Wilhelm Sprick
Wilhelm Sprick (geboren 9. Juni 1825 in Petershagen, gestorben zwischen 1887-1892) war Leher, Kaufmann, Rendant und Hochstapler.
Andreas Janik
Aus dem Wilden Pionierzeiten Hernes - Aufstieg, Versuchung und Vergehen in den Gründerjahren Hernes
Wer kennt sie nicht, die Pioniere des Ruhrgebiets; die Mulvanys, Krupps, Grillos, die Geesmann, Halstricks und Vogel. Um nur bei einigen Größen der weiteren und engeren Umgebung zu bleiben.
Doch was ist über die aufstrebenden Persönlichkeiten der Übergangszeit bekannt, die vielfach das Gemeindeleben mitgestalteten und so die Grundlagen unserer Heimatstadt schufen. Eigentlich nicht viel außer vielleicht ein schmucker Grabstein!
Ich möchte heute eine Persönlichkeit vorstellen, die wie keine zweite den Aufstieg der Landgemeinde mitmachte, sie in vielfacher Art und Weise mitprägte um dann doch nur ihren eigenen Nutzen daraus zu ziehen.
Wilhelm Sprick
Wilhelm Sprick ist für die Herner Geschichte so etwas wie ein Gentleman Ganove. Aus einfachen Verhältnissen und über mehrere Wege in ein für die junge, aufstrebende Landgemeinde wichtigen Posten gelangt um zum Schluss mit persönlichem Gewinn alles hinter sich lassen.
Doch alles auf Anfang:
Heinrich Friedrich Wilhelm Gottlieb Sprick, wurde am 9. Juni 1825 in Petershagen bei Minden als Sohn des Tagelöhners Heinrich Wilhelm Sprick (28.09.1792-02.06.1828) und Christine Wilhelmine Sophie Charlotte Kahlen (20.07.1798 -) geboren. Getauft am 26. Juni des selbigen Jahres wurde er schon drei Jahre später Halbweise. Seine Mutter zog nach Ovenstädt zurück und am 6. Juni 1830 wurde in der dortigen Kirche das Eheaufgebot mit Herrmann Heinrich Christian Fehling aus Eldagsen verkündet. Eine Trauung ist weder in Ovenstädt noch in Petershagen vermerkt worden. Sie blieb unverheiratet.
Was mit der Mutter und ihrem Sohn danach passierte ist nicht bekannt, jedoch scheint er in Petershagen geblieben zu sein. Sein Schulischer und Persönlicher Ruf scheint jedenfalls recht gut gewesen zu sein.
Seit 1792 wurden in Petershagen Lehrer für die Volksschulen ausgebildet, seit 1830 in einer ordentlichen Anstalt. Anfänglich mussten die Zöglinge des Kollegs, die dazu verschiedenen anderen Berufen nachgingen, z.B, Schreiber oder Bedienstete hoher Herren, nur „Fertigkeiten im Lesen und einige Übung im Rechnen und Schreiben nachweisen.“ Für Sprick galt dann das neue Prozedere: „Einreichung einer selbstverfassten Lebensbeschreibung, der Zeugnisse über ihre bisherige Vorbereitung, ihren Gesundheitszustand, die an ihnen im letzten Jahre wiederholte Vaccination (Impfung), sowie eines verschlossenen Zeugnisses ihres Pfarrers über ihr sittliches Verhalten“.
Die Volksschul-Lehrerausbildung war von Preußen zu dieser Zeit schon geregelt. Nach der eigenen Volksschulzeit (ca. 8 Jahre) ging der zukünftige Lehrer zunächst bei seinem oder einem anderen erfahrenen Lehrer in die „Lehre“. Im Anschluss daran fanden ein Vorbereitungskurs und dann die eigentliche Seminarzeit statt. Die Ausbildung zum Volksschullehrer dauerte dann alles in allem rund sechs Jahre. Wilhelm Sprick verließ also die Volksschule mit ca. 14 Jahren und trat in das Seminar ein.
Sechs Jahre Später dann der Abschluss – mit Erfolg - Die Amtsblätter der Bezirksregierungen Münster und Arnsberg teilten gleichlautend mit:
„Bekanntmachungen des Königl Provinzial Schul Collegii.
Nach der am 28. und 29. vor Mts im evangelischen Schullehrer=Seminar zu Petershagen abgehaltenen Prüfung sind folgende Seminaristen für wählbar zum Schulamte erklärt worden:
[…]12. Wilhelm Sprick aus Petershagen.
