Barfuss oder Lackschuh?: Unterschied zwischen den Versionen

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Es war die Zeit, als „Blue Jeans“ und „Basketballschuhe“ der letzte Schrei der Jugendmode waren. Heute würde man sagen: Barfuss oder Lackschuh.
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Es war die Zeit, als „Blue Jeans“ und „Basketballschuhe“ der letzte Schrei der Jugendmode waren. Heute würde man sagen: Barfuss oder Lackschuh. Doch für mich stellte sich die Frage einfach nicht. Daher blieb es immer bei Barfuss. Zwar nicht wörtlich, aber als Sohn eines Arbeiters hingen die Trauben damals modetechnisch sehr hoch. Zweckmäßig und robust musste die Bekleidung, angefangen von den Schuhen bis zur Oberbekleidung, nämlich sein. Modischen Schnickschnack gab es daher bei uns nicht. Dabei galten die blaue amerikanische Arbeitshose und die Fußbekleidung der US-Ballartisten, seit den Ausschreitungen rund um das ''Astoria-Kino'' an der [[Bahnhofstraße]] als rebellisch-halbstark, denn dort war es jüngst nach der Aufführung von „Außer Rand und Band“ mit dem Rock'n Roller Bill Haley zu kleineren Scharmützeln gekommen. „Halbstarke habe nichts in unserer Wohnung zu suchen“, war daher die einhellige Meinung von Vater und Mutter nach dem Bekanntwerden der Rangelei im Kino und auf der Einkaufsmeile.
Doch für mich stellte sich die Frage einfach nicht. Daher blieb es immer bei Barfuss. Zwar nicht wörtlich, aber als Sohn eines Arbeiters hingen die Trauben damals modetechnisch sehr hoch. Zweckmäßig und robust musste die Bekleidung, angefangen von den Schuhen bis zur Oberbekleidung, nämlich sein. Modischen Schnickschnack gab es daher bei uns nicht. Dabei galten die blaue amerikanische Arbeitshose und die Fußbekleidung der US-Ballartisten, seit den Ausschreitungen rund um das ''Astoria-Kino'' an der [[Bahnhofstraße]] als rebellisch-halbstark, denn dort war es jüngst nach der Aufführung von „Außer Rand und Band“ mit dem Rock'n Roller Bill Haley zu kleineren Scharmützeln gekommen. „Halbstarke habe nichts in unserer Wohnung zu suchen“, war daher die einhellige Meinung von Vater und Mutter nach dem Bekanntwerden der Rangelei im Kino und auf der Einkaufsmeile.
   
   
Besonders als Ältester von fünf Geschwistern hatte ich nun unter der ablehnenden Haltung gegen die aufflammende Jugendrebellion mit allen Neuerungen zu leiden und empfand es als sehr ungerecht, wenn andere Schulkollegen in neuen Jeans – die damals noch ehrfurchtsvoll „Blue Jeans“ genannt wurden und in modernen, hohen Basketballschuhen an unserem [[Gaststätte Goethe-Eck|Treff]] an der Ecke [[Mont-Cenis-Straße|Mont-Cenis-]]/[[Goethestraße]] auftauchten. Die Eltern dieser Freunde waren vermutlich nicht ganz so konservativ oder verfügten über mehr Geld.
Besonders als Ältester von fünf Geschwistern hatte ich nun unter der ablehnenden Haltung gegen die aufflammende Jugendrebellion mit allen Neuerungen zu leiden und empfand es als sehr ungerecht, wenn andere Schulkollegen in neuen Jeans – die damals noch ehrfurchtsvoll „Blue Jeans“ genannt wurden und in modernen, hohen Basketballschuhen an unserem [[Gaststätte Goethe-Eck|Treff]] an der Ecke [[Mont-Cenis-Straße|Mont-Cenis-]]/[[Goethestraße]] auftauchten. Die Eltern dieser Freunde waren vermutlich nicht ganz so konservativ oder verfügten über mehr Geld.

Aktuelle Version vom 27. Januar 2018, 10:13 Uhr

Es war die Zeit, als „Blue Jeans“ und „Basketballschuhe“ der letzte Schrei der Jugendmode waren. Heute würde man sagen: Barfuss oder Lackschuh.

