Rensinghoff, ein verschwundener Hof (Herner Anzeiger 1936) I
Am 30. Mai 1936 wurde im Herner Anzeiger ein erster Artikel von Leo Reiners über den verschwundenen Hof Rensinghoff veröffentlicht.[1]
Rensinghoff, ein verschwundener Hof
Er lag hinter dem Rathaus an der Behrensstraße.
Zuletzt stand nur noch das bereits bis auf den Wohnteil verkürzte Bauernhaus, auch dieses ist 1890 abgebrochen worden. Der Hof lag auf dem Westufer des Westbaches und zwar zwischen den heutigen Kohlenschlamm=Klärbecken der Zeche Shamrock 1=2 und der Behrensstraße. Genau lässt sich der Hofraum folgendermaßen umschreiben: er wird heute begrenzt von der Behrensstraße, einer Linie in der Verlängerung der Haldenstraße, der Zechenplatzmauer und dem Wege, der von der Behrensstraße zur Helle führt und in seiner südlichen Hälfte — die nördliche an der Behrensstraße ist neu und schneidet schon das alte Hofgelände an — ursprünglich der Zufahrtsweg zum Hof Rensinghoff war. Heute ist die Stelle, wo der Hof mit seinen Nebengebäuden stand, Kleingartengelände. Das Bauernhaus lag 30 Meter von der Behrensstraße entfernt und begann etwa am Eisengitter, das den Weg zur Helle begleitet; hinter dem Bauernhaus gruppierten sich eine Scheune, ein Schuppen und ein Backhaus. Alle diese Gebäude einschließlich Bauernhaus stehen schon in der Katasterurkarte von 1823 verzeichnet, sie müssen also vor dieser Zeit erbaut worden sein. Auch 1845 sind sie noch mit ihren Feuerversicherungswerten aufgeführt.
Bis 1870 verschwanden die Nebengebäude, und es entstand ein neues lang-schmales Gebäude hinter dem Wohnhaus, das zu mehr als der Hälfte Wohnzwecken diente und als Einliegerhaus im Busche bezeichnet wird. In den Jahren 1877—1886 ist es nach Ausweis der Karten verschwunden. Es war 1868 an einen Brinkmann vermietet. Der „Busch“, war „Rensinghoffs Busch“, ein Wäldchen, das gleich hinter dem Hofraum begann und sich in nordwestlicher Richtung bis etwa zum heutigen Zechenbahnübergang an der Mulvanystraße erstreckte.
Die Flur hieß nach dem Waldchen „Hoheneichen“, eine Bezeichnung, die noch heute in dem Namen des ehemaligen Waldgebietes gelegenen „Hoheneickstraße". erhalten ist.
Der Hof Rensinghoff ist jahrhundertelang im Besitz der Familie Rensinghoff*) gewesen. Zum ersten Mal ist er im Jahre 1486 im Märkischen Schatzbuch nachweisbar. Damals sollte „Henrik Coster Rusinchoff“, 3 Goldgulden Steuer zahlen. Das war ein sehr hoher Satz und beweist, dass man den Hof als recht ertragreich einschätzte. Damals muss es aber dem Besitzer wirtschaftlich sehr schlecht gegangen sein, denn statt der Eintragung der an den beiden Hebeterminen gezahlten Beträge findet sich nur der Vermerk „Nil habet“, er hat nichts. Auch in der Türkensteuerliste von 1542 ist Rensinghoff kein Steuerzahler. Er ist überhaupt nicht veranlagt. Bei seinem Namen steht die Bemerkung „nicht", während bei anderen, die nicht veranlagt sind, meist „arm“ vermerkt ist. Nach dieser Not- und Niedergangszeit auf dem Hofe ist in der Leistungsfähigkeit eine Besserung eingetreten. In der Feuerstättenliste von 1664, wo der Hof mit 1 Feuerstätte aufgeführt ist, wird nämlich angegeben, dass er nach einer Matrikel von 1654 3 Reichstaler 26 Stüber an Steuern aufzubringen hatte. Das war ungefähr derselbe Betrag wie bei Wiesmann und Bergelmann, wie wir uns denn auch den Rensinghof so stattlich vorstellen müssen, wie der Hof Bergelmann einst war und der Hof Wiesmann noch ist.
