Brandt: Nochmals das alte Strünkeder Schlossportal

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Leo Reiners widmete zur Eröffnung des Emschertal-Museums in den Räumen des Schloss Strünkede am 15. September 1938 einen besonderen Artikel über den Portalbau des Schlosses. Reiners: Der ursprüngliche Strünkeder Portalbau Einige Monate später, am 21. Januar 1939, erschien in der gleichen Zeitung ein Artikel über diesen Artikel vom Museum Direktor Karl Brandt. In diesem, unten wiedergegebenen Artikel, bestätigt er die Aussage Reiners zum Schlossportal.

Nochmals das alte Strünkeder Sclossportal

Wie sah es ursprünglich aus? - Ist die im H.A. veröffentliche Zeichnung Fantasie? - Was ist von der Wasserjungfrau zu halten?

Eine Äußerung des Museums Leiters.

Vom Leiter des Emschertalmuseums auf Schloss Strünkede, Karl Brandt, wird uns geschrieben:

Am Einweihungtage des neuen Emschertal Museum im Schloss Strünkede brachte Dr. Reiners in der Ausgabe vom 15. September 1938 des „Herne Anzeigers“ ein (hier noch einmal wiedergegebenes) Bild mit Aufsatz über das wahrscheinlich ursprüngliche Aussehen des Schlossportals. Dieser Aufsatz wird doch heute in heimatkundlichen interessierten Kreisen häufiger besprochen, ein Beweis, wie sehr er interessiert hat. Es fehlt indes nicht an Stimmen, die sagen, die dem Bilde zugrundeliegende Zeichnung sehr reine Fantasie, so könnte das Portal niemals ausgesehen haben. Dass sich darunter auch moderne Baufachleute befinden, möchte auch ich einiges zu dem angeblich ursprünglichen Aussehen des Portals sagen.

Wie Dr. Reiners selbst an der erwähnten Stelle angibt, fußt sein Aufsatz sowie die Abbildung, auf eine Zeichnung, die sich im Besitze der Harpener Bergbau AG befand und auf Anregung von Dr. Reiners dankenswerter Weise dem Emschertalmuseum übergeben wurde. Die Zeichnung, die in einer Lichtkopie vorliegt, ist anscheinend von dem Architekten angefertigt worden, dessen Unterschrift sich unten rechts auf der Zeichnung befindet; der Name ist schlecht zu entziffern. Links neben dieser Unterschrift steht unter dem Worte der Antragsteller: Adolf Fuhr. Das war der erste Wirt im Schloss Strünkede, der es nach dem Erwerb des Schlosses durch die Harpener pachtete. Die Zeichnung stammt laut Vermerk aus dem Jahre 1899.

Es ist nun nicht leicht zu ergründen, zu welchem Zweck die Zeichnung angefertigt und bei der Hapener eingereicht worden ist. Aber selbst wenn wir das wüssten, könnte daraus kaum ersehen werden, ob die Zeichnung tatsächlich das ursprüngliche Aussehen des Portals wiedergibt, denn damals hatte es, wie auch die noch einige Jahrzehnte ältere Buntdruck-Lithographie des Schlosses, die sich im Emschertalmuseum befindet und auf die Dr. Reiners ebenfalls hingewiesen hat, beweist, schon nicht mehr die Gestalt, die die Zeichnung darstellt. Und um 1900 ist das Portal noch weiter vereinfacht worden.

Bei all unseren Schlössern ist auf eine besondere reiche Ausgestaltung der Portale großer Wert gelegt worden, ähnlich, wie bei den Deeleneingangstüren unserer älteren Bauernhäuser; der Zugang zu einem Schlosse und zu einem Bauernhause war eben etwas Besonderes, sozusagen, die Visitenkarte. Hinzu kommt noch, dass ein Kolosssalbau, wie er Schloss Strünkede, ohne einen reich verzierten Eingang nicht auskommen konnte; das reiche Portal gab erst dem ganzen Bau das notwendige Ansehen. Denken wir uns heute nur das jetzige vereinfachte Portal weg, was bleibt dann noch vom Aussehen des Schlosses übrig?

Fest steht, dass das alte Portal wesentlich vereinfacht worden ist. Beweis dafür sind das alte Wappen aus Baumberger Sandstein, das sich ursprünglich an Stelle des jetzt vorhandenen befand und heute auf dem Schlosshofe steht. Ein weiterer Beweis ist, dass sich, worauf schon Dr. Reiners hinwies, auch die beiden mit erhaben herausgearbeitet Inschriften versehene Steinbalken gefunden haben, die ursprünglich ein wenig unterhalb des alten Wappenstein verliefen. Auf dem Schlosshof bestehen so dann doch zwei Postamente aus Stein, auf denen sehr wohl Steinfiguren gestanden haben können, vielleicht die, die auf der fraglichen Zeichnung zu sehen sind.