Mit den Zeugnissen sind den Geprüften Auszüge aus den Prüfungs Verhandlungen ausgehändigt woraus die Leistungen derselben in einzelnen Lehrfächern zu ersehen sind wobei wir bemerken daß bei Ertheilung der Zeugnisse nicht allein auf die erworbenen Kenntnisse sondern auch auf die Gesinnung Gemüthstimmung und sittliche Führung Rücksicht genommen ist.
Münster den 21. August 1845.“
Kaum drei Wochen später wurde er zu seiner ersten und neu Monate darauf zur endgültigen Einsatzstelle beordert:
Am 16. September 1848 klärt uns dazu die Personal Chronik der Königl Regierung zu Arnsberg zuerst auf:
„Der Schulamts Candidat Wilhelm Sprick von Petershagen ist provisorisch zum Lehrer und Organisten bei der evangelischen Gemeine zu Werl ernannt-„ um am 30. Juni 1849 mitzuteilen:
„Die bisherigen Lehrer Sprick zu Werl und Nohl zu Haßlinghausen sind zu Lehrern, Organisten und Cantoren bei der evangelischen Gemeine zu Herne, Kreises Bochum, ernannt worden.“
Friedrich Dransfeld schrieb dazu in seiner Geschichte der Gemeinde Herne, dass er am 24. Mai 1849 als Nachfolger des zuvor vom Amt enthobene Lehrer Hermann Klappert gewählt worden sei. Bei der Aufteilung der Schüler in zwei Geschlechtsgetrennte Ober- und gemeinsame Unterklassen, übernahm er die männliche Oberklasse. Alles in allem waren um 500 Kinder auf zwei/drei Lehrer und seit 1857 eine Lehrerin verteilt.
Zehn Jahre später, im Jahre 1859, schied er als Lehrer freiwillig aus dem Dienst , doch warum?.
Herne zum Ende der 1850er Jahre
Die Entwicklung Hernes vom landwirtschaftlich, kleinkrämerischen Dorf zur prosperierenden Landgemeinde startete mit dem Bau und Eröffnung der Landchausee von Bochum nach Recklinghausen, der Bochumer- und Bahnhofstraße, in den Jahren 1839 bis 1841. 1845 wurde das erste wirkliche Postamt eröffnet. Es folgte bis 1847 die Eröffnung der Köln-Mindener-Eisenbahn mit ihrem Haltepunkt dem Bahnhof Herne-Bochum. 1855 wurde die Grubenfeld Markania I und II als Bergwerkseigentum für die Zeche Shamrock eingetragen und der Bochumer Kaufmann Endemann beginnt mit der Mutung der Zeche „Von der Heydt“; Die Bergbaugeschichte Hernes begann.
Nach 10 mehr oder weniger erfolgreichen Jahren im Schuldienst privatisierte er sich und nannte sich „Kaufmann“. Bei der 1857 gebildeten Gesellschaft „Herner Dampfmühlen – Handlungs – Kommanditgesellschaft“ bzw. seit 1859 „Heinrich Schlenkhoff und Comp.“ genannt, trat er nun als Gesellschafter in Erscheinung. Diese Mühle war die erste industrielle Groß-Anlage dieser Art in der Umgebung und versuchte – leider ohne Erfolg – das bäuerliche Getreide der Gegend im großen Stil zu mahlen und zu veräußern.
Dieser Verbindung kam für ihn allem Anschein nach auch für eine neue Gründung zugute, die Gründung seiner eigenen Familie.
Aus alter Herner Bauernfamilie stammte Maria Catharina Dorothea Weusthoff (1837-nach 1903). Ihr Onkel Georg Weusthoff war der letzte private Mühlenbesitzer vor dem Verkauf an die neue Gesellschaft und brauchte vermutlich einen Garanten seines Einsatzes. Ein in Rechnen sachkundiger angeheirateter Neffe kommt doch da gerade recht.
1860 nannte sich Wilhelm Sprick also Kaufmann, 1861 schon Mitbesitzer, bevor es mit der Mühle bergab ging. 1862-1865 war er „nur“ noch Buchhalter der Gesamtgesellschaft. Das sollte noch eine Rolle spielen.
1867 war sein Berufstitel „Communal-Empfänger“.
