Die Arbeiterunruhen in Herne (Wien 30.06.1899)

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Originaltext aus dem Deutsches Volksblatt Wien 30. Juli 1899 S. 12 [1]

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Der nachfolgende Text ist kritisch zu betrachten. Zur historischen Einordnung siehe: Herner Aufstand 1899

Die Arbeiterunruhen in Herne

Ueber die Ausschreitungen der Grubenarbeiter in Herne liegen nun detaillirte Berichte vor. Dieselben waren — was übrigens auch aus den telegraphischen Berichten hervorging — sehr ernster Natur und erreichten ihren Höhepunkt am vorgestrigenTage. Am frühen Morgen des selben wurde seitens des königlichen Landrathes Spude ein Plakat astigirt,welches zur Ruhe und Ordnung mahnte. Dasselbe wurde von den Strikenden mit Hohngelächter aufgenommen. Kaum angeschlagen, war es auch schon heruntergerissen.

DesTages über wurde eine ganze Reihe von Verhaftungen vorgenommen und zwar an den verschiedensten Stellen. In hohe Gefahr gerietst ein berittener Gendarm aus Baukau,welcher mit einem Collegen zwei Arrestanten zum Wachtlocal bringen wollte. Im Hotel Schlenkhoff, als der Gefangenen-Transport eben um die Ecke in die Seitenstraße bog, wurde er von den Strikenden bemerkt, die nun auf die Beamten losstürmten. Im nächsten Augenblicke flogen die Ziegelsteine, und einer der Burschen feuerte sogar aus einem Revolver Schüsse ab. Einer der Gendarmen, der etwas zurückgeblieben war, machte daraus ebenfalls von seiner Schußwaffe Gebrauch, traf aber Niemand. Er mußte dann seinem Pferde die Sporen geben, um sich in Sicherheit zu bringen. Er ritt verfolgt von der johlenden Menge, vom Neumarkt bis zur katholischen Schule, wo er Halt machte; aber nicht lange konnte er dem Volkshaufen Trotz bieten, denn ein förmlichr Steinregen sauste auf ihn hernieder.

Die eben erwähnte Attake sollte das Vorspiel eines furchtbaren Zusammenstoßes sein, der leider auch Menschenleben kostete. Einige Minuten später hatte sich die Menge, an der Polizeiwache vorbei, bis zur Ecke der Mont Cenis- und Bahnhofstraße begeben.

Dort wurde von den Strikenden zunächst ein Mann verfolgt, welcher an der Uhrkette das „Schlägel und Eisen" trug, und der sich erlaubt hatte, mit einem Polizeibeamten zu sprechen. Man hielt diesen für einen Spion und wollte ihn mißhandeln, doch gelang es dem Bedrohten, zu entkommen.

Es rottete sich daraufhin gegenüber dem Hotel Wünnenberg vor dem Hause des Kaufmannes Putsch ein riesiger Volkshaufcn zusammen, bestehend aus Männern, jungen Burschen und auch Frauen. Die Polizeibeamten und Gendarmen, welche die Situation überschauten, wollten sich zurückziehen,wurden aber bei ihrem Fortgehen in der gemeinsten Weise verhöhnt. Der Tumult erreichte seinen Höhepuukt: denn man ging hier zum förmlichen Angriff über. Aus der Menge heraus fielen Schüsse: Stöcke wurden durch die Luft geschwungen und von hüben und drüben flogen Steine auf die Beamten.

Die Polizeibeamten sowohl, wie Gendarmen hatten als bald ihre Schußwaffen zur Hand, welche sie in die Menge feuerten. Eine ganze Anzahl Menschen stürzte getroffen zur Erde, während die übrigen auseinanderstoben. Als man den Verwundeten zu Hilfe kam, zeigte es sich, daß alle durchwegs schwer verletzt waren. Ein junger Pole starb unmittelbar nach seiner Einlieferung in's Hospital; ein anderer soll sofort auf der Stelle todt geblieben sein. Vor dem Hause des Kaufmannes Pötzsch befanden sich große Blutlachen. Die Katastropbe blieb selbstverständlich nicht ohne Einfluß auf die Gemüther, und allmälig wurde es still in den Straßen. Einen eigenartigen Anblick bot die Bahnhofstraße, wo schon gegen 7 Uhr fast sämtliche Kaufläden ihre Rollläden heruntergelassen hatten . . .

Für die reichsdeutsche Presse, welche der sogenannten „Zuchthausvorlage" sympathisch gegenübersteht, sind natürlich diese Vorgänge nur Wasser auf ihre Mühle; allein mit Unrecht, da zur Niederhaltung derartiger Excesse gewiß die bestehenden Strafgesetze im Deutschen Reiche völlig ausreichen. Man bestrafe die Rädelsführer dieser Scandale auf Grund derselben einmal exemplarisch und man wird sich dann überzeugt haben, daß die Ruhe und Ordnung bei Ausständen auch ohne der „Zuchthausgesetze" aufrechterhalten werden kann.

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Quellen