Wie die Herner Bauernhöfe gebaut wurden (Herner Anzeiger 1936)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Am 25. Juli 1936 wurde im Herner Anzeiger ein Artikel von Leo Reiners über den Bau des Hofes Schulte zu Bergen veröffentlicht.[1]

Wie die Herner Bauernhöfe gebaut wurden
Eine interessante Zeugenvernehmung vor rund 100 Jahren
Die Erbauung des Hofes Schulte zu Bergen

Herner Mark Hiltrop Bergen Niemeyer W Karten A-07762 r.jpg

Einer der stattlichsten Höfe, die aus dem alten Kirchspiel Herne erhalten geblieben sind, ist der Hof des Schulte zu Bergen in Bergen, der wenig entfernt von der Herner Südgrenze jenseits eines idyllischen Taleinschnitts liegt. Seine Geschichte reicht sicherlich über 1000 Jahre zurück. Das allein macht den Hof schon für die Heimatgeschichte bedeutsam, doch hat auch der Bau selbst eine besondere Bedeutung. Von ihm ist nämlich genau überliefert, wie, mit welchen Mitteln und von welchen Handwerkern er erbaut worden ist. Das erzählt zum Teil schon die Inschrift über dem Dehlentor. Sie lautet (abgesehen von den Sprüchen):
JURGEN HENDERICH | AN MARIA CATRINA
SCHULTE ZU BERGEN | WEISTHOF BEI HEN EL
ANNO 1804 b. 6. IUNIUS | MHANG
Erbaut ist das Hofgebäude demnach im Jahre 1804 durch Meister Hang(ohr aus Baukau) für die Eheleute Jürgen Henrich Schulte zu Bergen und Anna Maria Catharina Weusthoff bei He(r)n(e).
Diese beiden hatten am 09.12.1797 geheiratet, nachdem die alten Schulte, der 1734 geborene Jürgen Heinrich Schulte und seine Ehefrau Anna Maria Schulte Altstede (verheiratet 1762), ihrem Sohne den Hof übertragen hatten. Doch wissen wir noch viel mehr über den Hausbau und damit über die Art, wie die alten Herner Bauern ihre Höfe bauten, welches Material sie brauchten und woher sie es bezogen, aus einer dicken Prozessakte des Jahres 1844. Damals wollte Heinrich Georg Schulte zu Bergen, der übrigens eine Tochter des „großen“ Overkamp aus Herne geheiratet hatte, auf Grund des Gesetzes vom 21. April 1825 das Eigentumsrecht an dem Hofe zugesprochen haben. Das war möglich, wenn er nachwies, dass er bzw. sein Vorfahr vor dem Jahre 1811 das Erbpachtsrecht an dem Hofe besessen hatte. Der Grundherr, der Kammerherr von Romberg, Besitzer des Hauses Bladenhorst, zu dem der Hof gehörte, bestritt dieses Erbpachtsrecht, und so kam es zum Prozess. In diesem trug nun Hrch. Georg Schulte zu Bergen als Beweisgrund u. a. vor, dass sein Vater bzw. Großvater den Hof aus eigenen Mitteln erbaut hätten. Zur Bekräftigung bot er folgende Personen als Zeugen an Den Colonen Joh. Georg Voß zu Giesenberg, den Colonen Joh. Casp. Kaldewey zu Hiltrop, den Zimmermann I. D. Lochthoff gt. Knapp, den Tagelöhner Wilhelm Köhlhoff bei Herne, den Kötter Heitmann gt. Koert auf dem Regenkamp bei Herne und den Kötter Rautwurm im Güstenberge bei Bochum. Diese Zeugen sind auch tatsachlich am 27. November 1844 in Bochum vor Gericht vernommen worden. Nach dem vorliegenden Vernehmungsprotokoll sagte der als erster befragte
Kotter Joh. Caspar Kaldewey von Hiltrop
aus, er sei 70 Jahre alt und seine Ehefrau Anna Maria Schulte sei die leibliche Schwester des verstorbenen älteren Schulte, des Vaters des jetzigen Klägers. Aber er sei am Ausgange des Prozesses nicht interessiert, auch solle ihn das angegebene Familienverhaltnis nicht abhalten, die reine Wahrheit zu sagen. Er sagt dann zur Sache aus:
Es ist mir aus eigener Wissenschaft bekannt, dass der Vater des jetzigen Klägers im Jahre 1792 das Oberhaus auf seinem Hofe erbauen ließ. Der Zimmermeister Hangohr von Baukau hat dasselbe gezimmert. Das dazu erforderliche Holz hat der alte Schulte teils von den Bauern Niederdrevermann und Kleberg zu Grumme, teils von den Gütern Giesenberg und Bladenhorst angekauft und teilz auch aus seinen Hofesholzungen genommen. Im Jahre 1804 ließ der alte Schulte zu Bergen das Unterhaus auf seinem Hofe erbauen und habe ich gesehen, dass er auf einem Holzverkauf in den Holzungen des Bauern Weusthoff bei Herne Holz ankaufte... Auf Befragen muss ich bemerken, dass die Zimmerleute und die sonstigen Arbeiter bei dem fraglichen Hausbau die Kost von dem Schulte zu Bergen erhalten haben, auch erinnere ich mich, dass der letztere Steine zum Belegen der Dehle und Küche von Herdecke und Mauersteine von Heven hat an fahren lassen.