Aus der Feuerstättenliste geht nun hervor, dass der Grundherr des Rensinghofes (ebenso, wie bei Bergelmann und Wiesmann) der Herr von Strünkede war. Wann und wodurch der sicher einmal freie Bauer Rensinghoff in die Abhängigkeit von Strünkede geriet, so dass er nur noch Pächter auf Lebenszeit auf dem Hofe war, ist in Dunkelheit gehüllt. Vielleicht hängt es mit seiner Notlage im 15. und 16. Jahrhundert zusammen. Auch ist nicht bekannt, wie hoch die Pacht und das Gewinngeld waren sowie, welche Dienste er dem Grundherrn zu leisten hatte. Es ist aber überliefert, dass ein Rensinghoff im Februar 1657 von dem herrischen und anmaßenden Gottfried von Strünkede geradezu empörende Behandlung erfuhr. Damals ließ Gottfried von Strünkede verschiedene Leute, darunter den Rensinghoff, „auff dem hauße Strünckede in der pforten acht tage lang mit gewaffneten schützen verwahren und wie derselb zu seiner Ehefrauwen, so im Kindtbett kommen, die er hülffloß hatte verlaßen mußen, vom hauße Strünckede abgangen, denselben wieder aufs hauß gefürdert, und etliche tage in die eysen(!) schlagen laßen".
Sehr guten Aufschluss geben uns die Grundakten des Hofes darüber, wie Rensinghoff das Erbpachtsverhältnis in ein freies Eigentumsrecht verwandelte. Dies geschah nicht, wie bei einer Reihe anderer Höfe und Kotten, anlässlich der von Freiherrn von Fürstenberg durchgesetzten Versteigerung Strünkedischen Grundeigentums im Jahre 1786, sondern auf eine andere Weise, die uns zeigt, welchen Besitzwechsel beim Aussterben des Geschlechtes in männlicher Linie einzelne Strünkeder Besitzstücke durchmachten. Zunächst hatten die Erben Koenigs zum Wiskamp eine Forderung an den Freiherrn von und zu Strünkede, für die ihnen der Rensinghoffs Hof verpfändet war. Sie erreichten am 8. 10. 1749 im Clevischen Regierungsrat einen Beschluss, wonach der Beklagte innerhalb 4 Wochen den Klägern gütlich zu ihrem Recht zu verhelfen hatte, andernfalls der ihnen verpfändete Hof zur Versteigerung gebracht werden sollte. Zu dieser Versteigerung ließen es die Strünkeder ruhig kommen, im letzten Termin blieb dann die Freifrau von Strünkede, die den Kortnacke mit dem Ersteigern beauftragt hatte, mit 1800 Reichstalern die Meistbietende, so dass sie den Zuschlag erhielt. Die Urkunde darüber stellte am 1. 7. 1752 der Clev= und Markische Regierungsrat und Richter zu Strünkede, Hermann Adolph Grollmann, aus. Die Freifrau von Strünkede, eine geborene Quadt zu Wickrad, die 1753 Witwe wurde, vermachte später den Hof unter ausdrücklicher Verzichtleistung des Herrn von Sudhausen, der ihre einzige Tochter Carolina geheiratet hatte, an den Grafen Ferdinand von Wartensleben. Als dieser kinderlos starb, erbten ihn seine Brüder, die Grafen Alexander und Karl von Wartensleben.
Von diesen kam er durch Kauf an Giesbert Wilhelm Freiherrn von Boenen, „Erbherrn zu Loeringhoff, Heven, Hardenstein, Closteren, Sr. Kurfürstlichen Durchlaucht zu Cöln adlichen Geheimen Rat.“ Dieser Freiherr von Boenen zu Loeringhoff (Haus Loeringhoff lag im Vest Recklinghausen) war es, der dann im Jahre 1793 den Hof„bessern Nutzens halber“ an Joh. Heinrich Rensinghoff verkaufte. Bevor es aber zum Verkauf kam, erhob sich eine Schwierigkeit. Bei der Offenlegung des Strünkedischen Hypothekenbuches fand man nämlich beim Hof Rensinghoff außer einer Zinslast von 25 rt. 32½ st. jährlich für die Freifrau von Strünkede pro dote er illatis(für die Mitgift und das eingebrachte Gut) eine auf einem Vertrag vom 18. 2. 1771 beruhende Bindung, wonach auf Veranlassung des Rendanten Eck, der die gräflich Wartenslebenschen und die freiherrlich v. Quadtschen Erben vertrat, ein Kautionsschein über 657 rtl. 40 st. an die Clevische Depositenkasse auf Schulten=Gut zu Pöppinhausen und Rensinghoffs Gut zu Herne eingetragen worden war. Nun hatte sich die Erbin von Strünkede, die Freifrau v. Palland zu Strünkede, in einem Vergleich vom 23.04.1788 ihrer Ansprüche auf Rensinghoffs Gut begeben und ausdsrücklich erklärt, dass sie nicht zum Übertrag (d.h. dem ihr übertragenen besitz) gehörten, sondern den Herren von Quadt und Wartensleben nach wie vor iure domini verbleiben sollten. So erklärte dann deren Besitznachfolger, Frhr. v. Boenen, dass für die Kaution an die Clevische Depositenkasse beim Wegfall der auf dem Rensinghoffschen Gut ruhenden Haftung das Schultengut in Pöppinghausen, eine auf Düngelmanns Hof eingetragene Forderung von 517 rt. 30 st. und sein Gut Heven im Amte Bochum haften sollten.