Nun ist die Frage am Platze: ist denn am Bau selbst von der ursprünglichen Zustand des Portals heute nicht mehr vorhanden, nach Möglichkeit etwas, was einwandfrei auf die Zeichnung von 1899 zu erkennen ist? Solche Reste sind tatsächlich noch da! So ist noch im arg verwitterten Zustande die oberste Steinreihe mit den Traversen aus Ruhrkohlensandstein vorhanden, und zwar in genau derselben Stelle wie auf der Zeichnung.

So dann sieht man auf der Zeichnung unter der Dachkante entlang eine Reihe Steinplatten mit einem aus gehauenen fünfblättrigen Blumenornament. Heute sind die Platten verschwunden, aber an der Dachkante des Schlossinnenhofes sind noch einige dieser Platten zu sehen, die ursprünglich rings um das gesamte Schloss verlaufen sind. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um Rosetten der Art, wie sie im Wappen der Strünkeder vorkommen. An der Front des Schlosses, rechts und links des Portals, sind die Rosettensteinplatten bei der Renovierung des Schloss äußeren durch Zement verputzen ersetzt worden, wahrscheinlich deswegen, weil sie arg verwittert waren.

Wenn die Zeichnung der ursprünglichen Gestaltung des Portals entspricht, müssen wir bei einer schon längst vor 1900 (sieh die Lithografie, die sie nicht mehr enthält) erfolgten neuaufmachung des Portals die vier Figuren aufrechtstehender Menschen und das Mittelstück zwischen den schmalen Fenstern mit der auf einem Postament aus zwei Säulen sitzenden Wasserjungfrau entfernt worden sein. Ohne Frage waren die fünf Figuren sehr stark verwittert und nahm man sie deshalb fort; neue Figuren wird man wegen der großen Kosten nicht haben anfertigen lassen können. Sind die Wandsteine an den Schlossmauern schon sehr stark verwittert, so werden es die freistehenden Figuren des recht gewesen sein, weil die Witterung von allen Seiten Angriffsfläche hatten.

Reiners-Strünkede-Portal-HA.jpg

Es ist die Vermutung ausgesprochen worden, die Zeichnung von 1899 habe nur einen Plan wiedergegeben, wie man das Schlossportal verschönern wollte. Aber es ist kaum zu glauben, dass jemand, dem es tatsächlich hauptsächlich auf die Schaffung angenehmer Wirtschaftsräume, die sowieso Geld genug kostete, ankam, so viel Wert darauf gelegt haben sollte, das Schlossportal so reich zu verzieren, und zwar mit Figuren, die, in Stein gehauen, sicherlich einige 1000 Mark gekostet hätten. Viel annehmbar ist, anzunehmen, dass man bei der Renovierung so einfach wie möglich bleiben wollte, eben um Geld zu sparen. Dabei muss das jetzige, keineswegs in allen Teilen ursprüngliche Portal sowieso viel Geld gekostet haben, man denke alleine an, die Aushauung des Strünkeder Familienwappens aus hartem Ruhrkohlesandstein als Ersatz für das völlig verwitterte alte. Es ist auch kein triftiger Grund einzusehen, warum man überhaupt das Portal hätte reicher verzieren wollen, als es schon war. -

Es sei hier noch ein wichtiges Argument für die Richtigkeit der Zeichnung vorgebrachte; dieses wurde bis zuletzt aufbewahrt. Oben wurde erwähnt, dass nach Ausweis der Zeichnung zwischen den beiden Fenstern des Portals eine Wasserjungfrau, aus Stein gehauen, vorhanden gewesen sei. Und gerade diese Wasserjungfrau ist es nicht zuletzt, die Anlass zu Zweifeln an der Richtigkeit der gesamten Zeichnung geben hat. Man sagt, die Wasserjungfrau sei ein Fabelwesen, dass man aus reiner, dem Baugeschmack und 1900 entsprechender Fantasie mit eingezeichnet habe. Was denn eigentlich das hübsche Mädchen da oben über dem Eingang zu suchen habe, es sei gar nicht in Beziehung zur Schlosse zu setzen, kurz und gut, es gehöre nicht dahin! - Darauf ist nun doch meines Erachtens folgendes zu sagen:

Dass in der Steinfigur wirklich eine Wasserjungfrau vorliegt, ist unbestreitbar. Auf der Zeichnung ist einwandfrei ein Frauenoberkörper zu erkennen, der in zwei Fischschwänzen ausläuft. Die Arme hatte die Gestalt erhoben, als wenn sie jemand in ihren Armen willkommen heiße. In der rechten Hand hält sie einen Stab. Diese zunächst ein wenig absonderlich anmute Figur, eine Najade[1], die, wie auch andere Gestalten der griechischen Mythologie, in der Renaissance mehrfach vorkommt, hat auch in unserer Heimat Parallelen. Zur Hand habe ich gerade eine Renaissance=Waffeleisen aus dem Jahre 1658, just aus der Zeit, wo das alte ursprüngliche Portal am Schloss Strünkede hergestellt wurde (beendet 1664). Das interessante Waffel= oder besser Neujahrskucheneisen stammt aus Gelsenkirchen-Schalke und ist abgebildet im Bau= und Kunstdenkmäler, Gelsenkirchen Stadt, 1908, Seite 34. [2]

-Wassernymphe Bau- und Kunstdenkmäler des Kreises Gelsenkirchen-Stadt.png

Auf der linken Eisenfläche thront fast genau dieselbe Wasserjungfrau, wie an dem alten Portal von Strünkede. Auch, sie hat beide Arme erhoben, und die Oberkörper endigt in zwei Fischschwänzen. Dieses Beispiel beweist, dass die Darstellung einer Wasserjungfrau am Strünkeder Schlossportal nicht von ungefähr kommt, sondern zu jeder Zeit besonders beliebt war. Das hängt nicht nur mit der Wiedergeburt der Antike zusammen, die der Renaissance den Namen gegeben hat, sondern auch damit, dass die Wasserjungfrau in heimischen Brauchtum schon seit der Germanenzeit eine Rolle spielt. Darüber einige nähere Ausführungen.


Im Mythos der Germanen begegnen uns die Wasserjungfrau oder Wasserjungfer häufiger. Erinnert sei daran, dass in der Nibelungensage die Wasserjungfrau Sigelint dem Recken Hagen künftige Gefahren verkündet. Aus anderen Zeiten haben die Brüder Grimm in ihrem Deutschen Sagen I auf Seite 51, 53, 55 und 57[3] Sagen von Wassergeistern mitgeteilt. Immer hat sich die Phantasie des Volkes den Wassergeistern mit besonderer Liebe zugeneigt. Wasserjungfrauen und Nixen, die sich in der Volksanschauen nicht wesentlich unterschieden, bewohnten nach alten Volksglaube die heimischen Quellen, Teiche, Bäche, Flüsse, Seen, überhaupt alle Gewässer. Aus den verschiedensten Teilen Westfalen sind alte Sagen von der Wasserjungfrau überliefert, die in jedem Falle besonders schön waren und zur gegebenen Stunde manchen Menschen betörten, der dann nie mehr aus den Fluten zurückkehrte. Besonders bei Vollmondschein führten die Wasserjungfern oder Nixen und Wasserelfen (man nannte sie auch Meermaid, Haffru, Wasserholdin, Ilsen, Liffen, Meerminnen, Muhmen und Seeweiber) anmutige Tänze auf und sangen dabei verführerische Weisen.

Gern, saßen Sie an den Ufern der Gewässer und kämpfen ihr goldenes Haar. Sie konnten jede beliebige Gestalt annehmen, Sogar die menschliche. Doch erkannte man sie leicht, weil ihr Gewand auf dem Lande stets einen nassen Saum hatte. Häufig kam es vor, dass ein Mensch diesen holden Wesen zu tief in die Augen schaute, dann war es um ihn geschehen, denn niemals wurde er glücklich mit diesem Wesen. Es sei daran erinnert, dass häufig die Dichter diesen und ähnliche Stoffe bearbeiteten (Undine). Im Großen und Ganzen werden die Wassergeister, die weiblichen sowohl als auch die männlichen, und gerade die letzteren, als bösartig angesehen. Doch scheint das Charakterbild zu schwanken, worauf die Tatsache hinweist, dass man sie sogar verehrte. Gegen die Verehrung der Wassergeister ist die Kirche schon in frühgermanisch=christlicher Zeit eingeschritten, sogar Bonifatius hat dagegen Stellung genommen (Kirchenversammlung von Listinae 745[4])[5].