Der nächste Zeuge
Georg Voß von Giesenberg.
der 64 Jahre alt ist, sagt aus: Mein verstorbener Vater hat im Jahre 1792, wo der alte Schulte zu Bergen sein Oberhaus neu erbaute, das in den Haus Giesenberg'schen Holzungen dazu angekaufte Holz nach dem Schulten=Hof zu Bergen hinfahren helfen und bin ich als Junge von 12 bis 14 Jahren bei dieser Gelegenheit mit nach Schulten=Hof hingegangen und weiß daher aus eigener Wissenschaft, dass der gedachte Bau damals am Werke war und dass er später aufgerichtet wurde, wobei ich anwesend war.
Auch habe ich selbst wahrgenommen, dass Schulte damals den Arbeitsleuten die Kost gab. Woher derselbe das übrige Holz zu dem gedachten Bau genommen, weiß ich nicht. Endlich bin ich dabei zugegen gewesen, als zwei Bäume aus den Holzungen des Hauses Bladenhorst angefahren wurden, welche der Schulte von dem Herrn von Romberg gekauft hatte...
Der dritte Zeuge,
Zimmermann Johann Diedrich Lochthoff gen. Knapp von Herne.
damals 77 Jahre alt, erklärt: Es ist mir im allgemeinen nur bekannt, dass der Vater des jetzigen Klägers, der alte Schulte zu Bergen, in dem Jahre 1792 sein Oberhaus hat erbauen lassen, denn ich bin den beim Bau beschäftigten Zimmerleuten häufig begegnet, als sie zur Arbeit nach Schulten=Hof hingingen und es mir sagten, dass sie mit diesem Bau begriffen seien. Auch hat mir der alte Schulte es mehrmalen erzählt, dass er diesen Bau vorgenommen und dass er sehr viel Holz dazu gekauft hat. Aus eigener Wissenschaft weiß ist hierüber nichts.
Ebenso ist es mir gut bekannt, dass der Schulte 10, 12 Jahre später sein Unterhaus hat neu erbauen lassen und hat mir der Schulte ebenfalls später erzählt, dass er das Holz dazu größtenteils gekauft habe. Das auf dem Schulten=Hof befindliche Backhaus habe ich vor etwa 15 Jahren (also um 1829) im Auftrage des alten Schulte auf dessen Kosten erbaut
Als vierter Zeuge wird der
Tagelöhner Jürgen Köhlhoff von Herne,
84 Jahre alt,
vernommen. Er sagt aus: Ich habe zur Zeit, als das Wohnhaus auf Schulten=Hof. nämlich das sog. Oberhaus, in dem Jahre 1792 erbaut wurde, bei dem alten Schulte, dem Vater des jetzigen Klägers, als Baumeister (d. i. der oberste Knecht) gedient und habe das Holz, welches der Schulte zu diesem Bau angekauft hatte, mit anfahren helfen. Es waren nämlich aus den Holzungen des Gutes Giesenberg 3 Eichen Balken, 1 Pfoststück, d. h. ein Baum, aus welchem Pfosten geschnitten wurden und ein starker Baum zu Bretter, welches Holz überhaupt 61—62 Taler kostete, angekauft worden. Das übrige Holz dazu wurde zum Teil aus den Hofesholzungen genommen, teils wurde das brauchbare Holz des alten Hauses mit dazu verwendet. Die Mauersteine und die zum Belegen der Keller und Küche ließ Schulte teils aus dem Arden, teils von der Goy aus den da befindlichen Steingruben holen und anfahren und habe ich dabei selbst mitgeholfen. Die Zimmerleute und die sonstigen Arbeitsleute erhielten von dem Schulte jeden Sonnabend ihren Lohn ausbezahlt und bekamen außerdem vollständige Beköstigung. Als etwa 10 bis 12 Jahre später das Unterhaus auf dem Schulten=Hof erbaut wurde, war ich noch daselbst in Diensten und weiß ich aus eigener Wissenschaft, dass auch dieses Gebäude im Auftrage des alten Schulte in seinem Lohn und auf seine Kosten erbaut worden ist. Das dazu erforderliche Holz hat der Schulte zum Teil nämlich 3 Pföste vom Bauern Kleberg in Grumme, 3 Balken, 2 Pfoststücke u. 1 Baum zu sog. Platten von Niederdrevermann zu Grumme, ferner 3 Bäume aus den Holzungen des adelichen Hauses Crange und 2 Bäume aus den von Bladenhorst, 1 Baum