Haranni im Werdener Heberegister (Reiners 1935) III: Unterschied zwischen den Versionen
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Aus diesem Text ergibt sich zunächst, dass Herne damals zum Fronhofsbezirk (territorium) Waltrop gehörte. Dieses bildete zusammen mit dem Fronhofsamt (villicatio) Marten, einen Fronhofsverband. In Marten war der Haupthof, Waltrop mit seinen Unterhöfen war diesem beigeordnet. Unter den Waltrop unterstehenden Höfen wird im Gegensatz zum ältesten Urbar weder Langwede, noch Düngelen noch Castrop genannt. Wohl erscheint Haranni hier in der der heutigen entsprechenden Namensform: Herne. |
Aus diesem Text ergibt sich zunächst, dass Herne damals zum Fronhofsbezirk (territorium) Waltrop gehörte. Dieses bildete zusammen mit dem Fronhofsamt (villicatio) Marten, einen Fronhofsverband. In Marten war der Haupthof, Waltrop mit seinen Unterhöfen war diesem beigeordnet. Unter den Waltrop unterstehenden Höfen wird im Gegensatz zum ältesten Urbar weder Langwede, noch Düngelen noch Castrop genannt. Wohl erscheint Haranni hier in der der heutigen entsprechenden Namensform: Herne. |
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Zwischen 890 und 1160 ist also der Name unserer Gemeinde (bis auf ein später noch abgefallenes n) entstanden. |
Zwischen 890 und 1160 ist also der Name unserer Gemeinde (bis auf ein später noch abgefallenes n) entstanden.<ref>Anmerkung Reiners: Das hängt mit der um 1100 zu beobachtenden Wandlung in der Schriftsprache zusammen, dem Übergang vom Alt- zum Mittelhochdeutschen. Haranni ist althochdeutsch Hernen (gekennzeichnet durch Umlaut des a zu ä € und Abschwächung der volltönenden Endung) ist mittelhochdeutsch.</ref>) Es erscheint aber auch zum ersten Mal Sodingen (Sothingke). Desgleichen kehrt das schon kurz nach 900 erwähnte Holthausen wieder. Es hat indes noch seine alte Form Holthuson behalten.<ref>Erst im 13. Jahrhundert wurde aus "hus" "Haus" die Orte auf hausen behielten aber bei uns noch lange die Form husen.</ref>) Neu ist die Erwähnung von Eickel, Obercastrop und Deininghausen; Bövinghausen und Riemke sind alte Bekannte. Linde hat sich in Merklinde und Frohlinde geteilt. Auffallend ist, dass Baukau nicht vorkommt. Das kann nicht allein damit erklärt werden, dass hier die [[Strünkede (Adelsgeschlecht)|Strünkeder]] bereits weitreichenden grundherrlichen Einfluss besaßen. |
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Verändert hat sich auch die Namensart der Abgabepflichtigen. Wenn auch noch germanische Namen gewählt sind, so sind es doch schon in erheblichem Maße solche, die wir heute noch verwenden wie: Adalbert, Hermann, Heinrich, Bernhard, Dietrich (Thiederic), Siegfried, Engelbert, Albert, (Hubert?) Markward (Marquard), Gerwin u. a. |
Verändert hat sich auch die Namensart der Abgabepflichtigen. Wenn auch noch germanische Namen gewählt sind, so sind es doch schon in erheblichem Maße solche, die wir heute noch verwenden wie: Adalbert, Hermann, Heinrich, Bernhard, Dietrich (Thiederic), Siegfried, Engelbert, Albert, (Hubert?) Markward (Marquard), Gerwin u. a. |
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== der Hof Heldringhausen, == |
== der Hof Heldringhausen, == |
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der vor dem Viehtor in Recklinghausen lag. Zu ihm gehörten nicht weniger als 31 Unterhöfe oder Hofgüter. Diese lagen über das ganze Vest verbreitet, vier lagen allerdings diesseits der Emscher (Gelsenkirchen, Bulmke, Ückendorf und Querenburg). Von besonderem Interesse ist, dass das eine der vestischen Hofgüter, die „Drifthove“, zur Zeit der Klosterreform (1474) ein Gysenberger, Arndt Ghisenberch, innehatte. Auf einem Hofesgericht zu Heldringhausen (hier bestand eine richtiggehende Verfassung, die sich lange gehalten hat) im Jahre 1485, woran Abt Antonius selbst teilnahm, wurde festgestellt: „Dye Gisenberch heft dye Driffthove". (Auch mit dem werdenschen Gut Wardenbergh oder Wadenburg bei Henrichenburg waren die [[Von Gysenberg (Adelsgeschlecht)|von Gysenberg]] - vor ihnen [[Düngelen (Adelsgeschlecht)|von Dungelen]] - belehnt.) Von Interesse dürfte es noch sein, etwas über die Schenkung des Hofes Heldringhausen zu erfahren. Die Urkunde darüber, die im Urbar A wiedergegeben ist, ist nämlich abgesehen von der aus dem Jahre 834 stammenden, einen Grundstücksaustausch in Castrop behandelnden Urkunde, das älteste schriftliche Denkmal aus unserem engeren Gebiet. Die Schenkungsurkunde lautet in der Übersetzung: |
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''„Werinhard und seine Gattin Eddila übergaben in Heldringhausen an den hl. Ludgerus einen Herrenhof mit 6 Familien und allem, was zu ihm gehört an Gewässern, Wäldern, Weiden, Ackerland und Oedland, zu ihrem und ihrer Söhne (Seelen=) Gedächtnis unter der geforderten und vom Abt des Klosters Hildebrand bewilligten Bedingung, dass ihre beiden Söhne Osger und Wigger die Erbschaft Zeit ihres Lebens zu ihrem Unterhalt in Gebrauch haben sollten. Nach ihrem Tode sollte sie in das volle Eigentum St. Liudgers übergehen. Diese Schenkung wurde vollzogen am Grabe des hl. Liudger vor dem Abte Hildebrand und dem Klostervogt Hermann unter der Regierung des ruhmreichen Königs Ludwigs des Jüngeren. Zeugen dieser Schenkung waren: Benno ,Dindo, Folkger, Hremning, Wigbold, Landger, Abbo, Hatheric, Meinbald, Werinher, Wigbald und viele andere edle und nicht edle Männer, Abhängige und Freie. In Gottes Namen. Amen.“'' |
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Da Abt Hermann nach 898 dem Kloster vorstand und Ludwig der Jüngere (= der Fromme) vom 4. Februar 900 bis zum 24. September 911 regierte, ist die Schenkung Heldringhausens schon in die Zeit von 900 bis 911 anzusetzen. |
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== Strünkede erscheint == |
