Der Wanne-Eickeler, die Wanne-Eickelerin

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Wolfgang Berke

Wer oder was ist eigentlich „der Wanne-Eickeler“?

Moment! Richtig müsste es die Wanne-Eickelerin und der Wanne-Eickeler heißen, denn statistisch gesehen sind die Damen in der Überzahl. Aber der besseren Lesbarkeit halber – verzeihen Sie mir liebe Leserinnen – belasse ich es in diesem Kapitel bei dem Wanne-Eickeler.

Unsere Stadt liegt zwar in Westfalen, die wenigsten Bewohner sind aber westfälischen Ursprungs. Ein Blick zurück: Vor 150 Jahren lebten auf dem heutigen Stadtgebiet gerade mal 400 Leute. Wären sie unter sich geblieben, hätte Wanne-Eickel heute vielleicht 5.000 Einwohner oder ausgesprochen kühn geschätzt: 10.000. Tatsächlich sind es heute aber weit über 70.000 Menschen, und zwischenzeitlich waren es sogar mal mehr als 100.000.

Mit Beginn der Industrialisierung kamen die Vorfahren vieler heutiger Wanne-Eickeler aus dem Münsterland und aus Ostwestfalen. Einige Jahre später trafen Tausende aus Ost- und Westpreußen, aus der Provinz Posen und aus Schlesien in Wanne-Eickel ein. Auch Österreicher, Holländer, Belgier und Luxemburger suchten ihr Glück im Ruhrgebiet, auf den Wanne-Eickeler Zechen gab es Arbeit genug. Das Sprachengewirr unter- und übertage wurde durch eine gemeinsame Sprache abgelöst, in der sich Begriffe und Idiome aus den unterschiedlichsten Muttersprachen wiederfanden. Nur vom westfälischen Platt blieb relativ wenig übrig.

Das Miteinander der Nationalitäten und Mentalitäten funktionierte erstaunlich gut, die lebensnotwendige Solidarität der Bergleute untertage galt auch oben in den Kolonien und Wohnvierteln. Toleranz und gegenseitiger Respekt zeichneten die Wanne-Eickeler ebenso aus, vor allem dann, wenn man sich nicht gerade liebte. Und wenn man sich dann doch liebte, trafen sich Westfalen mit Masuren, Münsterländer mit Schlesiern und wer mit wem auch immer.

Viele Traditionen und Mentalitäten verschmolzen und wurden zu den Wanne-Eickelern, die von allem etwas haben: Großzügigkeit, Ehrlichkeit, Direktheit – aber auch Sturheit nebst gesundem Dickschädel. Nicht immer leicht zu knacken, aber wenn er mal auftaut, dann hat man mit dem Wanne-Eickeler einen Freund für immer.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es noch einmal richtig eng in unserer Stadt, Flüchtlinge und Aussiedler aus Pommern, aus dem Danziger und Königsberger Raum landeten in Wanne-Eickel nach ihren langen Odysseen. Und das Wirtschaftswunderland Bundesrepublik lockte wenig später dann die ersten so genannten Gastarbeiter ins Ruhrgebiet. Drei Dutzend Italiener trafen im Februar 1955 in Wanne-Eickel ein, fünf Jahre später arbeiteten schon mehr als 4.000 Menschen aus dem Mittelmeerraum in Wanne-Eickel. Nach den Italienern kamen Spanier, Griechen, Jugoslawen und schließlich Türken nach Wanne-Eickel.

Viele von ihnen sind in Wanne-Eickel geblieben, manche wurden Deutsche und viele junge Wanne-Eickeler kennen die Heimat ihrer Eltern nur noch von Urlaubsreisen. Der statistische Ausländeranteil liegt bei knapp 15 Prozent – und auch heute noch sind Toleranz, Solidarität und gegenseitiger Respekt gefragt wie vor 100 Jahren. Aber darin haben wir ja Übung, und das gilt nicht nur für die Koslowskis, Jablonskis oder Kaczmareks.


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Quellen

Der Wanne-Eickeler, die Wanne-Eickelerin