Nachdem diese Haftung schriftlich festgelegt war, konnte der Verkauf an Joh. Hrch. Rensinghoff vollzogen werden. Der Kaufbrief ist am 27.10.1793 auf Haus Loeringhoff ausgestellt und wurde dem Käufer am 04.11.1793 bei der Bezahlung des Restes der Kaufsumme ausgehändigt. Der Kaufpreis betrug 3500 Reichstaler, von denen Rensinghoff 1500 Reichstaler „in wechselwichtigen alten Pistolen“, das Stück zu 5 Rtlr., die übrigen 2000 Rtlr. in Kronentalern, das Stück zu 1 rt. 35 st., bezahlte. Die Unterschrift des Frhrn. von Boenen unter dem Kaufbrief ist bestätigt: „Im Gericht Neucastrop, d. 28. 10. 1793. Jacobi“.
Woher hatte nun Joh. Hrch. Rensinghoff so viel Geld? Einen erheblichen Betrag scheint er selbst besessen zu haben, 300 Reichstaler hatte er sich am 16.01.1793 von Louise Westhoff geliehen, 800 Reichstaler Berl. Courant in Kronentalern lieh er am 03.11.1793 von den Eheleuten Heinrich Wilh. Stratmann zu Kornharpen, 315 Reichstaler Berl. Courant erhielt er durch Verkauf eines Grundstückes. Er setzte nämlich „ein Stück Gemeinheitsland auf dem Regenkamp (er hatte es bei der Teilung der Gemeinheit Regenkamp zugeteilt erhalten), so Bonenkamp untergehabt (an ihn hatte er es bisher verpachtet) nebst Laub und Gras auf Eßmanns Anschutz (Eßmann war ein Hof in Holsterhausen) zum Verkauf“ aus. In dem dazu anberaumten Termin verkaufte er es dem „Sandfurth“ zu Holsterhausen für 315 rt. B. C.
Nun war Rensinghoff freier Herr auf seinem Hofe. Außer den ausgenommenen Darlehen lasteten darauf die üblichen Kirchenabgaben. Diese betrugen: 1 Scheffel Hafer an die erste lutherische Pastorat in Herne, 2 Scheffel Gerste an die lutherische Kirche zu Herne, „welche Praestanda jährlichs auf Martini in alt Bochumscher Maaß entrichtet werden müßen", jährlich ein Brot an den lutherischen Armenfonds sowie 2 Brote und 2 Stiegen Roggengarben an den lutherischen Küster. Im Jahre 1818, als es zwei Küster in Herne gab, finden wir für die letztgenannte Abgabe eingetragen: „An jeden der beiden Küster jährlich 1 Brot und auf Pfingsten beim Umgange ein Geschenk von Eier". Danach war es im alten Herne üblich, dass der Küster zu Pfingsten einen „Umgang“, bei den Kirchspielseingesessenen machte und von ihnen Naturalien (zum mindesten Eier) erhielt.
Erst im Jahre 1872 sind die Kirchenabgaben auf Grund des Ablösegesetzes von 27. 4. 1872 zum 25fachen Betrage der von der Generalkommission in Münster festgesetzten Ablösepreise — für Rensinghoff ergab sich eine Summe von 219 Taler 27 Sgr. 11 Pfg. - abgelöst worden. Das Presbyterium in Herne genehmigte nach Zahlung dieser Summe am 15.08.1872 die Löschung der Abgabeverpflichtung im Hypothekenbuch. (Fortsetzung folgt.)
Dr. L. Reiners.