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In einem Heberegister der Propsteihöfe (Prepositure antiquissimum registrum) aus dem 2. Drittel des 12. Jahrhunderts finden sich nun unter Heldringhausen folgende stellen:<br> |
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;Heriman frater Benelini manens (unleserlich korrigiert) in Herne. Bernhard manens in Hilnen. Folmer m(a)nens Erkeneswic. Marburg juxta Strünkethe manens ... |
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::(Hermann, Bruder Benelins, in Herne, Bernhard in Hillen, Folmer in Erkenschwick, Marburg bei Strünkede wohnend …) <br> |
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Hier erscheint zum ersten Male im Werdener Schriftgut Strünkede. Dies geschieht um diesebe Zeit, wo auch sonst die Strünkeder urkundlich nachweisbar sind. v. Steinen fand für 1150 einen Miles Wessel de Strünkede und einen Ritter Herman v. Strünkede. Abgesehen davon, dass Herne jetzt die endgültige Form seines Namens (das n ist gefallen), gefunden hat, besagt die Stelle weiter nichts mehr. Die scheinbare Unterstellung unter den Fron und Propsteihof Heldringhausen hat für die Zukunft keine Bedeutung. Schon das Heberegister der Propstei aus der Mitte des 13. Jahrhunderts (Prepositure registrum minus) enthält wohl den Hof Heldringhausen mit fast allen Unterhöfen des Prepositure antiguissimum registrum, aber nichts von Herne oder Strünkede. |
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Dafür erscheint Strünkede unerwartet in dem Heberegister der kleineren Klosterämter aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts unter „Almosen des Abtes Gerold“. Dort heißt es: |
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:''in Berge juxta Strünkede duos s(olidos) et duos pullos.'' |
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:: In Berge bei Strünkede (sind zu liefern) 2 Solidi und 2 Hühner. |
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Mit dieser Stelle ist der Ertrag des Bandes A der von Koetzschke herausgegebenen Urbare des Klosters Werden erschöpft. Schon um die durch die Stelle „Berge juxta Strünkede“ aufgeworfenen Fragen beantworten zu können, anderseits aber auch, um den ganzen Komplex der Beziehungen Hernes zum Kloster Werden, soweit er in den Werdener Urbaren seinen Niederschlag gefunden hat, zu klären, ist es notwendig, auch den 1917 erschienenen Band B, der die Lagerbücher, Hebe= und Zinsregister vom 14. bis ins 17. Jahrhundert enthält, heranzuziehen. Was darin für unsere Zwecke zu finden ist, ist nicht viel, aber das Wenige ist von entscheidender Bedeutung. |
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Um zunächst bei den Strünkedern zu bleiben, sei berichtet, dass sich im „Heberegister der Pforte“ aus der Zeit um 1370 die Stelle findet:<br> |
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;item in Bechusen (bei Horneburg, nordöstl. Recklinghausen) 3 s(olidos), quos persolvit filius quondam Bernhardi de Strünkede (3 Solidi, die der Sohn Bernhards von Strünkede zahlte). <br> |
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Unter „Berechnungen aus der Zeit Abt Adolfs von Spiegelberg" steht mit Datum vom 30. April 1400 vermerkt: |
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;''Bernhardus de Strunkede cum officio, quod dicitur cramerampf. sicut tenet litera que super hoc est confecta, iure homagii.'' |
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Danach ist also Bernhard von Strünkede zu Mannlehnrecht mit dem sog. Kammeramt, wie der darüber ausgefertigte Brief festhält, belehnt worden. Die Folge dieser Stellung zu Kloster Werden war wohl, dass er am 18. November 1419 bei der Belehnung Friedrichs von Mörs mit Friemersheim durch den Abt von Werden als Zeuge fungierte. Die späteren Bearbeiter der Werdener Archivalien haben die spärlichen Nachrichten über das „Kammeramt“ gesammelt. In den Aufzeichnungen des Johannes Kruishaar (1506—55) über die Lehengüter werden nur Berndt von Strunckte und Johan de Strunckede als namentlich nachweisbare Inhaber des camerarii officium aufgeführt, und der Verfasser teilt mit, dass der „Kammerbeamte“ bei der Inthronisation eines neuen Abtes in der Prozession den Bischofsstuhl vor dem Abte herzutragen pflege. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts hat Duden hier hinzugefügt, dass mit dem Amte auch materielle Vorteile verbunden gewesen seien, u. a. das „Gut in dem Fresenkaiten in der Hesege". |
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Hiermit hören die nachweisbaren persönlichen Beziehungen Strünkedes zu Kloster Werden schon auf, dafür wächst sich die Stelle „Berge iuxta Strunkede" zu einem Preisrätsel aus. Sie kam, wie angeführt, in einem „Heberegister der kleineren Klosterämter“ aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts vor. Um 1430 wird erneut ein solches angelegt und wieder liest man: |
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''ltem to Berghe by Strunkede 2 s(olidos).'' |
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Ist dieses „Berge“ nun etwa Haus Berge bei Buer oder Bergen bei Hiltrop? Nein, sagt Koetzschke, das ist die Gemeinde Berge westlich Hagen, nordöstlich Gevelsberg, und das ist Strünkede in der Gemeinde Asbeck, nördlich Gevelsberg!<br> |
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Das verblüfft den Heimatfreund, besonders wenn er noch feststellt, dass im Zusammenhang des Textes von der Gegend südöstlich Herne (Ruhrtal, nördliches Sauerland) die Rede ist. Aber in einer Zusammenstellung nicht hofhöriger Klostergüter aus Schades Registern (Zeit der Klosterreform 1474—77) steht: |
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Heydenriick von Dungelen behandet mit Gut toe Bergen prope Strunkede nu gnant Kusen quet in parochia Hennen 2 pullos 2 solidos. |
