Ein trauriger Tag
Es gibt Tage im Leben, die bleiben einfach „haften“. So den Tag als ich meine Frau kennenlernte, den Tag unserer Hochzeit oder die Tage, an denen unsere Töchter geboren wurden.
Dann gab es da noch einen Tag, der eigentlich ein Freudentag für einen Teil meiner damaligen Freunde werden sollte. Es war im Jahre 1963. Meine Freunde Georg, Heinz, Udo, Helmut die beiden Peter und ich hatten nämlich im Frühjahr die staatlich verordnete „Musterung“ durchlaufen. Innerhalb weniger Wochen hatten wir nacheinander die Einladungen zu dieser ärztlichen Untersuchung erhalten, die damals im Sportlerheim am heutigen Westring gegenüber dem Stadion am Schloss Strünkede liegt, stattfand. Eigentlich hatten wir Sieben damit gerechnet, dass die Bundeswehr nicht auf uns verzichten kann. Doch es kam anders. Nur die beiden Peter, Helmut und Udo erhielten später ihre Einberufungsbefehle. Udo musste zu den Pionieren nach Minden, Helmut zu einer Instandsetzungskompanie in der Nähe von Hannover, der schwarze Peter wurde zur Marine auf einen Zerstörer und der große Peter zu einer Transporteinheit ebenfalls in Norddeutschland einberufen. Nur Georg, Heinz und ich waren nicht für die Bundeswehr geeignet, was uns aber nicht unbedingt traurig stimmte.
So beschlossen wir, bevor das Quartett endgültig die Uniformen anzog, noch einmal ausgiebig zu feiern. Wir legten daher den 23. November als unseren großen Festtag fest. Egon Hohmann, der freundliche Wirt des „Goethe-Ecks“, unsere damalige Stammkneipe an der Ecke Mont-Cenis-Straße/Goethestraße, hatte uns einen großen Tisch im hinteren Gesellschaftsraum überlassen. Natürlich war der Ablauf der Musterung die die bevorstehenden, fiktiven „Einsätze“ des Quartetts ein beliebtes und ein nie enden wollendes Thema. Plötzlich stürmte der Wirt in den Raum, was ungewöhnlich war, weil der Gastraum eigentlich das Reich der „Schwarzen Helga“, der Bedienung, war. „Es ist etwas schreckliches passiert,“ meinte der Wirt.
Wir schauten Egon Hohmann verdutzt und fragend an. „Was denn?“, fragte einer aus der Runde.
„Kennedy ist tot, er wurde ermordet...“
„Was...“ Fassungslos schauten wir uns an. Minutenlang schwiegen wir. Schüttelten fassungslos die Köpfe.
Wir konnten es einfach nicht glauben, der Mann, der die Kuba-Krise gemeistert hatte, den Berliner an der damals kurz zuvor errichteten Mauer Mut und Trost zusprach, der große Hoffnungsträger der westlichen Welt sollte tot sein. Meine Freunde und ich mochten den 35. Präsidenten der USA, daher war unsere Bestürzung auch ehrlich und nicht gespielt.
Recht niedergeschlagen schlichen wir Sieben an diesem Abend nach Hause. Es war auch das letzte Mal, dass sich unser Runde traf, danach war alles anders. Familie und Beruf waren irgendwie wichtiger geworden. Der Tag, an dem John F. Kennedy starb, bleibt aber für mich ein denkwürdiger Erinnerungstag.
Meinen Freund Helmut – seit Jahren auch mein Schwager – musste damals unter anderem einen Teil seines Wehrdienstes im niederländischen Buddel ableisten, bevor er ins niedersächsische Wunstdorf zurückversetzt wurde. Von Buddel aus brach seine Einheit, es war im Sommer 1964, zu einem Manöver nach Haltern auf. Ich fuhr hin, um mal zu schauen, wie so etwas abläuft. Die „armen“ Soldaten hausten im Sommer in kleinen Tarnzelten in der Nähe der sogenannten Panzerstraße. Nur von Ferne sah ich meinen Freund, der mich mit einem sehr gequälten Lächeln begrüßte. Zufriedenheit sah jedoch anders aus. [2]
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Einzelnachweise
- ↑ Dieser Text wurde von Friedhelm Wessel zur Verfügung gestellt. Der Text darf nicht ohne Genehmigung verändert oder weitergegeben werden.
- ↑ Ein Artikel von Friedhelm Wessel