Eine Chronik aus dem Siebenjährigen Kriege (Reiners 1935)
Am 13. April 1935 veröffentlichte Leo Reiners im Herner Anzeiger einen weiteren Artikel seiner Forschungen, hier über „eine Chronik aus dem Siebenjährigen Kriege“. [1]
Eine Chronik aus dem Siebenjährigen Kriege.
Da wir einmal bei Familienaufzeichnungen über Kriegsereignisse sind, sei auch noch eine kleine Chronik über den Siebenjährigen Krieg erwähnt. Wir fanden sie ebenfalls in dem oben genannten großen von 1645-1868 geführten Notizbuch vom Diedrichshof.
Dort heißt es:
- „Anno 1757 ist die franzög arme hier in lad gekom do hat man liefer mußen hey haber stroh do sie gezogen biß honnover 1758 haben sie zur Vehlich hauß gestan do haben sie gefurchbor Von der balk und schreüer und heü und als aus der gerten Anno 1759 und 1761 und 1762 haben sie die felde abgeschnitten da haben zu bochum gestanden und ab luckendörfen biß zur unna und Daß Korne ist so Theüe ein scheeffel rogen 4 Rthl Anno 1763 ist frieden word und vielen leute haben Verde Wagen Kart auß die forten behalten"
Diese Chronostichen Aufzeichnungen sind leider sehr unvollständig und sprunghaft. Sie wollen offenbar besagen, dass 1757 die Franzosen auf dem Marsch nach Hannover hier durchs Land gezogen seien, dass die Bauern für sie Heu, Hafer und Stroh hätten liefern müssen, dass sie 1758 zur „Vehlich hauß"(?) gestanden und furchtbare Drangsale mit sich gebracht hätten. Sie hätten alles vom Balken, von der Scheuer, vom Heuboden und aus den Gärten an sich genommen, in den dann folgenden Jahren, wo sie in Bochum und von Lütgendortmund bis Unna gestanden hätten, hätten die Truppen das Korn vom Felde abgeschnitten. Die Folge dieser Vorgänge sei eine Teuerung gewesen, die den Scheffel Roggen auf 4 Reichstaler getrieben habe. 1763 sei dann Frieden geworden und viele Leute hätten Pferde, Wagen und Kartoffeln(?) behalten. (Soll das heißen, dass sie sie von Amtswegen als Ersatz für requiriertes Gut erhalten haben? Wenn hier tatsächlich Kartoffeln gemeint sind, dürfte es sich wohl gleichzeitig um Maßnahmen zu ihrer weiteren Verbreitung handeln.)
Verständlicher werden uns die Angaben der kleinen Chronik durch die Schilderung der größeren Zusammenhänge. Im Siebenjährigen Kriege stand nämlich England, dem Hannover in Personalunion verbunden war, auf Seiten Friedrichs des Großen. Frankreich wie auch Russland, Schweden und Sachsen auf Seiten Maria Theresias. Während der Krieg sich hauptsächlich in den östlichen Provinzen abspielte, drangen zwei französische Heere, das eine über den Niederrhein, das andere über den Mittelrhein, in nordöstlicher Richtung vor. Das erstere besiegte auf dem Marsch nach Hannover bei Hastenbeck an der mittleren Weser den Herzog von Cumberland (den Sohn des englischen Königs Georgs II.) Durch die Konvention von Kloster Zeven (bei Bremen) ließ dieser zu, dass das ganze englische Heer außer Gefecht gesetzt wurde. Die zweite französische Armee, die nach Thüringen vorgedrungen war, wurde in der Schlacht bei Katzbach von Friedrich dem Großen besiegt. Im Jahre 1758 erhielt der Herzog Ferdinand von Braunschweig, da Georg II. die Zevener Konvention seines Sohnes nicht anerkannte, den Oberbefehl über das hannoversche Heer, dem auch braunschweigische, hessische und schaumburg-lipp. Truppen angehörten. Der Herzog von Braunschweig trieb die Franzosen aus Hannover und Westf. über den Rhein zurück und besiegte sie am 23. 6. 1758 bei Krefeld. Da aber ein 2. franz. Heer vom unteren Main her anrückte, musste er sich wieder vom Niederrhein zurückziehen. Im Frühjahr 1759 vereinigte sich die französische Armee am Niederrhein, die jetzt unter Marschall Contades stand, mit der am Main unter Herzo[g] Brogsio, beide drangen nach Westfalen vor, das Anfang Juli fast ganz in ihren Händen war. Ein Teil der Armee Ferdinands von Braunschweigs stand bei Lippstadt, die Hauptarmee bei Münster und Osnabrück. Minden wurde trotzdem von den Franzosen überrumpelt, aber am 1. August wurde Contades bei Minden von dem Herzog von Braunschweig, der nachgerückt war, entscheidend und so verlustreich geschlagen, dass er den größten Teil Westfalens und Hessens räumen musste. Auch während der nächsten Jahre, die für Friedrich den Großen sehr schwer und kritisch waren, wurden die Franzosen von dem Braunschweiger in Schach gehalten. Im Herbst 1762 konnte er ihnen Kassel entreißen, dann nahte sich der Friedensschluss von Hubertusburg (1763).
- In diesem Gesamtbild ist der kleine Bericht von den Herner Kriegserlebnissen ein wertvoller ortsgeschichtlicher Beitrag.
Er wird noch ergänzt durch andere Quellen, aus denen wir wissen, dass 1757 beim Einrücken der Franzosen in die Mark Bochum und dessen Nachbarschaft besetzt wurden. In Hattingen und Blankenstein wurden Magazine eingerichtet, an die 4750 Pfund Heu, 20000 Bund Stroh und 25.000 Rationen Hafer geliefert werden mußten (s. unsere Chronik: „Do hat man liefer mußen hey hober stroh"). Die Erwähnung der Plünderung von Balken, Scheuer und Gärten im Jahre 1758 scheint die Zeit nach der Schlacht bei Krefeld zu betreffen. Auch in den späteren Jahren waren die Franzosen hier. Die Bemerkung, dass sie von Bochum bis Unna gestanden hätten, scheint in Beziehung zu der Armeegruppe bei Lippstadt zu stehen. Die Besiegung bei Minden hat offenbar unser Gebiet nicht befreit, denn 1761 und 62 haben die Franzosen hier das Korn vom Felde abgeschnitten. Von dem seit 1759 mit der Führung der französischen Niederrheinarmee beauftragten Marschall Contades erhielt übrigens der Freiherr von Strünkede einen Schutzbrief, in dem jede Requisition und Verwüstung innerhalb seines Gerichtsbezirks durch französische Soldaten verboten war. Ob das viel genutzt hat, erscheint zweifelhaft, jedenfalls hat jene Franzosenzeit für unser Gebiet allerlei Drangsale und schwere Opfer mit sich gebracht, die es wohl möglich erscheinen lassen, dass, wie aus dem Schluss der kleinen Bergener Chronik hervorzugehen scheint, nach dem Friedensschluss den Bauern Pferde, Wagen und Saatfrüchte gegeben werden müssten.
Dr. L. R.
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Quellen
- ↑ https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/pagetext/21295244 Vgl. Online Quelle auf Zeitpunkt.NRW f.