Ein Kommunal-Empfänger war die staatlich anerkannte öffentliche Zahlstelle für alle Arten von Steuern. Auch das Schulgeld wird in der Regel an den Communal-Empfänger entrichtet, und von diesem wie andere Kommunalsteuer beigetrieben. Einen bestimmten Satz davon, z.B. 4% der Summen , durfte er als Bezahlung behalten. Ein üppiges Gehalt von ca. 4.000 bis 5.000 Talern sprang schlussendlich dabei heraus. Über alle Kassen musste er vierteljährlich eine kurze und jährlich eine umfangreiche Rechenschaft ablegen. Auch das Geld der Armenkasse der ev. Gemeinde Herne nahm er ein. „Bis in die neueste Zeit hatte einer der Diakone die Verwaltung der kirchlichen Armenkasse und mußte jährlich die Rechnung anfertigen; jetzt zieht der von der Kirchengemeinde bestellte und besoldete Rendant Sprick die Einkünfte ein, und werden dieselben von einem Diakon und Beschluß des Presbyteriums und auf Anweisung des Pfarrers verausgabt.“
Um die für die Bürgerschaft wichtigen Beträge zu verwalten, den steigenden Kreditbedarf zu decken und das Geld insgesamt in und für Herne zu behalten, kam die Idee auf eine eigene Bank zu gründen. Der Ehrenamtmann Friedrich von Forell beförderte das Ganze, ließ nicht locker und auch die umgebenden Landgemeinden schlossen sich einer Gründung an. Auch die Regierungsbehörden standen wohlwollend dem Projekt gegenüber und genehmigten die Geschäftsaufnahme zum 1. Januar 1867.
Auch der Verwaltungsvorstand war schnell gefunden: drei Administratoren und drei Stellvertreter. Die Rendantenwahl wurde weitaus schwieriger, denn es gab mehrere Bewerber und die Ansprüche waren groß. Ein Mann von hoher Integrität, einen eigenen Kassenraum und eine Kaution von 1000 Mark mussten gestellt werden.
Die Wahl fiel, trotz einiger Zurückhaltung der Wahlversammlungsmitglieder und des Ehrenamtmanns auf Wilhelm Sprick:
Er ist Communalempfänger, Kirchen- und Schulkassenrendant, war vorher Reisender und Buchhalter, hatte elf Jahre lang als Elementarschullehrer gewirkt und kannte sich auch gut aus unter den neumodischen Dingern da, den Kuxen und Aktien; schließlich hatte ihn auch der Herr Pfarrer empfohlen, was nicht übersehen werden durfte, kurzum, dieser Mann war der Richtige.“
Die eigenen Kassenräume wurden auch bald darauf bezogen. Mitten in der Gemeinde lag das Haus Schulstraße 3. Ein typisches Haus der Gründerjahre aus rotem Ziegel in 1 ½ geschossiger Bauweise. Der Keller war halbhoch errichtet und fünf Stufen führten in der Mitte der Front zum Eingang. Mit den heutigen repräsentablen Gebäuden der heutigen Herner Sparkasse hatte das Garnichts zu tun.
Der Start der Sparkasse glückte – zunächst.
Der Geschäftsbetrieb florierte und wurde schnell rentable. Schon Ende 1867 wurden 172 Konten mit einem Einlagenbestand von 82.283 Talern, 10 Silbergroschen und 5 Pfennige geführt.
1875 kam das Ende des Talers und die Mark wurde verpflichtend eingeführt. Den Umtauschkurs DM zu € (1,95583) werden die meisten Kennen, aber Taler zu Mark? 1 Taler = 3 Mark, 1 Silbergroschen = 0,10 Mark und 1 Pfennig = 0,0083 Mark.
Nach der Gründerzeit kam aber auch eine Gründerkrise, welche mit dem Gründerkrach 1873 begann. Spekulationsgeschäfte schlugen fehl und einige spekulative Firmengründungen zerplatzten wie Seifenblasen. Für Herne führte Sprick noch relativ geschickt durch die nächsten Jahre, erwarb sich weiteres Ansehen und verkaufte sich dabei recht ordentlich. Dass das alles nur Schein war, zeigte sich spätestens nach der Revision der Kassen im Sommer 1876.
Schon im „Reglement die Einrichtung des Sparkassenwesens betreffend“ vom 12. Dezember 1838 heißt es unter der Nummer 19: „Die Ober=Präsidenten und Regierungen sollen aber verpflichtet seyn, diesen Instituten eine fortwährende besondere Aufmerksamkeit zu widmen, sich von der Zweckmäßigkeit und Ordnung des Betriebes zu überzeugen, außerordentliche Kassenrevisionen vorzunehmen und anzuordnen und wo sie Unordnung und Mißbräuche bemerken, mit Ernst auf deren Abstellung zu dringen.“
Das war für Herne wohl nicht so ganz gelungen.