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Auch hier weist die Pfarrei Hennen auf die von Koetzschke angegebene gegend hin, aber kann Hennen nicht ein Irrtum für Herne sein? Nach einer um 1520 angefertigten „''Nomenclatura parrochiarum, in quibus abbas Werdinensis sua habet feudalia situata bona'' (Namenzverzeichnis der Pfarreien, wo der Abt von Werden seine Lehnsgüter liegen hat)“ war auch in Herne ein solches Gut. Ja, im Jahre 1412 (also 100 Jahre vorher) war schon in dem Lehengüterverzeichnis des Abtes Adolf von Spiegelberg, das nach Kirchspielen geordnet ist, angeführt worden:<br> |
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;''Herne. item quondam Wernerus van der Leten cum casa in Herne (et in Berghen)''. |
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::Ebenso (war) einst ein Werner van der Leten (?) mit einem Kotten in Herne und in Bergen (in einer Parallelhandschrift hinzugefügt) belehnt.<br> |
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Schließlich kann noch das Register des Rentmeisters Gortfrid Carthui aus dem Jahre 1490/91 ins Feld geführt werden, in dem es ausdrücklich unter „Herne“ heißt: |
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;Herne. Item Dirick to Berghe von Hoeffkens gude 6 alb., 2 pu(llos) d. i. 6 Albus, 2 Hühner. |
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Das Gefälle stimmt hier (abgesehen vom Währungsunterschied) mit der ersten Erwähnung des „Berge iuxta Strunkede“ im 13. Jahrhundert überein, wo 2 Solidi und 2 Hühner gefordert wurden. Mit aller Klarheit wird hier gesagt, dass in Bergen ein Hoeffkens Gut dem Kloster Werden zinspflichtig ist. Das Register des Rentmeisters Gortfrid Carthuis stammt nun, wie angeführt, aus dem Jahre 1490/91, das berühmte Märkische Schatzbuch aber aus dem Jahre 1486. Es ist also dieselbe Zeit. Nun steht aber auch im Märkischen Schatzbuch Derick to Bergen neben Gruyter und Schult von Bergen verzeichnet. Beide Dietriche zu Bergen sind also ein und dieselben, so dass Schulte zu Bergen, nicht Grüter zu Bergen, sondern Diedrich zu Berge der Hof ist, der Werden gehörte. Wenn wir wissen, dass schon im 13. Jahrhundert dieser Hof unter „Berge iuxta Strünkede“ auftaucht, so haben wir damit den ersten der Herner Abgabepflichtigen nachgewiesen. Ob es sich dabei um den Hof des Berahtwini handelt (was in Holthausen und Sodingen lag, war ja nicht Herne), kann nicht entschieden werden. Die Möglichkeit besteht, doch wäre dann Haranni im Sinne des Kirchspiels Herne zu fassen, und dann hätten wir einen Beleg dafür, dass um 890 Herne schon eine Kirche und einen umgrenzten kirchlichen Bezirk hatte. |
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Rund 100 Jahre nach dem Märkischen Schatzbuch erscheint der Hof zu Bergen noch einmal in einem „Pacht- und Rentenbuch des Stifts Werden von Abt Heinrich Duden“, das 1589/90 angelegt ist. Dort heißt es unter |
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;Herne parochia: |
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;Validus Jodocus von Strunckte mit noch eyner unbenompter handt behfande fl mit Kusen off dat Hulz gude thu Bergen (behandet und zinspflichtig zu Martini) 2 schill, wird. 2 hoe (Hühner). |
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Oben hatten wir aus Schades Register die Stelle zitiert, wonach Heydenreich von Düngelen mit einem Gut zu Bergen bei Strünkede, nun Kusen guet genannt, in dem Kirchspiel Hennen behandelt sei. Hier finden wir nun vom Abt Duden, der sich wohl am tiefsten in die Güterwirtschaft des Klosters und seine dokumentarischen Quellen vertieft und das letzte große nach Koetzschke einzige wirkliche vollständige Urbar geliefert hat. Kirchspiel Hennen in Kirchspiel Herne verbessert. Der Namen Kusengut ist geblieben, er nennt aber noch eine zweite Bezeichnung, Hulßgut, so dass wir jetzt drei Namen für offenbar denselben Hof haben. Kusengut, Hulßgut und Höffkens Gut. Keiner davon ist uns sonst bisher begegnet. Im Feuerstättenverzeichnis von 1664 steht der Hof unter „[[Hof Diedrichs zu Bergen (Kusen- / Hülsgut)|Diederich zu Berge]]“ verzeichnet. Sein Grundherr ist von Loe zur Dorneburg der offenbar damals vom Werdener abt damit belehnt war, so dass wir jetzt schon als Grundherren im Wandel der zeit kennen gelernt haben: Werner van der Leten, Heydenreich zu Düngelen, Jobst (der gelehrte, + 1602) von Strünkede und von Loe zur Dorneburg. |
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Neben dem Hof zu Bergen im Kirchspiel Herne führt das Werdener Schrifttum bis ins 19. Jahrhundert auch noch Höfe in Holthausen an. Dies Ausmünzung dieser Angaben ist aber so bedeutungsvoll, dass wir sie einem Schluss Artikel vorbehalten wollen. |
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== Berichtigung == |
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In der Übersetzung des alten Textes in der vorigen Ausgabe hatten wir ''sigilum'' mit Weizen wiedergegeben. Wir haben uns mangels Spezialerika – in den üblichen steht das Wort nicht verzeichnet – auf andere Übersetzungstexte verlassen. Mittlerweile haben wir aber festgestellt, dass diese falsch waren und ''sigilum'' mit Roggen (französisch seigle) übersetzt werden muss. Auch ''siligo'' (''inis''), das in dem heutigen Text vorkommt, bedeutet hier Roggen, trotzdem in manchen Lexika gesagt wird, ''siligo'' sei eine besondere Art von Weizen. |
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Ferner kann die Stelle VII ''mum dimidium modios'' dahin erklärt werden, dass noch frühmittelalterlichem Sprachgebrauch siebthalb Scheffel = 6 ½ Scheffel sind. |
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Aktuelle Version vom 28. September 2025, 13:46 Uhr
Am 26. Januar 1935 startete Leo Reiners im Herner Anzeiger ein umfangreichen Artikelserie über „Haranni“. [1]
Haranni im Werdener Heberegister
Von Dr. Leo Reiners
Teil III. (9. Februar 1935)
Das Große Privilegienbuch.
