Ein neues Amt in der Stadtverwaltung

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
Dieser Artikel ist aus der Bürgerillustrierten "Herne - unsere Stadt - 1989" entnommen (sic!)
Mit freundlicher Genehmigung von Oliver Schmeer, der Stadt Herne, Pressebüro und des Stadtarchivs Herne

Mehr Schutz für Natur und Umwelt

Daß Umwelt und Natur eines besonderen Schutzes bedürfen, darüber herrscht heute bei Bürgern und Politikern Einigkeit. Und seitdem hinreichend bekannt ist, daß Umweltschutz Arbeitsplätze schafft, ist auch die Wirtschaft diesen Vorstellungen gegenüber nicht mehr abgeneigt. Die Gewerkschaften übrigens auch nicht.
Doch darüber, wie Umwelt- und Naturschutz zu realisieren sind, gibt es unterschiedliche Auffassungen.
Spätestens seit im gesamten Ruhrgebiet Altlasten zuhauf zu Tage getreten sind, ist das Thema für die Revier-Kommunen brisant geworden.
Bereits im September 1988 hat deshalb die Stadt Herne einen Umweltschutzausschuß eingerichtet. Und seit Dezember 1988 arbeitet das neugeschaffene Amt für Umweltschutz an der Umsetzung der politischen Beschlüsse und der Koordination aller Maßnahmen. Welche Aufgaben dieses neue Stadtamt zu bewältigen hat, hat für die Bürgerillustrierte Oliver Schmeer recherchiert.

Die abgewetzten hölzernen Stufen rühren noch von den amtlichen Vorgängern her. Doch auch mit einem neuen Anstrich hätte das Treppenhaus in dem Altbau an der Markgrafenstraße 8 bereits wieder etliche Macken. Hinter der tristen Fassade, die zumindest zum Teil mit - programmatischem? - Grün umrankt ist, herrscht treppauf, treppab geschäftiges Treiben: Am 1. Dezember des vergangenen Jahres begann der erste Arbeitstag für das neugegründete Amt für Umweltschutz.
Noch ein Amt mehr im aufgeblähten Verwaltungsapparat der Kommune? Umweltschutz in einer dicht besiedelten Stadt, in der grüne Umwelt und naturnahes Leben Mangelware sind? Jedoch, städtischer Raum bedarf ökologischer Planung und Kontrolle, gerade in einer großen Kommune müssen im Umweltschutz „die Pferde in eine Richtung laufen", umschreibt Dietrich Scholz, schon an Erfahrungen gereifter Leiter des Umweltamtes, die behördliche Notwendigkeit. Und: „In einer Revierstadt wie Herne sind Konflikte sehr schnell spürbar".

Erfolg setzt Kooperation voraus

In der Verwaltungsvorlage des Oberstadtdirektors Dr. Roland Kirchhof las sich der Vorstoß zur Amtsgründung im Frühjahr des vergangenen Jahres wie folgt: „Die Einrichtung eines Amtes für Umweltschutz soll dem gestiegenen Stellenwert des Umweltschutzes in Politik und Gesellschaft Rechnung tragen".
„Umweltschutz ist Querschnittsarbeit", stellt Dietrich Scholz klar. Die Erfahrungen auch aus anderen Städten hätten gezeigt, daß umweltpolitische Arbeitskreise ohne Befugnisse Papiertiger seien und an den Ämteregoismen scheiterten. Da sei zudem kein Raum für eigene Ideen, eigene Konzepte gewesen. An der Markgrafenstraße wird jetzt, so versichert der Amtsleiter ausdrücklich, kooperativ mit den anderen Ämtern zusammengearbeitet - gleichrangig und miteinander. Daß das Umweltschutzamt dem Oberstadtdirektor direkt unterstellt ist, mag die Arbeit erleichtern.