„Sparkassenrendant Sprick verschwand am 22. November 1876 und wurde nie wieder gesehen. Spekulationssüchtig, der Kuxerei verfallen, flottlebend, auch wohl guten Freunden gefällig, hatte er sich kaum zu überbietende Nachlässigkeit der Administratoren zunutze gemacht und Gelder der ihm anvertrauten Kassen in erheblichem Umfange unterschlagen, unbemerkt von dem „… Cassen-Controleur Laborenz, der als gerichtlicher Kassenbeamter hier die Qualität eines Sachverständigen hatte, und zwar gegen Vergütung, daß dieser für solche Schäden aufzukommen unzweifelhaft verpflichtet ist.“ […] und erst im Jahre 1902 konnte sie [die Sparkasse] daran denken, einen Reservefond neu zu bilden; bis dahin mußten die Überschüsse zur Deckung des Defizits verwendet werden. Auch die Garantiegemeinden zahlten bis 1900“
Um aus vielen Zeitungsausschnitten keinen eigenen Roman zu verfassen, habe ich alle mir frei zugängliche Berichte chronologisch hintereinander getragen um von Seiten der damaligen Zeitungsreporter aufzuklären. Lesen und staunen Sie wie in den 1870er Jahre berichtet wurde.
4277. 3209. Der Rendant Wilhelm Sprick aus Herne ist der Unterschlagung amtlich empfangener Gelder verdächtig und flüchtig. Ich ersuche um Verhaftung und Vorführung.
Bochum, den 23. November 1876 - Der Staatsanwalt
Signalement: Sprick ist etwa 50 Jahre alt, vielleicht 5´7“ groß, trug bisher einen graumelierten bräunlichen Vollbart, hat sehr starke buschige Augenbrauen, gelbe Gesichtsfarbe, tiefliegende blaugeräderte große Augen, eine gekrümmte Nase, auf deren rechten Seite sich eine frische Narbe befindet, schmutzige, etwas defecte Zähne und an der rechten Hand einen steifen Finger.
„Herne, 27. Nov. Nachdem der Kreissecretär Herr Weber aus Bochum schon über acht Tage eine außerordentliche Revision der hiesigen Sparkasse vorgenommen und grobe Unregelmäßigkeiten in der Verwaltung und nicht unerhebliche Defecte in der Kasse festgestellt hatte, ist der Rendant Sprick plötzlich verschwunden und wird bereits steckbrieflich verfolgt. Heute ist der Herr Regierungspräsident Steinmann in Begleitung des Herrn Landrats von Bockum-Dolffs hier eingetroffen, um nähere Untersuchungen vorzunehmen und die Höhe der Defecte festzustellen.“
„Herne, 28. Nov. Nachdem schon am Samstag Nachmittag das Gerücht verbreitet war, Herr Sprick sei an der holländischen Grenze mit einer Summe Geldes verhaftet, soll er jetzt in Brüssel wirklich verhaftet, und dies der Königl. Staatsanwaltschaft per Draht mitgetheilt sein. Der uns eben zugegangenen „Schw. Ztg.“ Wird von hier berichtet, daß das bei sämtlichen Kassen, Spar-, Communal-, Kirchen- und Schulkassen, veruntreute Geld die enorme Höhe von 180,000 Thrn. erreichen soll.“
„Herne, 29. Nov. Aufsehen und Unwillen erregt das Verschwinden des Sparkassen=Rendanten und Communalsteuerempfänger Wilhelm Sprick, der eben steckbrieflich verfolgt wird, weil er der Unterschlagung amtlicher Gelder und der Flucht verdächtig ist. Die Summe der veruntreuten Gelder soll eine sehr bedeutende sein. Sprick war ein „Reichsfreund“, wie er im Buche steht, und ein „Gebildeter“ comme il faut . Nach der „“liberalen“ „Westf. Ztg.“ War er Vorsitzender der aus den „besseren“ Kreisen bestehende Gesellschaft „Erholung“, Vorstandsmitglied allermöglichen sonstigen „gutgesinnten“ Vereine, fog. „General“ des Kriegervereins und Festredner bei passenden und unpassenden Gelegenheiten.“
„Herne, 3. Dez. Der flüchtige Rendant Sprick soll in Brüssel verhaftet worden sein. Der „Schw. Ztg.“ Wird von hier berichtet, daß das bei den verschiedenen Kassen (Spar-, Communal- Kirchen- und Schulkassen) veruntreute Geld die enorme Höhe von 180,000 Thalern (?) erreiche“.