In dem Urbar A haben wir das Herner Gebiet, soweit es im Werdener Schrifttum des ausgehenden 9. und beginnenden 10. Jahrhunderts behandelt ist, kennen gelernt. Jetzt machen wir einen Sprung in die Mitte des 12. Jahrhunderts, in dem das sog. Große Privilegienbuch als zweites Werdener Urbar entstand. Es enthält in seinem ersten Teil = ein sog. Traditionenverzeichnis, d. h. ein Verzeichnis von Schenkungen und Stiftungen für das Kloster Werden. Dieses Traditionenverzeichnis ist Teil bereits gegen Ende des 10. oder Anfang des 1. Jahrhunderts angelegt, zum andern Teil gehören die Traditionen der 1. Hälfte des 12. Jahrhunderts an. Aus diesen Traditionen erkennt man die in der Beschichte des Klosters Werden genannten Seelmeßstiftungen, denn die Schenkungen sind durchweg für das Seelenheil des verstorbenen Vaters, der Mutter, des Sohnes u. dergl. gemacht. So heiß Tradidit Rudger pro anima patris sui Richardi mansum in Bukhem solventem 3 s. Tradidit Werenburg et filii eius ad sanctum Liudgerum pro anima Hugerici patris corum in Rinbeki et in Harpunni heraditatum suam.
(Rudger übertrug für die Seele seines Vaters Richard eine Hufe in Bochum(?), die 3 Solidi einbringt. Werenburg mit seinen Söhnen übertrug dem hl. Ludgerus für die Seele ihres Vaters Hugeric in Riemke und Harpen ihr Erbe.)
Hier zeigt sich, dass Werenburg zur Schenkung seines väterlichen Erbes der Zustimmung seiner Söhne bedurfte. Das beweist, dass unsere Vorfahren das Erbe als Familienbesitz auffassten und daher auch die Nacherben mit darüber zu bestimmen hatten.
Über Traditionen aus Herne selbst findet sich im Traditionenverzeichnis nichts. Erst im dritten Hauptteil des Großen Privilegienbuches, der im Jahre 1160 angefertigt wurde und das Heberegister der Werdener Abteihöfe enthält, kommt unser Gebiet wieder eingehender zur Behandlung. Unter Fronhofsamt, Cramwinkel (v. Wiemelhausen) werden aufgeführt: ein Ebbeke, ein Wiebert und ein Gottschalk in Riemke, ein Markward in Wanne (? Wande), ein Hermann in Hamme (Hundhamme oder Holthamme b. Bochum), ein Thiederic und ein Wezzelin in Bochum (Bokheim), ein Ricwin in Stiepel. Auch Gerthe und Harpen finden Erwähnung.
Dann kommt das Fronhofsamt Marten (Merthene) an die Reihe. Hier werden genannt: ein Heinrich in Harpen, ein Hardwin in Bövinghausen, ein Haus und ein Bernhard in Merklinde (Mediclinne)), ein Liudbert in Frohlinde (Frolinde, ein Siegfrid, ein Riklind und ein Lindburg in Bochum (Bokheim), ein Ezzeke in Schethe (Schadeburg?), ein Geistlicher Hermann in Röhlinghausen (Rolinchuson) und ein Engilbert in Hegerinchuson (?). Unter Defekten (verloren gegangene Besitzstücke) des Hofes Marten werden aufgeführt: ein Hethanric in Bövinghausen, der eine Hufe festhält, und ein Brun de Swerte (Schwerte) in Holthuson (Holzen bei Schwerte oder Holthausen bei Dortmund?).
Nun kommen wir zum Fronhofsbezirk Waltrop. Der Text lautet (mit Uebersetzung):
De Deninchuson Albertus 16 d(enarios), 8 pro hersc(illing), 6 pro opere, pro pullo 1, 10 ova.
Deininghausen: Albert 16 Denare, 8 für den Heerschilling, 6 für den Frondienst, 1 für ein Huhn, 10 Eier.
De Hernen Gerbertus in festo sancti Remigii 5 d(enarios), 8 pro herscill(ing), 6 pro opere, pro vino 1, pro pullo 1.
Herne: Gerbert auf St. Remigius (d. i. 1. Oktober) 5 Denare, 8 für den Heerschilling, 6 für den Frondienst, 1 für den Wein, 1 für ein Huhn.
Ibidem Gevehardus br(acium) hordei br(acium) avene, 8 d(enaros) pro hersc(illing), 1 pro vino, 1 pro pullo.
Ebenda Gevehard ein Malzgebräu Gerste, ein Malzgebräu Hafer, 8 Denare für den Heerschilling, 1 für den Wein, 1 für ein Huhn.
De Eclo Wicbertus 10 mo(dios) avene, 8 d(enarios) pro hercilling, 6 pro opere, 1 pro vin, 1 pro pullo.
Eickel: Wicbert 10 Scheffel Hafer, 8 Denare für den Heerschilling, 6 für den Frondienst, 1 für den Wein, 1 für ein Huhn.
De Sothingke Hermannus 20 d(enarios), 8 pro herscill(ing), 6 pro opere-, 1 pro vino, 1 pro pullo.
Sodingen: Hermann 20 Denare, 8 für den Heerschilling, 6 für den Frondienst, 1 für den Wein, 1 für ein Huhn.
De Holthuon Obertus 45 s(olidos), 4 mo(dios), siliginis, 40 mo(dinos) hordei, 2 s(olidos) pro herscilling, 6 d(enarios) pro opere, 2 pro vino, 20 ove.
Holthausen: Obert (Hubert?) 45 Solidi, 4 Scheffel Roggen, 40 Scheffel Gerste, 2 Solidi für den Heerschilling, 6 Denare für den Frondienst, 2 für den Wein, 20 Eier.
Ibidem Hermannus 2 s(olidos), 2 mo(dios) siliginis, 30 mo(dios) hordei, 12 d(enarios) rp herscill(ing), 6 pro opere, 1 pro vino.
Ebenda Hermann 2 Solidi, 2 Scheffel Roggen, 30 Scheffel Gerste, 12 Denare für den Heerschilling, 6 für den Frondienst, 1 für Wein.
De superiori Castthorpe Gerwinus 6 mo(dios) siliginis, br(avium) hordei, 8 d(enarios) pro herscill(ing), 6 pro opere, 1 pro vino, 1 pro pullo.
Oberkastrop: Gerwin 6 Scheffel Weizen, ein Malzgebräu Gerste, 8 Denare für den Heerschilling, 6 für den Frondienst, 1 für den Wein, 1 für ein Huhn.
