Bodenverhältnisse in und um Herne (Lindemann 1926) III
Zwischen dem 22. Februar 1926 und dem 11. März 1926 erschien in der Lüner Zeitung eine 5teilige Artikelserie über die Bodenverhältnisse in Herne von einem Herrn "S. Lindemann". Wir zitieren diesen interessanten Bericht über die Geologie unserer Heimat in der vorgegebenen Reihenfolge.[1]
I.
Bodenverhältnisse in und um Herne
von S. Lindermann.
(Fortsetzung.)
2. Die Eiszeit.
Für Nordeuropa nehmen wir drei Eiszeiten an. Von Skandinavien und Finnland der wälzten sich gewaltige Eismassen nach Süden, wo vor einigen hunderttausend Jahren eine bedeutende Temperaturerniedrigung erfolgte. In der ersten Eiszeit reichte die Vereisung nur bis in die Gegend von Hamburg. Später wich das Eis infolge Temperaturerhöhung im Süden wieder zurück. Es war die erste Zwischeneiszeit. Danach drangen die Eismassen abermals vor und gelangten diesmal in unsere Heimat, bis zum Arden und Haarstrang. Nach der zweiten Zwischeneiszeit kamen sie nur bis zur Lüneburger Heide, um sich dann für dauernd nordwärts zurückzuziehen. - In der zweiten Eiszeit sind also die Eismassen an weitesten nach Süden vorgedrungen. Auf ihrem Wege hierher haben sie von dem Untergrunde Gesteinsmassen mit hierher transportiert. Als das Eis später schmolz, blieben diese mitgeführten Gesteine zurück. Besuchen wir wieder unsere Aufschlüsse - die Ziegelei am Kommunalfriedhof zeigt in ihrem Aufschluss das beste Bild -, um einen Eindruck zu bekommen von der Art und dem Umfange des mitgeführten Materials. Über den festen Schichten des Emscher=Mergels finden wir hier zunächst ein weiches, plastisches Gestein, den Tonmergel. Er gehört noch nicht der Eiszeit an. Es sind die obersten, verwitterten Schichten des Emscher Mergels. Die Mächtigkeit der Verwitterung ist an den einzelnen Stellen verschieden groß. Das hängt von der Exposition der betreffenden Schichten zu den Verwitterungseinflüssen ab. Untersuchen wir diesen Tonmergel. indem wir ihn mit etwas verdünnter Salzsäure begießen, so finden wir, dass er aufzischt. Damit in der Beweis für das Vorhandensein von Kalk geliefert. Der gleiche Versuch mit dem festen, darunter lagernden Mergel zeigt uns ein viel kräftigeres Aufbrausen der Kohlensäure im Kalk. Es ergibt sich, dass der Tonmergel geringere Mengen an Kalk enthält. Durch die Witterungseinflüsse ist ihm dieser entzogen worden. Dafür ist der Ton umso reichlicher vorhanden. Wir haben es also mit kalkarmem Mergel zu tun, der, weil der Tongehalt überwiegt, Tonmergel genannt wird. Im Gegensatz hierzu bezeichnet man den festen Mergel mit Kalkmergel. - Über diesem Tonmergel finden wir als jüngstes Glied der Eiszeit den Geschiebemergel. Durch den Druck der mächtigen, sich vorwärts schiebenden Eisdecke wurden die darunter liegenden Gebirgsschichten, wenn sie wenig widerstandsfähig waren, wie zum Beispiel der Emscher=Mergel, vollständig umgelagert. Hierfür kamen in erster Linie die verwitterten Tonmergel in Frage. In die zerriebenen Massen wurden Geschiebe fremder Gesteine hineingeknetet, die der Gletscher mit sich führt. Die auf diese Weise entstandene schichtungslose Grundmoräne nennt man Geschiebemergel. Der Geschiebemergel, der sich in den hiesigen Aufschlüssen zeigt, ist arm au fremden Geschieben.— Der Grund dafür soll später angegeben werden.— Wir haben hier vorzugsweise Material aus den benachbarten nördlichen Gegenden vor uns, aufgearbeiteten Mergel. Solche Ausbildung des Geschiebemergels bezeichnet man mit Lokalmoräne. Fand das Eis auf seinem Wege Widerstand durch anstehende Gesteinsmassen, so zertrümmerte es diese mehr oder weniger und legte die einzelnen Schichten in Falten. So kommt es, dass die Schichtung im Mergel zum Teil auseinandergerissen ist, wie wir das in den Aufschlüssen beobachten können. Die unteren Schichten liegen meist horizontal, während die oberen schräg aufwärts oder abwärts gerichtet sind. Über und wohl auch unter dem Geschiebemergel finden wir Grade, das sind Gerölle von Nut= bis Stecknadelkopfgröße, und Sande. Diese Sande und Grande bilden in den Ziegeleien die Grenze für das Abstechen des Bodens. Die Ziegeleiarbeiter bezeichnen den Sand hier bei uns mit Schmiersand. Anderswo ist wohl auch der Name