„Herne, 3. Dez. Die Gerüchte von der Verhaftung des flüchtigen Rendanten Sprick haben leider bisher noch keine Bestätigung erfahren. Wie hier nach der „Westf. Ztg.“ verlautet, hat Sprick über zahlreiche Spareinlagen nur mit seinem Namen quittiert, so daß die Sparkasse rechtlich nicht für dieselben haftet. Ob auch Fälschungen der Bücher vorgekommen sind, ist noch nicht constatiert. Sprick, der neben einem nicht unbedeutenden Vermögen ein beträchtliches Einkommen hatte, ist während der Gründungsperiode zu sehr gewagten Spekulationen getrieben worden, die, wie es scheint, sein Privatvermögen vollständig verzehrt haben.
- Wie die „W. Ztg.“ meldet, soll Sprick 2 Tage vor seiner Flucht noch einen wohlhabenden Verwandten, K. bei Crange, um eine bedeutende Summe (13,000 Thaler) beschwindelt haben. Zu diesem kam er mit der Bitte, ihm für einige Tage, da er gerade Revision in der Sparkasse habe, die Summe, von der S. wußte, das sie K. im Hause habe, zu leihen, weil ihm verschiedene Ausstände ausgeblieben seien. Ger gute Mann ging darauf ein und übergab ihm das Geld, auf Wunsch gegen einen persönlichen Handschein. Dies Geld wird K. ohne Frage wohl verlieren müssen.
Wie wir weiter vernehmen, soll es Sprick einige Stunden vor der Flucht auch geglückt sein, in Recklinghausen noch 3000 Thaler loszubringen. Von dort soll derselbe per Wagen bis in die Nähe des hiesigen Bahnhofs gefahren sein, um dann spurlos zu verschwinden.“
„Herne, 5. Dez. Bei der heutigen Subhastation der hiesigen Dampfmühle ist dieselbe, wie wir hören, dem Herrn H. Schlenkhoff hier für 3000 Mark, sage Dreitausend Mark, zugeschlagen. Außer dem großen Mühlengebäude mit seinem maschinellen Einrichtungen für zwölf Mahlgänge gehört dazu noch eine Wassermühle und ein Wohnhaus. Die hiesige Sparkasse soll darauf 75,000 Mark Hypotheken haben, ein Vertreter derselben aber nicht zugegen gewesen sein.-„
„Durchgegangen. Da erzählt die Berl Volks Ztg folgendes Vorkommniß aus Herne aber natürlich ohne Moral. Große Aufregung und theilweise auch Bestürzung hat hierselbst das in der letzten Woche erfolgte Verschwinden des in ganzen Amte allgemein bekannten hiesigen Sparkassen Rendanten Communal und Kirchensteuer Empfängers Sprick hervorgerufen. Sprick hat Jahre lang in der hiesigen Gemeinde eine bedeutende Rolle gespielt, war Vorsitzender der aus wohlhabenderen Kreisen der Gesellschaft bestehenden „Erholung“, sogenannter „General“ des hiesigen Kriegervereins und Vorstandsmitglied aller möglichen sonstigen gutgesinnten Vereine, auch Festredner bei passenden und unpassenden Gelegenheiten. Dem Vernehmen nach hat Sprick schon seit längerer Zeit aus den ihm anvertrauten Kassen bedeutende Beträge unterschlagen, so daß sich der Verlust derselben auf Tausende von Thalern belaufen dürfte. Leider ist sein Verschwinden erst einige Tage, nachdem es erfolgt, entdeckt worden. Der Mann war freilich kein Sozialdemokrat aber eine liberale Gesellschaftsstütze.“ ]
„Herne, 10. Dez. Die Gerüchte von der Verhaftung des flüchtigen Rendanten Sprick haben leider bisher noch keine Bestätigung erfahren. Wie hier verlautet, hat Sprick über zahlreiche Spareinlagen nur mit seinem Namen quittiert, so daß die Sparkasse rechtlich nicht für dieselben haftet. Ob auch Fälschungen der Bücher vorgekommen sind, ist noch nicht constatiert. Sprick, der neben einem nicht unbedeutenden Vermögen ein beträchtliches Einkommen hatte, ist während der Gründungsperiode zu sehr gewagten Speculationen getrieben worden, die, wie es scheint, sein Privatvermögen vollständig absorbiert haben.“