Aus diesem Text ergibt sich zunächst, dass Herne damals zum Fronhofsbezirk (territorium) Waltrop gehörte. Dieses bildete zusammen mit dem Fronhofsamt (villicatio) Marten, einen Fronhofsverband. In Marten war der Haupthof, Waltrop mit seinen Unterhöfen war diesem beigeordnet. Unter den Waltrop unterstehenden Höfen wird im Gegensatz zum ältesten Urbar weder Langwede, noch Düngelen noch Castrop genannt. Wohl erscheint Haranni hier in der der heutigen entsprechenden Namensform: Herne. Zwischen 890 und 1160 ist also der Name unserer Gemeinde (bis auf ein später noch abgefallenes n) entstanden.[2]) Es erscheint aber auch zum ersten Mal Sodingen (Sothingke). Desgleichen kehrt das schon kurz nach 900 erwähnte Holthausen wieder. Es hat indes noch seine alte Form Holthuson behalten.[3]) Neu ist die Erwähnung von Eickel, Obercastrop und Deininghausen; Bövinghausen und Riemke sind alte Bekannte. Linde hat sich in Merklinde und Frohlinde geteilt. Auffallend ist, dass Baukau nicht vorkommt. Das kann nicht allein damit erklärt werden, dass hier die Strünkeder bereits weitreichenden grundherrlichen Einfluss besaßen.
Verändert hat sich auch die Namensart der Abgabepflichtigen. Wenn auch noch germanische Namen gewählt sind, so sind es doch schon in erheblichem Maße solche, die wir heute noch verwenden wie: Adalbert, Hermann, Heinrich, Bernhard, Dietrich (Thiederic), Siegfried, Engelbert, Albert, (Hubert?) Markward (Marquard), Gerwin u. a.
Es darf angenommen werden, dass bei der Wahl dieser Namen schon das Vorbild heiligmäßiger Persönlichkeiten der kirchlichen „Frühgeschichte in Germanien mitbestimmend war. Wenn wir die Zahl der Abgabepflichtigen mit der in der Urbarhandschrift A angegebenen vergleichen, stellen wir fest, dass in Herne jetzt 2 Abgabepflichtige (Gerbert und Gevehard) aufgeführt werden, 270 Jahre vorher war es nur einer (Berahtwini), in Holthausen waren es damals 3 oder 4, jetzt sind es nur 2 (Obert und Hermann), dafür erscheint in Sodingen ein neuer Hermann. Es muss sich also in den Besitzverhältnissen des Klosters in der Zeit von 890 bis 1160 einiges gewandelt haben. Abhängige sind frei geworden, bis dahin Freie haben sich in Abhängigkeit begeben.
Weinbau in Herne.
Sehr stark geändert hat sich auch das Gefälle. Die Abgaben sind zu einem großen Teil in Geld umgewandelt worden. Dabei erhebt sich die interessante Frage, ob der Denar für Wein ein Ersatz für früher tatsächlich gelieferten Wein oder ein für Weinkauf des Klosters bestimmter Denar ist. Im ersten Falle müsste der Weinbau in unserer Gegend allgemein verbreitet gewesen sein. Im zweiten Falle wäre der Denar dazu bestimmt gewesen, dem Kloster den Weinkauf, der mit in Köln geschah, zu ermöglichen. Bei dem Denar für ein Huhn handelt es sich ganz sicher um den Ersatz für eine frühere Naturalabgabe. Man kann daher schlecht, dass „pro“ hier im Sinne von „anstatt“ und im Falle des hinweisenden „für" übersetzen. Daher muss angenommen werden, dass bei uns tatsächlich Wein angebaut wurde. Das klingt überraschend, doch nicht unmöglich. Es ist vielen nicht bekannt, dass der Weinbau früher nicht nur im Neckar und Main=, Mosel=, Ahr= und Rheingebiet betrieben wurde, sondern dass er im 10. Jahrhundert bereits in der Hildesheimer Gegend eingeführt wurde, dass er im 11. Jahrhundert in Thüringen und Sachsen, im 12. in Schlesien und Pommern und weiter bis Schleswig=Holstein und (durch den Deutschen Orden) bis Ostpreußen (Weichselwein!) Verbreitung fand. Erst der Dreißigjährige Krieg hat den Wein auf seine heutigen Anbaugebiete zurückgedrängt. Ist es also keineswegs unwahrscheinlich, dass im 10., 11. und 12. Jahrhundert auch bei uns Wein angebaut wurde, so können wir sogar sagen, wo in Herne Weinberge lagen. In den Katasterkarten von 1826 finden wir in Börnig an der Stelle, wo jetzt das kath. Krankenhaus steht, die Flurbezeichnung „im Weinberge“. Diese Stelle war der Südostabhang einer Erhebung, die „auf dem Berge“ hieß. (Noch heute klettert die Kirchstraße diesen Berg hinauf.) Ferner befand sich ein Berg (noch heute deutlich erkennbar) zwischen Castroper und Mont-Cenis-Straße gegenüber Teutoburgiahof, abfallend nach Börsinghausen. Auf der höchsten Stelle des Berges trägt die Katasterkarte die Flurbezeichnung „auf dem Weinberge“, am Fuße des Südostabhanges steht „vorm Weinberge". Da nun Flurbezeichnungen durchweg Jahrhunderte alt sind, müssen wir sie als Beweis für früher Gewesenes ansehen und daraus folgern, dass sie uns in unserem Falle tatsächlich noch Kunde geben von Abhängen und Erhöhungen, die einmal Weinberge waren. Dabei braucht man nicht einmal anzunehmen, dass diese die einzigen waren. Wenn uns zwei bis heute noch überliefert sind, hat es sicher noch mehrere gegeben, die uns nicht überliefert sind. Und so können wir wohl schlussfolgern, dass man im Kloster Werden einmal „Emscherwein“ Herner Wachstum getrunken hat.
Wenn so auch der Weinanbau bei uns so gut wie nachgewiesen ist, so hatte doch wohl die größere Bedeutung als Getränk das Bier, das in leichter, alkoholarmer Art in fast jedem Hause hergestellt wurde. Während schon im Urbar A mehrfach Braumalz (Malz = durch Feuchtigkeit zum Keimen gebrachte und dann durch Darren getrocknete Getreidekörner) als Abgabe gefordert wurde, erscheint jetzt „ein Malzgebräu Gerste, ein Malzgebräu Hafer“. (Malzgebräu, lat. bracium. Bracium ist nach Diefenbach, Glossa rium, „maltz, do man bier us macht“, nach Kötzschke S. 273 Anmerk. 10, zugleich eine Maßeinheit für Malz= 12 Scheffel). Man machte also Bier nicht nur aus Gerste, sondern auch aus Hafer. (Heute noch verwendet man Hafermalz. z. B. Herstellung von Malzkakao.)
