ist also Schlußstation des zum Bahnhof Herne gehenden Personenpostverkehrs und Ausgangspunkt des Verkehrs von dort nach Bochum und Recklinghausen gewesen. Allerdings sind ihm andere Posträume vorausgegangen. Sie dürften zuerst bei Cremer gt. Ecker auf dem alten Markt gewesen sein, nach Schaefer befanden sie sich von 1850 bis 1868 auf dem Bahnhof, dann wieder auf dem Alten Markt (wo, sagt er nicht), um darauf nach Meinhardt verlegt zu werden. Als sie hier nicht mehr ausreichten, hat Schaefer, der damals Amtmann war, 1888 einen Bauunternehmer willig gemacht, ein neues Dienstgebäude zu errichten und an die Post zu vermieten. (Das war, wie der Fall Meinhardt und später Seher zeigt, so Brauch) Das Haus sollte an der Ecke der Heinrich= und Bahnhofstraße, wo jetzt das Haus Klische steht, erbaut werden, und zwar unter hinzufügung des niederzulegenden Haus Kölster und eines größeren Hinterlandes. Die Gemeindevertreter billigten den Plan, auch der Oberpostdirektor war ihm geneigt, man sah jedoch aus finanziellen Gründen in Berlin "vorläufig" davon ab. Die Gemeinde wollte, daß die Post mehr vom Bahnhof weg zum alten Herne, also nach Süden, verlegt werde. Diesem Bestreben entsprang auch der abgelehnte Plan. So handelte die reichspostverwaltung auch entgegen den Wünschen und Bitten der Gemeinde, als sie den Kaufmann Otto Seher an die Ecke Bahnhof= und Fabrikstraße einen Postneubau errichten ließ, den sie 1895 anmietete und in den sie von Meinhardt aus zog. Doch über diesen Bau wird weiter unten zu sprechen sein.

Hotel Meinhardt

Datei:HA-1936-01-11-Meinhardt-Bahnhofstraße.jpg
Eines der alten Meinhardtschen Häuser beim Abbruch. So entstand anstelle eines häßlichen Hauses die heutige unschöne Baulücke gegenüber dem Bahnhof.

Zunächst sei in der Betrachtung der Meinhardtschen Grundstücke fortgefahren. Das heutige H o t el M e i n h a r d t ist im Jahre 1900 unter Einbeziehung der Stelle, wo die Kegelbahn stand, inder Lücke errichtet worden, die sich zwischen dem Postgebäude - dieses ging 1931 in den Besitz des Fabrikanten Karl Veuhoff über, der eine Berta Meinhardt geheiratet hatte und der es 1933 im Erdgeschoß umbauen ließ, nachdem es schon 1896 Geschäftshaus geworden war - und dem z w e i t e n M e i n h a r d t s c h e n H a u se, jetzt Baulücke, befand. Dieses zweite Haus - 1928 abgebrochen (siehe Bild) - und das dann folgende d r i t t e M e i n h a r d t s c h e H a u s (jetzt Cafe Goebel) standen auf Grundstücken, die zur Parzelle 9 der Flur "In der Koppenburg" gehört hatten. Diese Parzelle hatten 1811 die Eheleute Georg Drevermann für 251 Rtlr. 16 stb. 4 Pfg. erworben und noch im gleichen Jahre an die Eheleute Diederich Schumacher und Anna Cath. geb. drevermann übertragen. Die letztere heiratete in zweiter Ehe Georg Düppe gt. Drevermann, der 1825 das Grundstück an den leineweber Engelbert Meinhardt und seine Frau, Anna Elisabeth geb. Hangohr, für 351 Rtlr. gemein Geld verkaufte.