„Bochum, 10. Dez. [1876] Als ein Zeichen der flauen Zeit verdient bemerkt zu werden, daß am 5. D. an hiesiger Gerichtsstelle die Herner Dampfmühle für sage und schreibe dreitausend (?) Mark dem Unternehmer Schlenkhoff in Herne zugeschlagen ist. Die ohnehin durch Sprick schwer geschädigte Herner Sparkasse soll mit 25,000 Thalern an dem Etablissement hängen.“
„Herne, 11. Dez.; […] Die Amtsversammlung von Herne hat auf die Ergreifung resp. Entdeckung des flüchtigen Sparkassen-Rendanten Sprick eine Belohnung von 1000 Mk. Gesetzt.“
„Herne, 18. Dez. Wie neuerdings hier verlautet, werden wahrscheinlich eine Anzahl der von Sprick früher verwalteten Kassen doch noch ohne Verlust aus der Angelegenheit hervorgehen. Es sind nämlich in nicht wenigen Fällen die üblichen Revisionen derartig vollzogen worden, daß den betreffenden Gemeinden Entschädigungsansprüche an die mit der Revision betrauten Personen zustehen. Die Unterschlagungen Sprick´s dürften demnach in zahlreichen weiteren Privatkreisen ihre bösen Spuren hinterlassen. – Ueber den derzeitigen Aufenthaltsort Sprick´s weiß man bis jetzt noch nichts Bestimmtes.“
„Der flüchtig gewordene Sparkassen=Rendant Sprick in Herne, ein Conservativer, zeichnete sich in früheren Jahren dadurch aus, daß er wiederholt Mitglieder der liberalen Partei wegen angeblich politischer Vergehen denunzierte.“
„Herne, 31. Dez. Der durchgebrannte Rendant Sprick soll sich in der Schweiz aufhalten. Wie sehr man dem „Hochangesehenen“ Sprick seine enorme Unterschlagungen erleichterte, geht aus folgender Mittheilung der „Hern. Ztg.“ Hervor. Nachdem das Blatt erwähnte, daß die Beaufsichtigung der Kassen, welche Sprick verwaltet, sehr mangelhaft gewesen sein muß, fährt es fort: „In dieser Beziehung kommen jetzt wirklich haarsträubende Dinge an den Tag. So ist glaubhaft erzählt, daß die vorgeschriebenen vierteljährlichen Revisionen der großen Anzahl von Kassen in kaum einer halben Stunde abgemacht, die jährliche außerordentliche Revision auch nicht viel mehr Zeit erforderte; daß für alle Kassen nur ein Schrank benutzt, obschon zwei feuerfeste Schränke von den Gemeinden angeschafft sind; daß sonach dasselbe Geld bald als Sparkassen-, bald als Communalkassen-Bestand und Auctionskasse diente, da nie sämtliche Kassen zugleich revidiert sind. Dabei hatten alle Haushaltungs-Angehörigen Sprick´s incl. Mägde offenen Credit bei der Kasse. Einen wirklichen allen Kassen umfassenden Abschluß hat Sprick sicher seit Jahren nicht mehr gemacht. Wenn allein schon die maßlosen Speculationen Sprick´s zu verschärfter Aufsicht hätten veranlassen sollen, so hätte es der Umstand noch mehr thun sollen, daß er in den seltenen Fällen seiner Anwesenheit am Orte höchstens Morgens eine Stunde und Nachmittags eine Stunde auf dem Bureau anwesend war, von einer Kassenführung durch den Rendanten sonach kaum die Rede sein konnte. Alle diese Umstände hatten aber den Aufsichtsbehörden keinen Anlaß zur strengeren Controle gegeben. Ob die Gemeinden resp. Jeder Einzelsteuernde hierdurch nicht das Recht hat, sie verantwortlich für alle Schäden zu machen, dürfte sich fragen und ist jedenfalls des Versuches werth.“
„ Gegen Ende vorigen Jahres suchte in Bochum der Rendant Shennen zu Anfang dieses Jahres in Herne der Sparkassenrendant Sprick Letzterer mit 115 000 Mark das Weite.“
1878