Was im Urbar A nicht in die Erscheinung trat, hier aber fast durchweg erwähnt wird, ist der Frondienst (opus). Er ist bereits durch Geld abgelöst. Dass der Frondienst nicht im Kloster Werden geleistet wurde, ist wohl selbstverständlich, es kann sich nur um Dienste für oder auf dem Haupthof handeln. Aber auch dieser war oft so weit entfernt, dass die Arbeitsleistung kaum praktisch eingesetzt werden konnte. Daher ist ihre Ablösung durch Geld nur zu verständlich.
Erhalten geblieben ist dagegen auch noch im 12. Jahrhundert (und später) der Heerschilling als Wehrabgabe derjenigen, die nicht am Heeresdienst teilzunehmen brauchten.
Belehnung von Adelsgeschlechtern mit den größeren Klostergütern.
Wir haben oben gesehen, dass das Herner Gebiet zum Fronhofsgebiet Waltrop gehörte. Dieser ist im14. Jahrhundert selbständig geworden. Der Fronhof in Waltrop hieß, wie noch mehrere Abteihöfe Abdinckhoff (es gab noch einen Abdinckhoff Hillen im Vest Recklinghausen und einen Abdinckhoff bei Werne) und war 1397 an Ernst von Mengede, 1398/99 an Tonis (Antonius) van der Dunaw zu Lehen gegeben. Für ihn bezahlte 1408 Gerd von Bodelswengh einen Teil der rückständigen Abgaben. 1413, 1415 wie 1420 erhielt die Abtei aus den Händen derer von Dungelen (Dunaw dürfte wohl mit Dungelen identisch sein) die Abgaben. 1436 erscheint Evert Brndaaye van der Ebdinckhove bij Waeltorpe, 1474 Jaspar Brigdach toe Woltorpe. Von ihm heißt es in „Schades Register“ aus der Zeit der Klosterreform (1474—77): hevet eyne hant an den Ebdinckhove toe Woltorpe gelegen (er war zu einer Hand „behandelt“ mit dem Abdinghof in Waltrop).
Der Fronhof Marten war nach Schades Register den Bodelschwingh übertragen, der Fronhof Cramwinkel den von Eickel (später Rump zu Crange), der Abdinghof in Hillen den von Gaelen, der Fronhof Arenbögel (v. Osterfeld) den von Loe usw. Daraus ersieht man, wie aus den ursprünglichen Ministerial= oder Fronhöfen des Klosters Lehngüter adliger Familien geworden waren. Diese Entwicklung vollzog sich vor allem im 13. Jahrhundert, wo der Abt auf diese Weise Stützen der Macht und Dienstmannen zu gewinnen suchte. Allerdings entglitten ihm die Abteihöfe und Unterhöfe auf diese Weise so sehr, dass er nur noch einen Bruchteil der alten Einkünfte daraus erhielt.
Es war indes auch noch eine andere Scheidung eingetreten, deren Beginn bereits im 10. Jahrhundert zu verfolgen ist. Die Trennung in Abts- und Konventsgut. Ungefähr zwei Drittel des gesamten Klosterbesitzes standen schon früh zur alleinigen Verfügung des Abtes, während der Rest in die Gemeinschaft des Klosters oder des Propstes überging. So gab es neben den Abteihöfen auch einige Prosteihöfe. Ein Fron oder Sadelhof von großer Bedeutung, der zugleich Propsteihof war, war
der Hof Heldringhausen,
der vor dem Viehtor in Recklinghausen lag. Zu ihm gehörten nicht weniger als 31 Unterhöfe oder Hofgüter. Diese lagen über das ganze Vest verbreitet, vier lagen allerdings diesseits der Emscher (Gelsenkirchen, Bulmke, Ückendorf und Querenburg). Von besonderem Interesse ist, dass das eine der vestischen Hofgüter, die „Drifthove“, zur Zeit der Klosterreform (1474) ein Gysenberger, Arndt Ghisenberch, innehatte. Auf einem Hofesgericht zu Heldringhausen (hier bestand eine richtiggehende Verfassung, die sich lange gehalten hat) im Jahre 1485, woran Abt Antonius selbst teilnahm, wurde festgestellt: „Dye Gisenberch heft dye Driffthove". (Auch mit dem werdenschen Gut Wardenbergh oder Wadenburg bei Henrichenburg waren die von Gysenberg - vor ihnen von Dungelen - belehnt.) Von Interesse dürfte es noch sein, etwas über die Schenkung des Hofes Heldringhausen zu erfahren. Die Urkunde darüber, die im Urbar A wiedergegeben ist, ist nämlich abgesehen von der aus dem Jahre 834 stammenden, einen Grundstücksaustausch in Castrop behandelnden Urkunde, das älteste schriftliche Denkmal aus unserem engeren Gebiet. Die Schenkungsurkunde lautet in der Übersetzung: „Werinhard und seine Gattin Eddila übergaben in Heldringhausen an den hl. Ludgerus einen Herrenhof mit 6 Familien und allem, was zu ihm gehört an Gewässern, Wäldern, Weiden, Ackerland und Oedland, zu ihrem und ihrer Söhne (Seelen=) Gedächtnis unter der geforderten und vom Abt des Klosters Hildebrand bewilligten Bedingung, dass ihre beiden Söhne Osger und Wigger die Erbschaft Zeit ihres Lebens zu ihrem Unterhalt in Gebrauch haben sollten. Nach ihrem Tode sollte sie in das volle Eigentum St. Liudgers übergehen. Diese Schenkung wurde vollzogen am Grabe des hl. Liudger vor dem Abte Hildebrand und dem Klostervogt Hermann unter der Regierung des ruhmreichen Königs Ludwigs des Jüngeren. Zeugen dieser Schenkung waren: Benno ,Dindo, Folkger, Hremning, Wigbold, Landger, Abbo, Hatheric, Meinbald, Werinher, Wigbald und viele andere edle und nicht edle Männer, Abhängige und Freie. In Gottes Namen. Amen.“
Da Abt Hermann nach 898 dem Kloster vorstand und Ludwig der Jüngere (= der Fromme) vom 4. Februar 900 bis zum 24. September 911 regierte, ist die Schenkung Heldringhausens schon in die Zeit von 900 bis 911 anzusetzen.