Senkel gebräuchlich. Die Grande und Sande setzen sich ähnlich wie die Lokalmoräne aus fremdem und heimischem Material zusammen. Die Diluvialen (eiszeitlichen) Sande verraten den Anteil nordischen Materials an ihrer Zusammensetzung in der Regel durch ihren Feldspat Gehalt, der aus den Graniten des Nordens stammt. Damit unterscheidet er sich von den reinen Quarz= oder Glimmersanden des Tertiärs. Weiter südlich von uns befinden sich in diesen unterdiluvialen Sanden Reste von Kohlen, die die Gletscher dort, wo sie entstanden, mitnahmen. Fehlen die Sande und Grande über dem Geschiebemergel, dann wird wohl auch letzterer zu Ziegeln verarbeitet. Im Gegensatz zu den roten Ziegeln des Lehmbodens sind sie gelb. Weil aber in unserer Gegend die Schicht der unterdiluvialen Sande meist zu mächtig ist (1-2 Mtr.), so lohnt sich ihr Abbau nicht, um die meist nur geringe Schicht des Geschiebemergels zu verarbeiten.— Wir haben gesehen, dass der Geschiebemergel das erste Glied der Eiszeit ist. Unter ihm lagern die Schichten der Kreidezeit. Demnach hat zwischen dieser und jener Zeit keine akkumulierende (aufbauende) Tätigkeit mehr stattgefunden. Im Zeitalter des Tertiärs waren in unserer Gegend die Kreideschichten unbedeckt. Das Meer hatte sich zurückgezogen. Die Verwitterung konnte bis zum Eindringen der Eismassen ungestört ihren Einfluss ausüben. Die stellenweise tiefe Verwitterungskrume des Emscher Mergels ist so gebildet worden, später das Material für die Lokalmoräne liefernd.
Betrachten wir die aufgeschlossenen Schichten in der Ziegelei weiter. Es folgt nach oben das älteste Glied der Eiszeit, der Lehm, den man mit Lößlehm oder kurz Löß bezeichnet. Es ist ein staubfeines, ziemlich gleichmäßiges Material, gelb oder braun, streifenweise hell und dunkel gezeichnet. Das sind sogenannte „Eisenkonzentrationslinien“. Früher glaubte man, dass der Löß kalkfrei sei. Das trifft jedoch nur für die obersten Schichten zu. Das kohlensäurehaltige Wasser verwandelt den im Löß enthaltenen kohlensauren Kalk in löslichen doppelkohlensauren Kalk. Dadurch werden die obersten Schichten kalkfrei. Das Wasser führt aber den aufgelösten Kalk mit in die untersten Schichten, wo er sich wieder verfestigt. Es bilden sich hier Kallknollen, sog. Kalkkonkretionen, die sich meist um Pflanzenreste, die in dem Lößstaub eingebettet sind, oder um Sandkörnchen konzentrieren. Über die Entstehung des Lößes schreibt das „Geologische Heimat= und Wanderbuch“ von A. und F. Franke, Verlag Ruhfus (Dortmund) folgendes: „Nach dem Abschmelzen des Inlandeises blieb der Geschiebemergel zurück. Weite Strecken waren baumlos. Also war die Oberfläche dem Winde preisgegeben. Die feinen tonigen und sandigen Bestandteile der Grundmoräne wurden durch den Wind herausgeblasen, weggeführt und an anderen Stellen wieder abgesetzt. Diese gleichmäßige, umgeschichtete Ablagerung des Windes nennt man Löß.“ Man bezeichnet den Löß deshalb wohl auch als äolische — d. h. eine durch den Wind entstandene— Bildung. In unserer Gegend ist der Löß weit verbreitet. Er findet sich sowohl in den Tälern als auf den Höhen. Hier bildet er oft die oberste Schicht an der Tagesoberfläche. Das Verbreitungsgebiet reicht weiter nach Süden als das der übrigen diluvialen Ablagerungen, was sich aus der oben angeführten Entstehungsweise leicht ergibt. Der Löß überlagert bei uns teils die Sande des Diluviums, teils die Schichten der Kreide. Nach Süden zu bedeckt er die Schichtköpfe des anstehenden Steinkohlengebirges und reicht bis zum Ardey. — Für den Bauer ist der Löß von großer Bedeutung. Er gibt einen fruchtbaren Ackerboden ab und ist gut zu bearbeiten. Da die einsickernden Wasser die oberen Schichten mit der Zeit entkalken, so muss dem Boden neue Nahrung zugeführt werden. Diese wird den naheliegenden „Mergelkuhlen" entnommen. — Für die Verarbeitung zu Ziegeln ist der Löß vorzüglich geeignet. Sie bilden deshalb den Hauptbaustoff für unsere Häuser. In einigen Ziegeleien wird der Lehm mit feingemahlenem Schiefermaterial vermengt und dann gebrannt.
Verwandte Artikel
- Hauptseite (← Links)
- Bodenverhältnisse in und um Herne (Lindemann 1926) II (← Links)
- Bodenverhältnisse in und um Herne (Lindemann 1926) IV (← Links)