„Herne, 14. Jan. Wie uns von verschiedenen Seiten mitgetheilt ist, wird die Verwaltung des hiesigen Amtes in nächster Zeit in andere Hände übergehen, und dadurch fast die ganze Verwaltung hier neu werden. Möchte doch die Aufsichtsbehörde endlich einen Mann an die Spitze der Verwaltung stellen, der wirklich die Verwaltung kennt, denn in unserer industriereichen Gegend, welche die Thätigkeit der Verwaltung in so verschiedener Art und Weise erfordert, kann eine Verwaltung durch einen Offizier, welcher mit den hieseigen Verhältnissen total unbekannt ist, unmöglich segensreich werden, wie leider so viele Beispiele der letzten Vergangenheit bewiesen haben. (H. Ztg.)“
„Herne, 19. Jan. Herr Hesse hat vorgestern sein Amt als Amtmann des hiesigen Bezirkes niedergelegt.“
„31. Jan. […] Als Nachfolger des früheren Amtmanns Hesse in Herne ist Herr Amtmann von Bock, bisher Amtmann in Langerfeld, ernannt worden. Derselbe, ebenfalls ein ehemaliger Offizier, steht im Rufe eines tüchtigen und humanen Verwaltungsbeamten.“
„Der „Märk. Spr.“ Enthält folgende Bekanntmachung: „Der Sparkassen-Rendant Herr v. Carnap zu Herne ist unter heutigem Tage zum Communal-Empfänger der Gemeinden der Aemter Wanne und Herne ernannt worden, was hierdurch zur Kenntniß gebracht wird. Bochum, den 15. Februar 1877. Der Landrath v. Bockum-Dolffs.“
„Herne, 5. März. Unsere jetzige Sparkassen-Verwaltung hat in Folge der letzten Dokumentenprüfung eine ganze Menge von Kapitalien gekündigt; ob durch diesen Schritt die jetzige herrschende Noth gerade gebessert wird, erlaube ich mir sehr stark zu bezweifeln. Bei der Prüfung sind übrigens ein großer Theil recht faule Documente ermittelt worden, welche die statutenmäßige Sicherheit nicht gewähren. Das bis jetzt ermittelte Sparkassendeficit beläuft sich auf 100000 Mk., wenn jedoch noch Verluste bei den faulen Hypotheken hinzukommen, so dürfte sich dasselbe noch ziemlich bedeutend erhöhen.“
„Herne, 4. Okt. Die Mitglieder des Curatoriums der hiesigen Sparkasse sind, wie uns mitgetheilt wird, durch Resolut der zuständigen Verwaltungsbehörde, für die bis jetzt auf 345,000 Mark ermittelten Defecte des durchgebrannten Rendanten Sprick für haftbar erklärt. (W.V.)“
„Herne, 29. Okt. Die Sprick´schen Unterschlagungen sind jetzt festgestellt, der Defect unserer Sparkasse beträgt nicht weniger als 115.000 Mark und auch in der Communalkasse hat man einen solchen von 17,000 Mk. Entdeckt. Die Herren Revisoren, meistentheils vertrauensselige Landleute, müssen nun den Sack lappen, da man ihnen von allen Seiten den Vorwurf macht, sie hätten zu leichtsinnig die von S. verwalteten Kassen revidiert, und in Folge dessen sind in letzter Zeit mehrere mit beträchtlichen Cautionen auf ihren Grundstücken zur Sicherheit für diese Unterschlagungen beglückt worden.“
„Nebenbei sei noch bemerkt, daß Schennen ein Einkommen von jährlich 4-5000 Thlr. Hatte. Sein „liberaler“ College Sprick in Herne, der vor einigen Monaten ebenfalls nach Unterschlagung amtlicher Gelder davongemacht hat, bezog fast dasselbe Gehalt.)“
„Zu Beginn der schlechten Jahre [Gründerkrise] ist dieser unter Mitnahme einer großen Summe in die Schweiz geflüchtet. Alle Anträge auf Auslieferung wurden damals abgelehnt. (Vater hat dadurch damals viel Geld Verloren)“
Leo Reiners erwähnt in seinen Schriften zur Geschichte der Bahnhofstraße und seiner Nebenstraßen des Öfteren von Konkursen bzw. Zwangsversteigerungen in den Jahren 1877 bis 1879. Diese werden sich auf jedenfalls auf die Sprickschen faulen Hypotheken beziehen.
- Bahnhofstraße 103: Besitzer Kaufmann Otto Flanhard, diesem wurde es aber 1877 zwangsversteigert, wodurch es in den Besitz der Herner Amtssparkasse kam.
- Bahnhofstraße 134: Ökonom Wilh. Vieting. Von diesem erwarb im Jahre 1877 der Bäcker und Wirt Wilhelm Neweling den für seinen noch im gleichen Jahre erfolgten Hausbau.