Strünkede erscheint
In einem Heberegister der Propsteihöfe (Prepositure antiquissimum registrum) aus dem 2. Drittel des 12. Jahrhunderts finden sich nun unter Heldringhausen folgende stellen:
- Heriman frater Benelini manens (unleserlich korrigiert) in Herne. Bernhard manens in Hilnen. Folmer m(a)nens Erkeneswic. Marburg juxta Strünkethe manens ...
-
- (Hermann, Bruder Benelins, in Herne, Bernhard in Hillen, Folmer in Erkenschwick, Marburg bei Strünkede wohnend …)
- (Hermann, Bruder Benelins, in Herne, Bernhard in Hillen, Folmer in Erkenschwick, Marburg bei Strünkede wohnend …)
Hier erscheint zum ersten Male im Werdener Schriftgut Strünkede. Dies geschieht um diesebe Zeit, wo auch sonst die Strünkeder urkundlich nachweisbar sind. v. Steinen fand für 1150 einen Miles Wessel de Strünkede und einen Ritter Herman v. Strünkede. Abgesehen davon, dass Herne jetzt die endgültige Form seines Namens (das n ist gefallen), gefunden hat, besagt die Stelle weiter nichts mehr. Die scheinbare Unterstellung unter den Fron und Propsteihof Heldringhausen hat für die Zukunft keine Bedeutung. Schon das Heberegister der Propstei aus der Mitte des 13. Jahrhunderts (Prepositure registrum minus) enthält wohl den Hof Heldringhausen mit fast allen Unterhöfen des Prepositure antiguissimum registrum, aber nichts von Herne oder Strünkede.
Dafür erscheint Strünkede unerwartet in dem Heberegister der kleineren Klosterämter aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts unter „Almosen des Abtes Gerold“. Dort heißt es:
- in Berge juxta Strünkede duos s(olidos) et duos pullos.
- In Berge bei Strünkede (sind zu liefern) 2 Solidi und 2 Hühner.
Mit dieser Stelle ist der Ertrag des Bandes A der von Koetzschke herausgegebenen Urbare des Klosters Werden erschöpft. Schon um die durch die Stelle „Berge juxta Strünkede“ aufgeworfenen Fragen beantworten zu können, anderseits aber auch, um den ganzen Komplex der Beziehungen Hernes zum Kloster Werden, soweit er in den Werdener Urbaren seinen Niederschlag gefunden hat, zu klären, ist es notwendig, auch den 1917 erschienenen Band B, der die Lagerbücher, Hebe= und Zinsregister vom 14. bis ins 17. Jahrhundert enthält, heranzuziehen. Was darin für unsere Zwecke zu finden ist, ist nicht viel, aber das Wenige ist von entscheidender Bedeutung.
Um zunächst bei den Strünkedern zu bleiben, sei berichtet, dass sich im „Heberegister der Pforte“ aus der Zeit um 1370 die Stelle findet:
- item in Bechusen (bei Horneburg, nordöstl. Recklinghausen) 3 s(olidos), quos persolvit filius quondam Bernhardi de Strünkede (3 Solidi, die der Sohn Bernhards von Strünkede zahlte).
Unter „Berechnungen aus der Zeit Abt Adolfs von Spiegelberg" steht mit Datum vom 30. April 1400 vermerkt:
- Bernhardus de Strunkede cum officio, quod dicitur cramerampf. sicut tenet litera que super hoc est confecta, iure homagii.
Danach ist also Bernhard von Strünkede zu Mannlehnrecht mit dem sog. Kammeramt, wie der darüber ausgefertigte Brief festhält, belehnt worden. Die Folge dieser Stellung zu Kloster Werden war wohl, dass er am 18. November 1419 bei der Belehnung Friedrichs von Mörs mit Friemersheim durch den Abt von Werden als Zeuge fungierte. Die späteren Bearbeiter der Werdener Archivalien haben die spärlichen Nachrichten über das „Kammeramt“ gesammelt. In den Aufzeichnungen des Johannes Kruishaar (1506—55) über die Lehengüter werden nur Berndt von Strunckte und Johan de Strunckede als namentlich nachweisbare Inhaber des camerarii officium aufgeführt, und der Verfasser teilt mit, dass der „Kammerbeamte“ bei der Inthronisation eines neuen Abtes in der Prozession den Bischofsstuhl vor dem Abte herzutragen pflege. In der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts hat Duden hier hinzugefügt, dass mit dem Amte auch materielle Vorteile verbunden gewesen seien, u. a. das „Gut in dem Fresenkaiten in der Hesege". Hiermit hören die nachweisbaren persönlichen Beziehungen Strünkedes zu Kloster Werden schon auf, dafür wächst sich die Stelle „Berge iuxta Strunkede" zu einem Preisrätsel aus. Sie kam, wie angeführt, in einem „Heberegister der kleineren Klosterämter“ aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts vor. Um 1430 wird erneut ein solches angelegt und wieder liest man:
ltem to Berghe by Strunkede 2 s(olidos).
Ist dieses „Berge“ nun etwa Haus Berge bei Buer oder Bergen bei Hiltrop? Nein, sagt Koetzschke, das ist die Gemeinde Berge westlich Hagen, nordöstlich Gevelsberg, und das ist Strünkede in der Gemeinde Asbeck, nördlich Gevelsberg!
Das verblüfft den Heimatfreund, besonders wenn er noch feststellt, dass im Zusammenhang des Textes von der Gegend südöstlich Herne (Ruhrtal, nördliches Sauerland) die Rede ist. Aber in einer Zusammenstellung nicht hofhöriger Klostergüter aus Schades Registern (Zeit der Klosterreform 1474—77) steht:
Heydenriick von Dungelen behandet mit Gut toe Bergen prope Strunkede nu gnant Kusen quet in parochia Hennen 2 pullos 2 solidos.