Auch in der Welt des Mittelmeeres stand die Quellenverehrung in hoher Blüte. Erinnert sei an die Nymphen, Najaden, Oceaniden und Nereiden, denen man an Quellen sogenannte Nymphäen erbaute, Rundbauten oder grottenartige Bauten, die einen Quellenbehälter umschlossen und der in der betreffenden Quelle wohnen Nymphe geweiht waren. Zahllose solcher Quellenaufbauten und =einfassungen, die zum Teil viele Jahrhunderte alt sind, gibt es heute noch im äußersten Westen Europas, in der französischen Bretagne. Hier habe ich an Ort und Stelle gesehen, wie stark hier noch der uralte Quellenkultus gepflegt wird, allerdings heute im christlichen Sinne, aber mit so viel Heidnischen, das ist unschwer zu erkennen ist. Man opfert heute noch den Quellen und das im 20. Jahrhundert. Man sieht daraus, wie fest bei den Bretonen der alte Quellenkultus verankert ist.

Überraschender Weise gibt es auch in Westfalen Quellenverehrungen und hat es immer gegeben. Nach vieljähriger Beschäftigung auch mit dem westfälischen Quellenkultus, glaube ich annehmen zu dürfen, dass die meisten westfälischen Wallfahrtsorte ursprünglich auf eine Quellenverehrung zurückgehen. Vielfach steht ja heute noch eine Quelle mit den Wallfahrten in Berührung, wenn auch meist unbewusst. Ich muss es mir hier ersparen, viele Beispiele zu nennen. Doch erwähnen will ich den Annaberg bei Haltern, (wohin noch vor wenigen Jahrzehnten auch die Herner wallfahrteten), ferner den Pilgrims=Pütt von Bochum, Eggerode im Münsterland, St.=Einhards=Brunnen in Altena, den Mendener Gesundbrunnen, den Johannisborn zu Wiblingwerde, den Reginenbrunnen bei Ostsümmern, den St.=Petersbrunnen auf der Hohensyburg und die Augen Quelle von Bochum-Hiltrop. Nachweislich ist zu einem großen Teil dieser als heilig bekannten Quellen seit Jahrhunderten das Volk gewandert, verrichtet hier ihre Gebete und trank das heilkräftige Wasser. Als einziger Beweis führe ich nur an, dass der Große Kurfürst nicht nur gegen sonstigen Aberglauben in der Grafschaft Mark Verfügungen erließ, sondern auch gegen den Quellenkultus (Gegeben Kleve in Unserem Regierungsrath den 18. Juli 1669 usw.). Ein Nachtklang des alten Quellenkultus ist noch das Pfingstwassertrinken in der Frühe des zweiten Pfingsttages in Iserlohn, wo heute noch alljährlich viele tausend Zeitgenossen das eiskalte Quellwasser des Ballotspring trinken, um Gesundheit und langes Leben zu erhalten. Man muss es gesehen haben, mit welcher Andacht hier das Quellwasser getrunken wird. Dass man sich noch in aller Heimlichkeit dann und wann aus einer ehemaligen heiligen Quelle eine Flasche des angeblich heilkräftigen Wassers holt, kann nicht verwundern, wenn man weiß, dass in Iserlohn alljährlich vor den Augen Tausender Menschen gleiches Wasser trinken.

In Verfolgung eines bestimmten Zwecks habe ich mich ein wenig länger bei dem Quellenkultus aufgehalten. Bei unserem heimischen Quellenkultus und auch bei dem in der Bretagne (wie auch in ganz Europa), handelt es sich um die Verehrung von gutartigen Quellen= oder Wassergeistern. Diese Geister brachten den Menschen, die Sie aufsuchten, nach der Anschauung der Menschen auch Heilung von allerhand Gebrechen. So ist es nicht verwunderlich, dass sie von den Menschen verehrt wurden. Ja, man brachte ihre Bildnisse auch an den Deelentüreingangsbalken an. Noch heute kann man in Minden-Ravensbergischen, in Wiedenbrück usw. die reliefartig ausgehauenen Bildnisse der Wasserjungfern sehen. Sie sollten sicherlich, wie all die anderen an den Balken angebrachten Heilszeichen und Heilsbildnisse, das Haus vor allerhand Ungemacht schützen. Aus diesem Grunde mag auch die Wasserjungfrau am ursprünglichen Portal des Schlosses Strünkede angebracht worden sein, wie auch auf den Neujahrskucheneisen von Gelsenkirchen.

So scheint uns die Figur der Wasserjungfrau nicht als ein Fantasiegebilde irgendeines Baumenschen, der das Portal umändern wollten, sondern sie war ein Stück aus alter Zeit in dem Sinne, wie manche Figuren am Deelenbalken. Sie mag auch als eine Art gute Hausgeist oder Hausspuk oben über dem alten Schlossportal gethront haben; sie sollte wohl alles Ungemach vom Schlosse fernhalten. Gerade diese Figur erscheint mir ein Beweis dafür zu sein, dass die erwähnte Zeichnung den ursprünglichen Zustandes der Schlossportales wiedergibt.


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Quellen