Bodenverhältnisse in und um Herne (Lindemann 1926) II
Zwischen dem 22. Februar 1926 und dem 11. März 1926 erschien in der Lüner Zeitung eine 5teilige Artikelserie über die Bodenverhältnisse in Herne von einem Herrn "S. Lindemann". Wir zitieren diesen interessanten Bericht über die Geologie unserer Heimat in der vorgegebenen Reihenfolge.[1]
I.
Bodenverhältnisse in und um Herne
von S. Lindermann.
(Fortsetzung.)
1. Die Kreidezeit
An der Straße vom Holthauser Bruch nach Castrop reiht sich Quelle an Quelle. Desgleichen ist der Abhang zur Mont=Cenis=Straße sehr quellenreich. Wird beim Ausschachten eine Wasserader angestochen, so fließt das Wasser mit ziemlicher Stärke heraus, wie es augenblicklich bei der Kanalisation der Hermannstraße in Holthausen der Fall ist. Das Arbeiten wird dadurch sehr erschwert.
Letzten Endes hat die allgemeine Kanalisation in hiesiger Gegend den Zweck, für genügenden Abfluss zu sorgen, der durch den Emscher Mergel wenig gefördert wird.— Im Zusammenhang hiermit soll auf die Wasserführung des Emscher Mergels und der ihn einschließenden Schichten eingegangen werden. Wo die Kreide vollständig ausgebildet ist, da finden wir über dem Emscher Mergel eine Wechsellagerung von lockeren Sanden und festen kalkreichen Mergelbänken, das Senon, das erst im Recklinghäuser Gebiet angetroffen ist. Unter dem Emscher Mergel liegt das Turon, ein weißer Mergel. Darunter befindet sich dann noch das zur Kreide gehörige Cenoman (Essener Grünsand), bis wir anf die Schichten der Kohleformation stoßen. Das Senon ist sehr wasserreich, das Turon bald sehr wasserreich, bald wasserarm. Der Grund dafür liegt in der Beschaffenheit des Gesteins. Der Essener Grünsand und der Emscher Mergel sind meist so tonreich und plastisch, wie schon oben erwähnt, dass sich weder Klüfte darin offen halten, noch von oben die Wasser durchsickern können. Der harte, feste Mergel des Turons ist an vielen Stellen von einem Netzwerk offener Austrocknungsklüfte durchzogen, die zur Wasseransammlung geeignet sind. Die Recklinghäuser Sande des Senons vermögen sich infolge ihres lockeren Gefüges und des Mangels toniger Bestandteile nicht gegen die vom Tage her eindringenden Wasser abzuschließen.— Die Wasser des Emscher Mergels sind größtenteils Süßwasser, dagegen ist das Turon reich an Solen. Im Senon ist bisher noch nie eine Solquelle entdeckt worden. Es ist demnach der Emscher Mergel das oberste Glied der Kreide des Münsterschen Beckens, welches Sole führt. Beim Abteufen der ersten Schächte der Zeche Constantin der Große stieß man in dem klüftigen, weißen Mergel auf salzhaltiges Wasser. Der Bergmann kennt die Kluftspalten des Turons, die oft Solquellen mit freier Kohlensäure und Petroleumgasen führen. Nach Huyssen hat man in einer ganzen Anzahl von Bohrungen im Turon schon 1855 schwache Solen angestoßen, so z. B. bei Herne und Haus Bladenborst.