Friedhelm Wessel [1]

Doch für mich stellte sich die Frage einfach nicht. Daher blieb es immer bei Barfuss. Zwar nicht wörtlich, aber als Sohn eines Arbeiters hingen die Trauben damals modetechnisch sehr hoch. Zweckmäßig und robust musste die Bekleidung, angefangen von den Schuhen bis zur Oberbekleidung, nämlich sein. Modischen Schnickschnack gab es daher bei uns nicht. Dabei galten die blaue amerikanische Arbeitshose und die Fußbekleidung der US-Ballartisten, seit den Ausschreitungen rund um das Astoria-Kino an der Bahnhofstraße als rebellisch-halbstark, denn dort war es jüngst nach der Aufführung von „Außer Rand und Band“ mit dem Rock'n Roller Bill Haley zu kleineren Scharmützeln gekommen. „Halbstarke habe nichts in unserer Wohnung zu suchen“, war daher die einhellige Meinung von Vater und Mutter nach dem Bekanntwerden der Rangelei im Kino und auf der Einkaufsmeile.

Besonders als Ältester von fünf Geschwistern hatte ich nun unter der ablehnenden Haltung gegen die aufflammende Jugendrebellion mit allen Neuerungen zu leiden und empfand es als sehr ungerecht, wenn andere Schulkollegen in neuen Jeans – die damals noch ehrfurchtsvoll „Blue Jeans“ genannt wurden und in modernen, hohen Basketballschuhen an unserem Treff an der Ecke Mont-Cenis-/Goethestraße auftauchten. Die Eltern dieser Freunde waren vermutlich nicht ganz so konservativ oder verfügten über mehr Geld.

Achja, es stand mal wieder ein Geburtstag an. Mein Geburtstag des Jahres 1959. Da durfte man ja Wünsche äußern, keine großen, aber solche, die noch gerade ins Mutters schmales Haushaltsbudget passten. „Was wünscht Du Dir denn zum Geburtstag“, fragte meine Mutter daher so Anfang August. Ich überlegte nicht lange und antwortete mutig: „Eine Buttercremetorte und Basketballschuhe, die modernen, die bis an die Knöchel reichen“. Mutter registrierte kommentarlos meinen Wunsch. Nun begann die Zeit des Wartens. Dann am 19. war es endlich soweit. Morgens, noch vor Schulbeginn, stürmte ich gutgelaunt in die Wohnküche, wo Mutter gerade das Frühstück unter den Augen meiner jüngeren Geschwister zubereite.

„Alles Gute zum Geburtstag“, meinte Bruder Walter und zeigte auf den Tisch, dort stand bereits die gewünschte Buttercremetorte. „Herzlichen Glückwunsch“, sagte auch Mutter. „Und die Torte wird aber erst nachmittags angeschnitten“, setzte sie nach.

Ich sah mich um. Da lag doch ein Paket – sollten das meine gewünschten Basketballschuhe sein. Mutter ließ sich von ihrem morgendlichen Tun nicht anhalten und wies auf das Paket, das auf der kleinen, weißen Küchenanrichte lag. „Da, Dein Geburtsgeschenk. Ich hoffe, es gefällt Dir“.

Mit klopfendem Herzen ging ich zur Anrichte, hob das Paket an und fühlte. Ich merkte es sofort, es waren Schuhe. Mein Herz schlug noch schneller. Dann riss ich das Papier auf und wurde leichenblass, das bunte Papier fiel auf den hellbraunen Linoliumteppich. „Gefallen Sie Dir“, fragte Mutter, „dann probiere sie doch sofort mal an“.

Wortlos setzte ich mich auf die Eckbank neben meinen Bruder Walter, der mich frech angrinste. „Schöne Schuhe“, lachte er. Meine Schwestern Marion, Roswitha und Sigrid schauten ungläubig herüber, während ich mit hochrotem Gesicht die neuen Sandalen anprobierte, die zwar nicht modern, aber äußerst praktisch waren. So sah es jedenfalls unsere Mutter. Nur sehr widerwillig schlüpfte ich daher in die neuen Treter. Am Nachmittag verspeiste ich dann wütend und barfuss zwei Stück Torte meines Geburtstagskuchen und bekam prompt Bauchschmerzen.

Bis ich die ersten „Blue Jeans“ und „Basketballschuhe“ tragen sollte, dauerte noch weitere Jahre, denn vom ersten richtigen Taschengeld während meiner Ausbildungszeit, sparte ich mir diese „Wünsche“ zusammen, ließ mir aber auch einen neuen, modernen, mit Brisk gestärkten Haarschnitt verpassen und wurde außerdem für einige Monate eifriger Leser der „Bravo“. Meine Rebellion nahm nun langsam Fahrt auf. [2]


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Einzelnachweise

  1. Dieser Text wurde von Friedhelm Wessel zur Verfügung gestellt. Der Text darf nicht ohne Genehmigung verändert oder weitergegeben werden.
  2. Ein Artikel von Friedhelm Wessel