Neue Konzepte für die Abfallwirtschaft

Für den Bürger hört sich die Abteilungsorganisation des Umweltamtes gleichwohl arg technokratisch an; 30 Fachleute, darunter Geologen, Raumplaner, Wasserbauingenieure, Verfahrenstechniker, aber auch Verwaltungsfachleute, Biologen und Ingenieure für Umwelthygiene arbeiten in den drei Abteilungen Abfallwirtsschaft, Umweltplanung/Ökologie/Hygiene und Wasserwirtschaft/Altlasten. Auch Amtsleiter Scholz macht sich die Sache nicht einfach: „Wir sind keine selbstvergessenen Naturfreunde und schmücken uns auch nicht mit 15 Alibi-Bäumen in einem Industriegebiet". Auch das - sehr wichtige - „Krötenzählen" bestimme nicht die Arbeit.
An den Schreibtischen in der Markgrafenstraße sitzen vielmehr „Umweltmanager", die sich auf dem schmalen Grat zwischen moderner Industriegesellschaft und ökologischer Zukunft bewegen. „Ökonomie und Ökologie sind für mich noch nie Widersprüche gewesen", gibt Scholz die Marschrichtung an und bestätigt gleichzeitig die sich immer mehr durchsetzende Lösung „Umweltschutz schafft Arbeitsplätze".
Gleichermaßen als akademisch-wissenschaftlicher wie praxisorientierter Umweltanwalt kommt dem Amt daher die Aufgabe zu, städtische Planung auf ihre „Umweltverträglichkeit" abzuklopfen, Konzepte für die Abfallwirtschaft zu entwickeln und die Altlastenentsorgung auf den Weg zu bringen. Man müsse „den Fuß in der Tür haben", nur mit festen Pflöcken ließen sich umweltpolitische Ziele durchsetzen, bemüht sich Scholz, die politische Wirkung und Arbeit des Amtes zu erklären.

Kleinarbeit wird groß geschrieben

Eine der mühseligsten Hauptaufgaben der städtischen Umweltschützer ist die Datenerfassung, Da bemüht sich das Amt, Verzeichnisse zu erstellen, ein Abfallkataster ein Biotopkataster, ein Abwasserkataster, ein Altlastenkataster und und und. Landesmittel fließen in das Modellprojekt einer aufwendigen Öko-Datenbank, das „Geographische Umweltinformationssystem". Doch das Wissen wird sich auszahlen: Praktisch per Knopfdruck lassen sich dann für jedes kommunale oder unternehmerische Projekt die ökologischen Rahmenbedingungen und Folgen ermitteln.
Die zeitaufwendige Kleinarbeit des Umweltamtes sieht so aus: Mit Dienstausweis, Betretungsrecht und Bußgeldblock „bewaffnet", spulen die Mitarbeiter ihre behördliche Aufgabe ab. Als Untere Abfallbehörde kümmert sich das Amt um wilde Müllkippen, überprüft Autowaschanlagen und kontrolliert die Abwassereinleitung der großen Unternehmen; als Untere Landschaftsbehörde stellt das Amt Reitplaketten aus, schaut Jägern und Anglern auf die Finger. „Bis zu 70 Prozent unserer Arbeit ist behördliche Tätigkeit", beschreibt Scholz den oft grauen Alltag. Ein Alltag, der meist über Schadensregulierung nicht hinauskommt, ein Alltag aber auch, der in seiner Kontrollfunktion offenbar notwendig ist und in den nächsten Jahren noch umfangreicher werden wird. Scholz: „Die gesetzlichen Bestimmungen und Auflagen werden immer strenger und damit unsere Arbeit noch umfassender".
Die restlichen 30 Prozent bezeichnet Scholz ais „Zuckerstückchen" Arbeiten ohne Routine, den Kopf voller neuer Ideen. Nicht ohne Stolz verweist Scholz darauf, daß sich das Amt neue Aufgaben erschließt, einige Forschungsprojekte ins Auge gefaßt hat und die Arbeit der Stadtverwaltung konzeptionell mitgestaltet.

Verständliche Informationen für alle Bürger

Der Amtsleiter nennt Beispiele für die neuen Wege, die in Herne gegangen werden können. In Kürze startet ein Modellversuch für Weißblech-Recycling. und die Stadt beteiligt sich an dem Landesprojekt einer Abfallberatug bei der Verbraucher-Zentrale. Hoffnungen setzt Scholz zudem auf die internationale Bauausstellung Emscherpark (IBA), die neue - auch naturnahe - Formen von Arbeiten, Wohnen und Freizeit entwickeln soll.

Zuguterletzt erinnert Scholz an Aktivitäten seines Amtes, die für den Bürger zunächst greifbarer sind. Informationen zuhauf bietet etwa der gründlich überarbeitete Umweltbericht '69, den jeder Interessierte anfordern kann; die bürgerfreundliche Umweltkarte informiert ausführlich über die Entsorgung von Problemmüll und wiederverwertbaren Abfällen; und die städtische Druckauflage „Gärtnern ohne Gift" des BUND hilft beim Umweltschutz im eigenen Grün. Im Juni hat sich das Amt zudem bei einem Tag der offenen Tür erstmals seinen Bürgern vorgestellt. Zielrichtung dieser informativen Publicity: Kontinuierliche Öffentlichkeitsarbeit ist schlagkräftiger als spektakuläre Strohfeuer. Scholz: „Wir müssen versuchen, das Bewußtsein für Umweit und Natur zu ändern". [1]

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Quellen

  1. Ein Artikel von Oliver Schmeer.