Abschiebung und Ausweisung

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Bekanntmachung einer Ausweisung[1]

Susanne Peters-Schildgen

Waren Staat und Behörden in der Anfangsphase der Masseneinwanderung wegen des herrschenden Arbeitskräftemangels um eine schnelle Einbürgerung und damit einhergehend um eine langfristige Bindung ausländischer Arbeitskräfte an den Wohnort bemüht, so wurde bereits in den 1890er Jahren auf der Grundlage der preußischen Gesetzgebung zunehmend von deren Abschiebung und Ausweisung Gebrauch gemacht. Ausgewiesen wurden Personen, die für Staat und Behörden eine Belastung darstellten, z. B. weil sie straffällig oder infolge von Krankheit arbeitsunfähig und somit mittellos geworden waren, sich der Militärpflicht in ihrem Heimatland entzogen oder öffentliches Ärgernis erregt hatten. In der Fremde mühsam aufgebaute Existenzen wurden auf diese Weise mit einem Schlag zerstört. Besonders rigoros gingen Staat und Behörden gegen Saisonarbeiter aus Kongresspolen[Anm. 1] und dem österreichischen Galizien[Anm. 2] vor, deren Arbeitskraft unerlässlich war, deren Sesshaftwerdung jedoch vermieden werden sollte. Einen Kompromiss bot seit 1895 die saisonale Beschäftigung dieser Arbeitskräfte in den mittleren und westlichen Landesteilen Preußens in der Landwirtschaft. Alljährlich im Spätherbst erfolgte ihre "Abschiebung": Erst im folgenden Frühjahr durften sie wiederkehren. Bei Überschreitung der winterlichen Sperrfrist und illegaler Arbeitsaufnahme in der Industrie drohte ihnen die zwangsweise Ausweisung.

Opfer der Ausweisungspolitik Mitte der 1990er Jahre waren besonders Migrantinnen aus den nicht zur Europäischen Union gehörenden Staaten. Nach dem damaligen § 19 des Ausländergesetzes mussten sie die Ausweisung befürchten, wenn sie in den ersten vier Jahren ihrer Ehe, z. B. aufgrund von Gewalterfahrungen, die Scheidung beantragten oder die eheliche Wohnung verließen.

WAZ Herne, 04. November 1992[2]

Nach Inkrafttreten des neuen Asylgesetzes am 1. Juli 1993 hatte sich die Situation für Asylsuchende und illegal eingewanderte Flüchtlinge in der Bundesrepublik drastisch verschlechtert. Von 1993 bis 1995 sank der Anteil der Asylsuchenden an der ausländischen Bevölkerung in Herne von 7,5 % auf 5,8 %. Eingeschränkte Rechtsmittel und kurze Rechtsmittelfristen beschleunigen das Asylverfahren, das in den meisten Fällen mit der Abschiebung endete. Waren es um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert sogenannte "Überwachungsbeamte", welche die auszuweisenden Ausländer zum Bahnhof begleiteten und gegebenenfalls die Rückreise ins Herkunftsland nach einer von der ausweisenden Behörde genau ausgearbeiteten Reiseroute kontrollierten, organisierte in den 1990er Jahren das Herner Ausländeramt die Rückfahrt der Betroffenen in die Heimat, die im Dienstwagen zum Flughafen gefahren wurden.

Zur Sicherstellung der Abschiebung wurde die Abschiebehaft angeordnet. Für Abschiebehäftlinge galten die gleichen Haftbedingungen wie für Untersuchungshäftlinge. Einmal im Monat wurden für eine halbe Stunde Privatbesuche gestattet. Die meisten Gefangenen wussten nicht einmal warum sie inhaftiert wurden. Von 1992 bis 1994 diente das Herner Hafthaus am Bergelmanns Hof als "Abschiebegefängnis". Im zumeist überfüllten Hafthaus spielten sich Tragödien ab, die im Tod des sudanesischen Flüchtlings Emanuel Thomas Tout gipfelten. Aus Angst vor der drohenden Folter in seiner von einer Militärdiktatur regierten Heimat hatte er Zuflucht in Deutschland gesucht und war abgewiesen worden. Er starb nach einem Selbstmordversuch am 25. Dezember 1993.




Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Autorin und der Stadt Herne[3]
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Anmerkungen

Quellen

  1. Aus: Amts-Blatt der Königlichen Regierung zu Arnsberg, 1899, Nr. 1506
  2. Dieser Artikel und dieses Bild wurden von der Westdeutschen Allgemeine Zeitung für das Hün un Perdün-Wiki zur Verfügung gestellt und unterliegen dem Urheberrecht. Bei einer Verwendung dieser Abbildung und dieses Textes außerhalb des Hün un Perdün-Wikis ist die Genehmigung beim Zeitungsverlag einzuholen. Die Genehmigung umfasst Veröffentlichungen u.a. aus der Westdeutschen Allgemeine Zeitung und den Ausgaben aus Beständen des Herner Stadtarchivs.
  3. Aus: Auf dem Weg ins Paradies? Wanderungsbewegungen im Ruhrgebiet am Beispiel Herne, Seiten 21 - 23