- Bahnhofstraße 130: Schreinermeister Wilhelm Bornträger: Dieser Besitz wurde aber 1878 versteigert und von dem Ökonom F. W. Hülsmann erworben.
- Haldenstraße 1/3: Bergmann Heinrich Stackelbeck: Das von ihm erbaute Haus fiel 1879 durch Zwangsversteigerung an die Sparkasse der Ämter Herne und Wanne, die 1000 Taler Darlehen gegeben hatte. (Das Jahr 1879 hat, wie auch die folgenden Häuser zeigen, eine Menge Zwangsversteigerungen gebracht.)
Letzte Nachwehen
Der Rentner F. H. Siepmann zu Rellinghausen, Prozeßbevollmächtiger: Rechtsanwalt Rußel zu Essen, klagen gegen den früheren Rendanten W. Sprick, früher zu Herne, jetzt unbekannten Aufenthalts, auf Grund unter der Behauptung, daß der Beklagte im Juli 1876 in Erfüllung eines Kaufgeschäfts dem kläger 9 Anteile der Bohrgesellschaft Prinz Friedrich Karl zedirt, auch die Umschreibung auf den Namen des Klägers beantragt habe, daß jedoch die Anteilscheine innerhalb der vertraglichen Frist von 14 Tge nicht übergeben sind, da Beklagter, ohne seine Verpflichtungen erfüllt zu haben, vorher flüchtig geworden ist, mit dem Antrage: 1. Das Urteil für vorläufig vollstreckbar zu erklären, event. Gegen Sicherheitsleistung. 2. Den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 30,000 Mark nebst 4 % Zinsen seit dem Tage der Klagezustellung zu zahlen.
Der Kläger ladet den Beklagten zur mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits vor die 4. Zivilkammer der Königlichen Landgerichts in Essen auf den 17. Oktober 1903, vormittags 9 Uhr, mit der Aufforderung, einen bei dem gedachten Gerichte zugelassenen Anwalt zu bestellen.
Zum Zwecke der öffentlichen Zustellung wird dieser Auszug der Klage bekannt gemacht.
Essen, den 22. Juni 1903. 4.O. 269/03.
Boneko, Gerichtsscheiber des Königlichen Landgerichts.
Im Sterbeeintrag seiner Tochter Clara wird Wilhelm Sprick als zuletzt in Indiana, USA, lebend und bereits verstorben bezeichnet. Doch schon 1892 erscheint seine Frau im Herner Adressbuch als Witwe. Umfangreiche Recherchen brachten nur einen Henry Sprick zu Tage, welcher angab Amerikaner zu sein und obendrein Farmer. Am 30.09.1896 kam er mit dem Schiff Noordland aus Antwerpen mit zwei Koffern in New York an. Das Alter (70J|6Mt.) passt zu unserem Wilhelm, Farmer allerdings nicht. In Indiana ist keine Person seines Namens oder ähnlicher Daten als verstorben verzeichnet.
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Literaturverzeichnis
- • Allgemeine Buchbinderzeitung, 29.12.1876
- • Amtsblatt für den Regierungsbezirk Arnsberg
- • Amtsblatt für den Regierungsbezirk Düsseldorf
- • Amtsblatt der Regierung in Münster
- • Angermann, Gertrud: Ein Gruppenbild in zwei Versionen- Ein Beitrag zur Geschichte der Lehrerausbildung in Petershagen und der Fotografie. In Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins Jg48 (1976)
- • Castroper Anzeiger
- • Dransfeld, Friedrich: Geschichte der evangelischen Gemeinde Herne, Essen 1875
- • Düsseldorfer Volksblatt
- • Geck, : Topographisch-historisch-statistische Beschreibung der Stadt Soest und der Soester Börde, Soest, 1825
- • Grossmann, Karl: Das Lehrerseminar zu Petershagen ; 1831-1925. Festschrift zur Jahrhundertfeier 1931
- • Haus der Abgeordneten des Preußischen Landtags: Stenographischer Bericht. Band 1/1878
- • Jahresbericht des Kgl. Archigymnasiums zu Soest, 1886.
- • Rendschmidt, F.: Systematisches Repertorium der in der Gesetz-Sammlung für die k. preußischen Staaten, 1855
- • Sparkasse der Stadt Herne: 100 Jahre Sparkasse der Stadt Herne, Herne 1967
- • Stache, Hermann, Die Entwicklungsgeschichte der Herner Volksschulen, – erster Teil - Von der Pfarrschule zur Elementarschule, Herne 1964
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