von dem Kaufmann Cremer zu Herne und 1 Baum von dem Bauern Sudkamp zu Horsthausen gekauft und zum Teil aus den Hofesholzungen genommen und etwas wenigeres von dem alten Bau dazu verwendet. Die Arbeitsleute bekamen stets ihren Lohn und die Kost von Schulte. — Nach bemerkt, dass die zum Bau verbrauchten Ziegelsteine vom Hause Bladenhorst hergeholt wurden und habe ich dafür auch einmal 20 Taler an den Ziegelmeister bezahlt. Auf diese von einem staunenswerten Erinnerungsvermögen des greisen Kohlhoff zeugende Aussage folgt die Vernehmung des fünften Zeugen, des
Zimmermans Wilhelm Rautwurm aus Grumme
Der damals 67jährige sagt aus: Ich erinnere mich aus meinen Jugendjahren, dass mein verstorbener Vater, der Zimmermann war, an dem im Jahre 1792 auf dem Schulten=Hof zu Bergen errichteten Gebäude hat arbeiten helfen und habe ich von diesem selbst gehört, dass dieses auf Kosten des alten Schulte zu Bergen Großvater des Klägers, geschehen sei. (Daß für das Jahr 1792 einmal von Großvater einmal von Vater des Klägers gesprochen wird, hangt wohl damit zusammen, dass der Vater, der 1797 den Hof förmlich übertragen bekam, damals offenbar schon die Hauptrolle spielte.) Wo die Materialien für diesen Bau hergenommen sind, davon weiß ich nichts zu bekunden, jedoch habe ich selbst gesehen, dass mein Vater seinen Arbeitslohn von dem alten Schulte ausbezahlt erhielt. Als das Unterhaus auf Schulten Hof später, wie ich glaube, im Jahre 1804, erbaut wurde, habe ich als Zimmergeselle bei meinem Vater an diesem Gebäude mit arbeiten helfen. (Die weiteren Aussagen enthalten nichts Neues, nur glaubt der Zeuge sich zu erinnern, dass von dem alten Gebäude nichts zu dem neuen verwendet worden sei.)
Als letzter Zeuge wird der 70 Jahre alte Kötter Georg Hartmann gi. Groos von Herne vernommen. doch scheint es sich hier um einen Schreibfehler zu handeln. Der Zeuge dürfte der eingangs benannte
Kötter Heitmann gt. Cordt vom Regenkamp
sein. Er erinnert sich, im Jahre 1792 gesehen zu haben, dass zum Bau des Oberhauses auf Schulten=Hof zwei Fuder Balken von den Knechten des Schulte aus den Holzungen des Hauses Giesenberg geholt worden seien. Als 1804 das Unterhaus gebaut wurde, sei er beim Aufrichten des Gebäudes zugegen gewesen. Auch habe er gesehen, dass die Knechte des Schulte zu diesem Bau 4 Fuder Eichenholz aus den Holzungen des Niederdrevermann und des Kleberg zu Grumme angefahren hätten. „Kurz nachdem dies Unterhaus gebaut war, trat ich bei dem Schulte in Dienste und wurde während meiner Dienstzeit noch die halbe Dehle mit Steinen belegt. Der alte Schulte, Vater des Klägers, hat die Steine dazu aus einem Steinbruch bei Stalleicken (d. i. bei Wattenscheid) holen lassen.“
Damit endet die Zeugenvernehmung, die vor unserem Auge das Bild regen Zimmerns, Karrens, Mauerns und sonstigen Schaffens auf dem Schulten Hof und zwar zuerst an dem Wohnhausteile (Oberhaus), dann 12 Jahre später an dem Viehhausteile (Unterhaus) erstehen lässt. Sie lässt uns ferner erkennen, aus welchen Waldungen unserer Heimat die schweren Eichen zum Hausbau herausgeholt, woher die Ziegelsteine und Bodenplatten beschafft wurden, woher die Zimmerleute kamen und welche Bedeutung für das heimische Handwerk der Bau dieses stolzen Hofes gehabt hat. Kein Wunder, dass man zum Abschuss den Namen der Bauherren, d. h. der Eheleute Schulte zu Bergen, und des leitenden Zimmermeisters, des Meisters Hangohr, für die nachfolgenden Geschlechter mit Stolz über dem Dehlentor verewigte.
Dr. Leo Reiners.


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Quellen