Eine typische Hausform in Alt-Herne
Eine typische Hausform in Alt-Herne
In den älteren Stadtteilen sind noch heute besondere Hausformen aus dem vergangenen Jahrhundert zu finden, die vielleicht besonders für die alten Bergbaustädte, aber wohl auch für einige der aus kleineren Ackerbau-Städten zu Industrie-Städten zusammengewachsenen Großstädte typisch sind. Diese Häuser wurden im Laufe der letzten 50 Jahre vielfach durch Fassaden modernisiert und andere Umbauten so verändert, daß ihre unverfälschte Art immer seltener geworden ist. Ehedem spielten sie eine größere Rolle im Leben der älteren Herner, da sie verhältnismäßig billig und schnell zu errichten waren. Um was für eine Hausform es sich handelt, zeigen meine eigens für unsere Monatsschrift aufgenommenen Fotos. So ein Haus der anderhalbstöckigen Bauweise kostete 1898 einschließlich Bauplatz und großem Garten um 12 000 Mark, Ja, das waren noch Zeiten, wird mancher denken. Für- 12 000 Mark ein Haus, worin für damalige Verhältnisse bequem drei Familien wohnen konnten!
Aber vor dem Krieg 1914/18 war auch diese Summe ebenso schwer zu verdienen, wie in unseren Jahren vielleicht 50 000 bis 60 000 DM, zumal die Bauherren durchweg „kleine Leute" waren, meist Arbeiter und Handwerker. Sie hatten daran in vielen Fällen fast ihr ganzes Leben lang zu zahlen. Aber immerhin, sie wohnten im eigenen Haus, und Mieten kamen dazu noch ein. In so einem Haus des älteren Typus wie unser Bild 1 zeigt, konnten durchweg drei, manchmal vier Familien wohnen. Unten rechts -und links des Eingangsflures je eine und oben meist eine Familie, zur Not auch eine vierte. Im oberen halb Stockwerk waren die Zimmer wegen des Satteldaches bis auf den Dach-vorbau schräg. Das störte niemanden, die Hauptsache man hatte ein Dach über sich. Für einen Schrank und für ein paar Bilder die man aufzuhängen hatte, genügten die seitlichen Steilwände. — Und und was wurde an Bildern schon auf-gehängt?! Meist war es das Hochzeitsfoto des Ehepaares, das Foto von Opa und Oma, ER. mit hochgedrehtern Kaiser-Wilhelm-Schnurrbart und SIE in altmodischer Tracht, — Röcke bis auf die Knöchel und die Bluse hochgeschlossen. Ja, damals war man noch „züchtig", und wenn nicht, dann merkte es so leicht niemand. Heutzutage muß es jeder sehen, wie „lieb" sich die jungen, allzujungen Leutchen haben. Na, noch ein paar Jahre, dann haben wir -uns alle daran gewöhnt und sehen es nicht mehr, und die Jungen tuns aber dann auch nicht mehr; — das ist eben die „Macht der Gewohnheit"! - Doch das als Bemerkung nebenbei.
Im oberen Stockwerk solch eines Eigentums gab es nur ein Zimmer mit gerader Decke und geraden Wänden, eben das in dem Dachvorbau. Es war auch am größten, denn hier war die Küche, hier spielte sich das tägliche Leben ab. Wer hatte damals schon ein Wohnzimmer? ! Nur hier konnte man vornheraus durch ein Fenster nach dranßen schauen und sehen, was die Kinder trieben, ob der Nachbar wieder angetrunken nach Hause kam oder ob die Kajunke´sche mit der Hinterfuß´schen schon wieder klatschte. Früher sagte man gemeinhin die „Mickel´sche" und nicht die Frau Mickel, oder der Gatte sagte nicht meine Frau, sondern „minge oder meine Ölschke" Da war nichts dabei, daran stieß sich niemand.
Unser hier zu besprechender Haustyp ist in der letzten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts aus der gleichen Form aus Fachwerk hervorgegangen, wie nur noch wenige in Herne vorhanden sind, so an der Westseite der Ringstraße, nicht weit von Schulte-Uhlenbruck in. Herne-Börnig. Im letzten Viertel des vorigen Jahrhundert war man von dieser Fachwerkbauweise abgekommen, aber traditionsgetreu und weil man noch keine andere billigere, bequemere Hausform entwickelt hatte, baute man unseren Anderthalbstockbau in Ziegelsteinen weiter. Das war auch „moderner". Was damals oder überhaupt in den Zeitläuften als „modern" herausgestellt wurde, ist wenige Generationen oder noch früher belächelt worden. — Aber keine Schadenfreude! — Uns wird es ebenso ergehen!
Die ursprüngliche Form also war mit einem einzigen Haupteingang in der Mitte der Front (Bild 2). Bisweilen wurde später auch ein. Seiteneingang gebrochen, wenn man separat ein- und ausgehen wollte oder mit seinem unteren Nachbarn „Krach hatte". Im Laufe der Zeit aber wurden gleich beim Bau oder durch Umbau in der Front zwei nebeneinander liegende Hauseingänge geschaffen, für je zwei Mietparteien, unten und oben (Bild 3). Diese Häuser waren natürlich teurer und waren dann nicht mehr für 12 000 Mark zu haben, zumal ja auch zwei Treppen eingebaut werden mußten. Um 1900 und später kam man darauf, diese Hausform auf 2 ½ Stockwerte zu erhöhen, indem einfach ein zweites Stockwerts mit geraden Wänden und Decken zwischengeschaltet wurde. Das brachte mehr Wohnungen und damit mehr Mieten (Bild 4). Von dieser mehr gegliederten Hausform gab und gibt es nicht mehr viele Beispiele in Herne, zumal sie sich bald überlebt hatten. Schon nach 1918 baute man ganz anders.
Auch das Bauen wandelte sich bis heute, wo ja ein „Bungalow" anscheinend der letzte Schrei ist. Ja, wahrscheinlich gibt es da keine feststehenden Begriffe mehr, alles scheint sich gewandelt zu haben und wandelt sich ständig, manche älteren Zeitgenossen kommen da nicht mehr mit und ihre ständige Redensart ist: „Zu meiner Zeit war das ganz anders!" Nun, das glauben wir gern, denn nichts ist halt beständiger als der Wechsel! Das lohnt sich bei einem Rummel durch die Stadt einmal zu überlegen. [1] [2]
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Quellen
- ↑ Aus Herne - unsere Stadt - August/September 1965
- ↑ Text und Bilder von Karl Brandt