Kaiserhalt am Bahnhof Wanne 1884

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Der alte Bahnhof Wanne

Es muss ein aufwendiges Unterfangen gewesen sein, wenn der Kaiser durch das Reich reiste.
Zwar versprach die Eisenbahn ein zügiges Vorankommen, doch waren es gerade die Menschen am Wegesrand, die das Tempo drosselten – nicht aus Unachtsamkeit, sondern aus ehrfürchtigem Wunsch, den hohen Gast gebührend zu empfangen.
Überall wurden Stationen geschmückt, Menschen versammelten sich, Musik spielte, und Fahnen flatterten im Wind.

Ein besonders denkwürdiger Halt ist für den 24. September 1884 überliefert: Wilhelm I. reiste auf der Strecke zwischen Köln und Münster – eine Verbindung, die bis heute besteht. In Gelsenkirchen rauschte der kaiserliche Zug ohne Halt vorbei, ein Zeichen der Geschwindigkeit und Entschlossenheit seiner Reise. Doch in Wanne, da verlangsamte sich die Fahrt. Dort, an diesem Bahnhof, hielt der Kaiser. Ein Moment, der sich ins Gedächtnis der Stadt eingeschrieben hat – als Geschichte für einen Augenblick stillstand und der Kaiser in Wanne verweilte.

Vgl. J. Hegenberg, S. 167 auch wenn er als Station Herne angibt!

Die Emscher Zeitung berichtete in der damals typisch Art und weise: Lesen Sie selbst:

"Der Kaiser in Westfalen.

(Original=Bericht der Emscher=Zeitung.)

Gelsenkirchen, 24. September.

Ueber den Kaiser in Gelsenkirchen

haben wir leider nur sehr wenig zu berichten, weil der hohe Herr eiligst durchfuhr. Viele Fahnen am Bahnhofe, von den industriellen Werken, den Häusern, den Kirchtürmen wehten dem Landesfürsten entgegen. Gegen 11 Uhr schon füllte sich der Bahnhofsplatz mit Menschen, sodaß gegen ½12 Uhr, als der Kaiser mittels Sonderzuges im mit Guirlanden bekränzten Wagen die hiesige Station passirte, der Volkshaufen bis zum Wil­helmine Victoria=Geleise dicht gedrängt stand. Auf Zeche Alma wurden zur Feier des Tages Böllerschüsse abgefeuert. So konnte sich unter dem Jubel und Hochrufen der Zug bis zum Bahn­hofe Wanne bewegen.

Der Kaiser in Wanne

hat schon eher Sinn. Dort hielt der kaiserliche Zug ungefähr 10 Minuten. Tausende hatten sich auf die früh genug verbreitete Nachricht, daß der Kaiser auf dem Wanner Bahnhofe frühstücken würde, dort eingefunden. Herr Landrat Schmieding aus Bochum, die Herren Amtmänner benachbarter Aemter, teils mit eisernen Kreuzen im Feldzuge ausgezeichnet, und viele Ordenspersonen, auch die Herren Geist­lichen von Eickel und Crange, hatten sich zusammen­gefunden.
In huldvoller Weise unterhielt sich unser lieber Kaiser mit Herrn Landrat Schmieding, welcher mehrere Herren dem hohen Herrn vorstellte. Die Menge stimmte brausend „Heil Dir im Sieger­kranz“ an, während der Kaiser frühstückte.
— Die Zeche Pluto hatte sich in Grün und Fahnen ge­hüllt. Im Vordergrunde der Separation konnten wir die Inschrift lesen:

„Glück auf unserm obersten Bergherrn“

zugleichen die Büsten des Kaisers und der Kaiserin in frischem Tannengrün präsentirend.
Von hoher Bergeshalde brach­ten bei Anlauf des Zuges die Arbeiter der Zeche Pluto donnernde Hochs aus. Der Kaiser mußte; die Inschrift bemerkt haben, denn er winkte aus dem Fenster freundlich zu. Bei Abgang des Zuges in der Richtung nach Münster wünschten wir aus thränenfreudigen Herzen dem Kaiser gute Fahrt.

Der Kaiser in Münster. [...]"[1]

Wie das Frühstück ablief, verriet die Zeitung einen Tag später:

  • Unserm gestrigen Kaiserfestberichte aus Wanne haben wir nachzutragen, daß der dortige Bahn­hofsrestaurateur, Herr Zengerling jr.[2] den Kaiser, der Castellan der hiesigen Gesellschaft Verein, Herr Karl Hense und Restaurateur Herr Kirchmeier aus Bochum den Kronprinzen und die Prinzen Wilhelm und Heinrich bedienten. Bemerkens­wert ist, daß dem Kaiser in einer antiken Tasse, welche einem Herrn in Bochum gehört und einen Wert von 200 M. haben soll, zweimal Bouillon zugereicht worden ist. Die Obertasse ist mit einem zierlichen Lorbeerkranz, welchen der hiesige Gärtner Herr August Zitzen angefertigt haben soll, umlegt gewesen. Herr Mummenhoff aus Bochum überreichte im Namen der Stadt Bochum ein Riesenbouquet. Der Andrang des Publikums drängte den Kaiser zu der Frage, woher denn alle die Menschen kämen, es wären doch nur wenige Häuser hier (Wanne). Die Einfriedigung hatte der Ansturm des Volkshaufens bereits durchbrochen. Als die Polizei die Leute zurückhalten wollte, bat der Kaiser davon abzustehen und die Leute nur ruhig stehen zu lassen. Der Kaiser sprach auch seine Ver­wunderung über die Industriebezirke Oberhausen Gelsenkirchen und Wanne aus. Leutselig drückte der hohe Herr manchem die Hand. Zu Herrn Hense, als derselbe dem Kronprinzen die Tasse mit Bouillon servirte, sagte der Kronprinz freund­lich:„Nun, Sie scheinen es gut mit mir vor zu haben!" Dabei nahm der hohe Herr auch seine Tasse selbst vom Tische weg.— Wie wir hören sollen im ganzen ca. 60 Tassen Bouillon an die allerhöchsten und hohen Herrschaften verabreich worden sein."[3]

Das Frühstück war mehr als nur eine Mahlzeit. Es war ein Zeichen: Der Kaiser war nicht nur durchgefahren – er war geblieben. Wenn auch nur für Minuten.

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Quelle

  1. [1]
  2. Zengerling war damals Pächter des Bahnhofsrestaurants
  3. https://zeitpunkt.nrw/ulbms/periodical/pagetext/9095546