Auch hier weist die Pfarrei Hennen auf die von Koetzschke angegebene gegend hin, aber kann Hennen nicht ein Irrtum für Herne sein? Nach einer um 1520 angefertigten „Nomenclatura parrochiarum, in quibus abbas Werdinensis sua habet feudalia situata bona (Namenzverzeichnis der Pfarreien, wo der Abt von Werden seine Lehnsgüter liegen hat)“ war auch in Herne ein solches Gut. Ja, im Jahre 1412 (also 100 Jahre vorher) war schon in dem Lehengüterverzeichnis des Abtes Adolf von Spiegelberg, das nach Kirchspielen geordnet ist, angeführt worden:
- Herne. item quondam Wernerus van der Leten cum casa in Herne (et in Berghen).
-
- Ebenso (war) einst ein Werner van der Leten (?) mit einem Kotten in Herne und in Bergen (in einer Parallelhandschrift hinzugefügt) belehnt.
- Ebenso (war) einst ein Werner van der Leten (?) mit einem Kotten in Herne und in Bergen (in einer Parallelhandschrift hinzugefügt) belehnt.
Schließlich kann noch das Register des Rentmeisters Gortfrid Carthui aus dem Jahre 1490/91 ins Feld geführt werden, in dem es ausdrücklich unter „Herne“ heißt:
- Herne. Item Dirick to Berghe von Hoeffkens gude 6 alb., 2 pu(llos) d. i. 6 Albus, 2 Hühner.
Das Gefälle stimmt hier (abgesehen vom Währungsunterschied) mit der ersten Erwähnung des „Berge iuxta Strunkede“ im 13. Jahrhundert überein, wo 2 Solidi und 2 Hühner gefordert wurden. Mit aller Klarheit wird hier gesagt, dass in Bergen ein Hoeffkens Gut dem Kloster Werden zinspflichtig ist. Das Register des Rentmeisters Gortfrid Carthuis stammt nun, wie angeführt, aus dem Jahre 1490/91, das berühmte Märkische Schatzbuch aber aus dem Jahre 1486. Es ist also dieselbe Zeit. Nun steht aber auch im Märkischen Schatzbuch Derick to Bergen neben Gruyter und Schult von Bergen verzeichnet. Beide Dietriche zu Bergen sind also ein und dieselben, so dass Schulte zu Bergen, nicht Grüter zu Bergen, sondern Diedrich zu Berge der Hof ist, der Werden gehörte. Wenn wir wissen, dass schon im 13. Jahrhundert dieser Hof unter „Berge iuxta Strünkede“ auftaucht, so haben wir damit den ersten der Herner Abgabepflichtigen nachgewiesen. Ob es sich dabei um den Hof des Berahtwini handelt (was in Holthausen und Sodingen lag, war ja nicht Herne), kann nicht entschieden werden. Die Möglichkeit besteht, doch wäre dann Haranni im Sinne des Kirchspiels Herne zu fassen, und dann hätten wir einen Beleg dafür, dass um 890 Herne schon eine Kirche und einen umgrenzten kirchlichen Bezirk hatte.
Rund 100 Jahre nach dem Märkischen Schatzbuch erscheint der Hof zu Bergen noch einmal in einem „Pacht- und Rentenbuch des Stifts Werden von Abt Heinrich Duden“, das 1589/90 angelegt ist. Dort heißt es unter
- Herne parochia
- Validus Jodocus von Strunckte mit noch eyner unbenompter handt behfande fl mit Kusen off dat Hulz gude thu Bergen (behandet und zinspflichtig zu Martini) 2 schill, wird. 2 hoe (Hühner).
Oben hatten wir aus Schades Register die Stelle zitiert, wonach Heydenreich von Düngelen mit einem Gut zu Bergen bei Strünkede, nun Kusen guet genannt, in dem Kirchspiel Hennen behandelt sei. Hier finden wir nun vom Abt Duden, der sich wohl am tiefsten in die Güterwirtschaft des Klosters und seine dokumentarischen Quellen vertieft und das letzte große nach Koetzschke einzige wirkliche vollständige Urbar geliefert hat. Kirchspiel Hennen in Kirchspiel Herne verbessert. Der Namen Kusengut ist geblieben, er nennt aber noch eine zweite Bezeichnung, Hulßgut, so dass wir jetzt drei Namen für offenbar denselben Hof haben. Kusengut, Hulßgut und Höffkens Gut. Keiner davon ist uns sonst bisher begegnet. Im Feuerstättenverzeichnis von 1664 steht der Hof unter „Diederich zu Berge“ verzeichnet. Sein Grundherr ist von Loe zur Dorneburg der offenbar damals vom Werdener abt damit belehnt war, so dass wir jetzt schon als Grundherren im Wandel der zeit kennen gelernt haben: Werner van der Leten, Heydenreich zu Düngelen, Jobst (der gelehrte, + 1602) von Strünkede und von Loe zur Dorneburg.
Neben dem Hof zu Bergen im Kirchspiel Herne führt das Werdener Schrifttum bis ins 19. Jahrhundert auch noch Höfe in Holthausen an. Dies Ausmünzung dieser Angaben ist aber so bedeutungsvoll, dass wir sie einem Schluss Artikel vorbehalten wollen.
Berichtigung
In der Übersetzung des alten Textes in der vorigen Ausgabe hatten wir sigilum mit Weizen wiedergegeben. Wir haben uns mangels Spezialerika – in den üblichen steht das Wort nicht verzeichnet – auf andere Übersetzungstexte verlassen. Mittlerweile haben wir aber festgestellt, dass diese falsch waren und sigilum mit Roggen (französisch seigle) übersetzt werden muss. Auch siligo (inis), das in dem heutigen Text vorkommt, bedeutet hier Roggen, trotzdem in manchen Lexika gesagt wird, siligo sei eine besondere Art von Weizen.
Ferner kann die Stelle VII mum dimidium modios dahin erklärt werden, dass noch frühmittelalterlichem Sprachgebrauch siebthalb Scheffel = 6 ½ Scheffel sind.
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Quellen
- ↑ Vgl. Online Quelle auf Zeitpunkt.NRW
- ↑ Anmerkung Reiners: Das hängt mit der um 1100 zu beobachtenden Wandlung in der Schriftsprache zusammen, dem Übergang vom Alt- zum Mittelhochdeutschen. Haranni ist althochdeutsch Hernen (gekennzeichnet durch Umlaut des a zu ä € und Abschwächung der volltönenden Endung) ist mittelhochdeutsch.
- ↑ Erst im 13. Jahrhundert wurde aus "hus" "Haus" die Orte auf hausen behielten aber bei uns noch lange die Form husen.
