Brigitte Kratzenstein: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Brigitte Kratzenstein''' (geboren 1925 in Stettin, gestorben 2010 in Herne) war Kunstgewerbelehrerin und Frau des Pfarrers [[Götz Kratzenstein]].
'''Brigitte Kratzenstein''' (geboren 1925 in Stettin, gestorben im August 2010 in Herne) war Kunstgewerbelehrerin und Frau des Pfarrers [[Götz Kratzenstein]].


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Aktuelle Version vom 1. Juli 2017, 06:18 Uhr

Brigitte Kratzenstein o. J., o. O.
Brigitte Kratzenstein mit Fingerpuppen in den 80er Jahren.

Brigitte Kratzenstein (geboren 1925 in Stettin, gestorben im August 2010 in Herne) war Kunstgewerbelehrerin und Frau des Pfarrers Götz Kratzenstein.

Friedhelm Wessel [1]

Es dauerte etliche Jahre, bis Brigitte Kratzenstein die Geschichte ihres langen Lebens, das sie von Stettin ins Ruhrgebiet führte, aufschrieb. Als die Frau des langjährigen Pfarrers einmal während einer kirchlichen Veranstaltung neben den Superintendenten des Kirchenkreises Herne/Castrop-Rauxel saß, flüsterte der Pfarrer Götz Kratzenstein ins Ohr: „Ihre Frau kann ja wirklich schöne Geschichten erzählen. Sie sollte sie mal als Zeitzeugin aufschreiben.“ Und diesen Rat hat Brigitte Kratzenstein 2003 beherzigt und seitdem mehrere kleine Broschüre herausgebracht, in der sie über 160 Seiten ihr Leben, beginnend in Hinterpommern, über Castrop-Rauxel nach Herne führte.

Die Tochter eines Stettiner Apothekers kam über Umwege nach Hagen, wo sie kurz nach dem zweiten Weltkrieg ihren späteren Mann, den Theologen Götz Kratzenstein kennenlernte und heiratete. Ihr Blick zurück ist gespickt mit vielen Anekdoten und Geschichten, die sich um ihre Familie, die Gemeinde und später um die Krankenhausgemeinschaft drehen.

Die ehemalige Kunstgewerbelehrerin Brigitte Kratzenstein erinnert sich manchmal augenzwinkernd an die Zeit, als ihr Mann 1951 eine Hilfspredigerstellung an nahm und das Geld für Gardinen in der Pfarrwohnungen fehlten. Die jungen Frau, die künstlerisch sehr begabt ist, wusste sich zu helfen. Es wurde improvisiert. Und als die Kirchenleitung endlich ein zinsloses Darlehen für Gardinen und einen Talar bewilligte, kaufte sich Götz Kratzenstein von diesem Geld lieber ein wunderbares Cembalo, denn er liebt klassische Musik über alles. Später gab es drei Pfarrstellenangebote, eines sogar in Santiago de Chile, doch die Kratzensteins blieben in der Region.

Hier fiel die junge Frau des Pfarrers immer wieder auf. Unter anderem weil sie damals keinen üblichen Haarknoten, den sie verächtlich „Haleluja-Zwiebel“ nannte, trug oder während einer Gemeindebesprechung in der Sakristei schwarze Fingerhandschuhe für ihren Mann strickte. So bekam sie damals oft den Satz zu hören: “...und sie wollen eine Pfarrersfrau sein?“.

Auf dem Schweriner Berg in Castrop-Rauxel, in einer typischen Bergarbeitergemeinde, wurden die Kratzensteins Mitte der 1950er-Jahre endlich heimisch. Aber auch hier gab es kleinere Pannen, die die Gemüter der Kirchenoberen und der Gemeindemitglieder etwa erhitzten. Doch Brigitte Kratzenstein überstand alles ohne Blessuren. „Ein Gemeindemitglied hat mich sogar mit dem Fernglas aus der gegenüberliegenden Häuserzeile beobachtet. Da hat er gesehen, das ich zigarettenrauchend die Blumen goss. Am anderen Tag machte diese Begebenheit die Runde in der Gemeinde“. Sie setzte jedoch ihre Gießaktion weiterhin mit einer Zigarette in der Hand fort.

Oft musste die Frau des Pfarrers auch Almosen verteilen. Doch sie kannte ihre Bedürftigen. Geld gab es nie. Dafür Butterbrote mit Wurst. Einmal stellte ein angeblich hungriger Zeitgenosse den Fuß zwischen die Tür, als er das Butterbrot abwies, Brigitte Kratzenstein trat ihm aber kräftig auf den Fuß. Als er sich den schmerzenden Zeh rieb, sagte er laut: „… und sie wollen eine Pfarrfrau sein?“.

Als ihr Mann in den 1970er-Jahren die Leitung der evangelischen Krankenhäuser in Herne und Castrop-Rauxel übernahm, musste sich auch Brigitte Kratzenstein neu orientieren. Sie ließ sich daher unter anderem zu einer Unfall-Schwesternhelferin ausbilden und wurde ein „fliegender Engel“. Es waren Krankenhausschwester, die man überall einsetzen konnte. In ihrer kargen Freizeit widmete sich die 1925 geborene Frau unter anderem den Hobbys Scherenschnitt, Malen und Handpuppenfertigung. So besuchte sie im Alter von 75 Jahren noch einen Lehrgang in Münster. Als sie zurück ins Revier kam, hatte die engagierte und vielseitige Künstlerin ein Diplom in der Tasche: Sie war nun anerkannte Bauchrednerin. Brigitte Kratzenstein, die sich stets an dem Spruch: „Man muss lernen, mit Macken zu leben“ orientierte, starb 2010 im Alter 85 Jahren in Herne. [2]


Lesen Sie auch

Einzelnachweise

  1. Dieser Text wurde von Friedhelm Wessel zur Verfügung gestellt. Der Text darf nicht ohne Genehmigung verändert oder weitergegeben werden.
  2. Ein Artikel von Friedhelm Wessel