Der Bergelmannsche Hof zum Abbruch bereit

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Museum macht noch Inventur

Der Bergelmannsche Hof zum Abbruch bereit
Wahrzeichen des dörflichen Herne verschwindet / An seiner Stelle ein „Haus der Kultur"

In nächster Zeit wird Herne um einen Zeugen aus seiner Vergangenheit armer werden: Das alte Fachwerkhaus am Nordrand des Friedrich-Ebert-Platzes mit der Hausnummer 2 soll abgebrochen werden. Am vergangenen Freitag zog als letzter Bewohner des ehemaligen Bauernhauses die junge Familie Wojak mit ihrem zweijährigen Kind aus und bezog eine Dachkammer unweit der Herne/Bochumer Stadtgrenze an der Bochumer Straße. Im Bergelmannschen Hof wohnte eine zwölfköpfige Familie von Eltern, Kindern und Kindeskindern.

Seit geraumer Zeit zeigten sich erhebliche Verfallserscheinungen an dem 138 Jahre alten Fachwerkhaus, Der Unwettersturm, der vor einigen Wochen soviel Schaden im Herner Stadtgebiet angerichtet hatte, ließ auch diesen alten Zeugen aus dem vergangenen Jahrhundert nicht ungeschoren, sondern riß auch ein respektables Loch in das Pfannendach.

An anderer Stelle waren Lehmbewurf und Mauerwerk aus dem Fachwerkrahmen gefallen. Schließlich pfiff der Wind durch handbreite Ritzen im Scheunenteil, der bis zuletzt als Abstellraum für Markthändler diente. Im Hausinnern sah es nicht viel besser aus: Der Fußboden war an einigen Stellen geborsten, Zimmerwände zum Teil eingestürzt oder schief und einsturzbedroht.

Unter diesen Umständen lohnte es sich nicht, den Fachwerkbau zu restaurieren. Gestern stöberten Angestellte des Emschertalmuseums in dem Bauernhaus herum, maßen es aus und transportierten ein paar alte Möbelstücke ab. Museumsdirektor Brandt reflektiert auch auf das Balkenwerk über dem Tor zur Westseite des Hauses. Dort prangen eingeschnitzt eine Reihe von Buchstaben, darunter

„Anno 1821, den 10. Julius, M. D. Knap"

und die beiden Bibelsprüche „Wachet, denn ihr wisset weder Tag noch Stunde der Herr kommen wird" und „Nun so will ich immerdar kämpfen, beten, wachen, zum Entfliehen der Gefahr stets mich fertigmachen". Wenn man das altersschwache und baufällige Gebäude betritt, muß man zum Entfliehen vor der Gefahr stets bereit sein.

Und wenn in einigen Tagen die Spitzhacke an die Fachwerkmauem gelegt wird, werden die langjährigen Befürworter eines Abbruchs des Bauernhausses triumphieren, die in dem Fachwerkbau seit langem einen Schandfleck der modernen Innenstadt sehen. Mindestens ebensoviele alte Herner Pohlbörger werden jedoch dem einzigen Zeugen aus Hernes Vergangenheit im Stadtkern sicher ein wenig nachtrauern. Bleibt vorerst noch der alte Birnbaum, an dem Dutzende von jungen Jahrgängen verbotenerweise die Früchte schüttelten. An dieser Stelle soll das Kulturhaus zu stehen kommen, für das die erste halbe Million bereits angespart ist. Den Berglemannschen Hof, der in der Erinnerung als Straßenname bleibt, zu erhalten, hätte Unsummen verschlungen. Und dann hätte er immer noch als Fremdkörper in der Umgebung der Steinbauten des Behördenviertels samt Gefängnis gewirkt. [1]

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Quellen

  1. Text und Bilder des Originalartikels der Westfälische Rundschau Nr. 192 vom 21. August 1959