Der Emscher Mergel ist das mächtigste Glied der Kreideformation, das für den Bergmann in Frage kommt. Aufschlüsse in unserer Gegend auf Constantin 6, Graf Schwerin und König Ludwig 4 zeigen Werte für die Mächtigkeit des Emscher Mergels von 58 Meter, 107 Meter, 320 Meter. Mit der Entfernung von der Küste nehmen die Ablagerungen des Meeres an Ausdehnung in der Tiefe zu. Bedenken wir, dass wir in der Nähe des südwestlichen Küstenrandes des ursprünglichen Emscher Meeres liegen, so ist es erklärlich, dass die Mergelschichten nach Nordosten zu mächtiger werden. Dies geht schon aus den obigen Werten hervor. Das nordöstliche Profil durch die Ablagerungen des Kreidemeeres zeigt die Gestalt eines Keiles, dessen obere Kante etwa horizontal verläuft, während die untere nach Nordosten zu mit 2-3 Grad einfällt. Wir können daraus in etwa die Mächtigkeit der Kreide in den einzelnen Zonen berechnen, die in der Gegend von Ahlen i. W. 700 bis 800 Meter beträgt. Als Meeresablagerung ist der Emscher Mergel geschichtet. Die Schichtung tritt deutlich in die Erscheinung in der „Mergelkuhle" des Beimbergs=Sodingen, der Holthauser Ziegelei, des Weinbergs in Holthausen und des Hüpenbergs in Holthausen=Castrop. Überhaupt sind diese Aufschlüsse für das Studium der Verhältnisse im Emscher Mergel wohl geeignet. Sonst sind gute Einblicke in den Mergel infolge der leichten Verwitterbarkeit des milden grauen oder bläulichen Gesteins an der Tagesoberfläche spärlich. Der leicht zerfallende Mergel dient infolge seines Kalkgehalts zur Düngung der Felder. Aus den wie Inseln aus der Landschaft hervorragenden Mergelerhebungen fährt ihn der Bauer auf sein Geld, wodurch er in der „Mergelkuhle" zugleich die Schichten freilegt. Die leichte Verwitterbarkeit ist die Ursache, dass Versteinerungen in den Aufschlüssen nicht sehr häufig angetroffen werden. Diese sucht man am besten in frischen Aufbrüchen. Bei hiesigen Ausschachtungen wurden neuerdings wieder einige große Exemplare von Inoceramen gefunden.
2. Die Eiszeit
Die erwähnten Mergelinseln sind Erhebungen, die in das ruhige Bild der Landschaft etwas Abwechslung bringen. Wie erklären wir uns deren Entstehung? Um diese voll zu würdigen, müssen wir eingehen aus den Geschehnissen, die sich in der Nachkreidezeit in unserer Gegend abspielten. Mit der Kreideformation schließt das Mesozoikum, das Mittelalter der Erdgeschichte, ab. Es folgt das Känozotkum oder die Neuzeit. Dieser Zeit gehören an das Tertiär und das Quartär. Das Tertiär, wohl auch Braunkohlenformation genannt, liegt bei normaler, d. b. dem Alter entsprechender Folge den Schichten der Kreideformation auf, ist jedoch in unserem Gebiet nicht vertreten.— Der Name Tertiär ist unpassend. Er stammt aus der Zeit, da man die Schichten der Erdrinde in vier Gruppen einteilte: Primär=, Sekundär=, Terttär= und Quartärformation.— umso wichtiger ist für uns das dem Tertiär folgende Quartär. Das jüngste Glied desselben ist das Diluvium, dem das Alluvium folgt, die Zeit, in der wir heute leben. Diluvium bedeutet Sündflut. Die Diluvialablagerungen wurden nämlich früher als „Schwemmland“, und zwar als Absatz aus dem Wasser der Sündflut aufgefasst. Heute weiß man jedoch, dass die Ablagerungen einer Zeit angehören, die das Festland mit gewaltigen Eismassen bedeckt sah, und die man deshalb besser als Eiszeit bezeichnet. Die folgenden Ausführungen sollen vom Einfluss derselben in unserer Gegend handeln.
Verwandte Artikel
- Hauptseite (← Links)
- Bodenverhältnisse in und um Herne (Lindemann 1926) (← Links)
- Bodenverhältnisse in und um Herne (Lindemann 1926) III (← Links)
Quellen
- ↑ https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/zoom/7575510 Vgl. Online Quelle auf Zeitpunkt.NRW]
