Die Stadt, der Mond und der Kitsch

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Merchandising mit Musik und anderem Schnickschnack

Wolfgang Berke

1966: unser erster Italien-Urlaub. Der Familienkäfer quält sich den Brenner-Pass hinauf. Oben angekommen darf der Motor abkühlen und die Familie sich die Beine vertreten. Ebenfalls auf dem Parkplatz eine Familie aus Süddeutschland. Der Sohn dieser Bayern studiert interessiert unser Kennzeichen (WAN-S 50) und ruft zu seinem Vater rüber: „Guck mal, Papa, die kommen vom Mond!“ – Mann, was habe ich mich geschämt ...

Die Ursache meiner vorübergehenden Identitätskrise war ein damals vier Jahre alter Schlager von Friedel Hensch und den Cyprys, die den französischen Gassenhauer Un clair de la lune à Maubeuge von Pierre Perrin und Claude J. Blondy auf Deutsch adaptiert hatten als Der Mond von Wanne-Eickel.

Der nette kleine Spottgesang im Tango-Rhythmus hatte mit meiner Heimatstadt genauso wenig zu tun wie Friedel Hensch und ihre Gesangsgruppe, die Cyprys. „Wanne-Eickel“ passte einfach phonetisch (man hätte genauso gut Castrop-Rauxel nehmen können) und der Mondschein am Rhein-Herne-Kanal erschien ebenso romantisch wie ein Abend auf dem Balkon in (sagen wir mal) Frankfurt-Heddernheim.

Nach anfänglicher Irritation arrangierten sich die Wanne-Eickeler, und vor allem die Offiziellen, mit dem Lied. Ende der 1960er Jahre legte das Presseamt der Stadt Wanne-Eickel sogar eine Sonderedition des Mond-Liedes als amtliches Präsent der Gemeinde für ihre wichtigen Gäste auf. Was immerhin deutlich origineller war als der ewige Bierseidel mit Stadtwappen. Auf der Rückseite der städtischen Schallplatte las der (Wanne-Eickeler) Schauspieler Ernst Schröder Texte des (Wanne-Eickeler) Dichters Fred Endrikat. Nicht schlecht, aber die originale Rückseite von Friedel Hensch gefiel mir doch deutlich besser: Was macht der Mann da auf der Veranda.

Neben dem musikalischen Glaubensbekenntnis, für das ja eigentlich weder Wanne-Eickel noch ein Wanne-Eickeler verantwortlich waren, gab es in den 49 Jahren der Bindestrich-Stadt noch eine Fülle von Schnickschnack, die von der Stadt selbst oder von ortsansässigen Unternehmen unters Volk gebracht wurden, das damit seine Heimatverbundenheit demonstrieren konnte. Diese mehr oder weniger nützlichen Gegenstände konnte man ins Regal stellen oder in die Tasche stecken.

Man konnte sie seinen Gästen schenken oder unters Bierglas schieben, man hängte sie an die Wand oder klebte sie auf die Auto-Heckscheibe.

Der Sammler Werner Herold hat für dieses Buch sein Schatzkästchen geöffnet. Einige dieser und ähnlich schräger Kultgegenstände kann man aber auch noch kaufen, z.B. im Antiquariat von Alfred Schimpf an der Claudiusstraße oder – mit etwas Glück – auf Flohmärkten in der Nachbarschaft.


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Quellen

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