Hilfe, die SA marschiert wieder...: Unterschied zwischen den Versionen

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[[Datei:Haus_Wenzel_ehemals_Ropertz04_Friedhelm_Wessel_20160720.jpg|250px|mini|Haus Wenzel, ehemals Restauration Ropertz. <ref name="Wessel">Foto von F. Wessel</ref>]]
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Es war ein normaler Dezembertag des Jahres [[1977]] im Herner Vorort [[Sodingen (Stadtbezirk)|Sodingen]]. Auf dem nahen Pütt, der [[Zeche Mont-Cenis]], bereiteten sich die Kumpels auf die letzten Schichten vor, denn bald sollte hier der „Deckel“ draufkommen. Auf einmal herrschte große Aufregung im Bereich [[Händelstraße|Händel]]- und [[Saarstraße]], in der Nähe der altehrwürdigen Gaststätte „Haus Ropertz“, waren plötzlich einige Braunhemden aufgetaucht. Wie selbstverständlich standen die SA-Männer auf der Straße, rauchten, scherzten und unterhielten sich. Der Inhaber der nahen Metzgerei Schlüter bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, rief über die 110 die Hauptwache in Herne-Mitte an: „Hilfe, die SA marschiert wieder in Sodingen...“  
Es war ein normaler Dezembertag des Jahres [[1977]] im Herner Vorort [[Sodingen (Stadtbezirk)|Sodingen]]. Auf dem nahen Pütt, der [[Zeche Mont-Cenis]], bereiteten sich die Kumpels auf die letzten Schichten vor, denn bald sollte hier der „Deckel“ draufkommen. Auf einmal herrschte große Aufregung im Bereich [[Händelstraße|Händel]]- und [[Saarstraße]], in der Nähe der altehrwürdigen Gaststätte „[[Haus Ropertz]]“, waren plötzlich einige Braunhemden aufgetaucht. Wie selbstverständlich standen die SA-Männer auf der Straße, rauchten, scherzten und unterhielten sich. Der Inhaber der nahen Metzgerei Schlüter bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, rief über die 110 die Hauptwache in Herne-Mitte an: „Hilfe, die SA marschiert wieder in Sodingen...“  


Der Notruf wurde routiniert zur Kenntnis genommen und eine Wagenbesatzung machte sich umgehend auf den Weg zur Händelstraße, um hier dem „Braunen Spuk“ ein Ende zu setzen. Doch die Beamten fanden äußerst gelassene Komparsen vor, denn in der aus dem Jahre 1910 stammenden Gaststätte drehte, wie sich schnell herausstellte, der italienische Regisseur Duccio Tessari einige Szenen für „Das Fünfte Gebot“. Es war die Geschichte der Heidger-Brüder, die in den 1920er-Jahren mit ihren Überfällen das Ruhrgebiet in Angst und Schrecken versetzten. In den Hauptrollen waren Peter Hooten, Helmut Berger, Udo Kier und Heinrich Giskes zu sehen.
Der Notruf wurde routiniert zur Kenntnis genommen und eine Wagenbesatzung machte sich umgehend auf den Weg zur Händelstraße, um hier dem „Braunen Spuk“ ein Ende zu setzen. Doch die Beamten fanden äußerst gelassene Komparsen vor, denn in der aus dem Jahre 1910 stammenden Gaststätte drehte, wie sich schnell herausstellte, der italienische Regisseur Duccio Tessari einige Szenen für „Das Fünfte Gebot“. Es war die Geschichte der Heidger-Brüder, die in den 1920er-Jahren mit ihren Überfällen das Ruhrgebiet in Angst und Schrecken versetzten. In den Hauptrollen waren Peter Hooten, Helmut Berger, Udo Kier und Heinrich Giskes zu sehen.
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Die Gaststätte, die sich in einem imposanten wilhelminischen Bau befand, und über eine originale Holzvertäfelung im Schankraum und einem Jugendstil-Oberlicht des großen Gesellschaftszimmers verfügte, gefiel den Filmemachern auf Anhieb. Hier hatte man jahrelang nichts verändert, es sah im Innern noch so aus, als man hier 1912 den später sehr erfolgreichen Fußballclub SV Sodingen aus der Taufe gehoben hatte.  
Die Gaststätte, die sich in einem imposanten wilhelminischen Bau befand, und über eine originale Holzvertäfelung im Schankraum und einem Jugendstil-Oberlicht des großen Gesellschaftszimmers verfügte, gefiel den Filmemachern auf Anhieb. Hier hatte man jahrelang nichts verändert, es sah im Innern noch so aus, als man hier 1912 den später sehr erfolgreichen Fußballclub SV Sodingen aus der Taufe gehoben hatte.  


Auch als der damalige Besitzer das ehemaligen „Hotel Getrudenhof“ nach 1945 in ein Wohnhaus umbauen ließ, wurde die Inneneinrichtung der Gaststätte nicht angetastet. „Im Saal gab es damals eine filmgerechte Schlägerei, dabei gingen auch einige Stühle zu Bruch – aber es war Filmmobiliar“, erinnert sich Helga Wenzel an die Dreharbeiten, die 1977 mit viel Aufsehen in Sodingen über die Bühne gingen. Hauptdarsteller Helmut Berger signierte ihr später ein großes Foto, das während des „SA-Aufmarsches“ auf der Händelstraße entstand, die in der „Braunen Ära“ auch mal für eine kurze Zeit „Horst-Wessel-Straße“ hieß. Ende 2015 endete leider auch die Ära der legendären Sodinger Gaststätte. <ref>Ein Artikel von [[Friedhelm Wessel]]</ref>
Auch als der damalige Besitzer das ehemaligen „[[Gaststätte Gertrudenhof|Hotel Gertrudenhof]]“ nach 1945 in ein Wohnhaus umbauen ließ, wurde die Inneneinrichtung der Gaststätte nicht angetastet. „Im Saal gab es damals eine filmgerechte Schlägerei, dabei gingen auch einige Stühle zu Bruch – aber es war Filmmobiliar“, erinnert sich Helga Wenzel an die Dreharbeiten, die 1977 mit viel Aufsehen in Sodingen über die Bühne gingen. Hauptdarsteller Helmut Berger signierte ihr später ein großes Foto, das während des „SA-Aufmarsches“ auf der Händelstraße entstand, die in der „Braunen Ära“ auch mal für eine kurze Zeit „Horst-Wessel-Straße“ hieß. Ende 2015 endete leider auch die Ära der legendären Sodinger Gaststätte. <ref>Ein Artikel von [[Friedhelm Wessel]]</ref>
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==Verwandte Artikel==
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Version vom 17. Dezember 2016, 19:27 Uhr

Haus Wenzel, ehemals Restauration Ropertz. [1]
Haus Wenzel, ehemals Restauration Ropertz. [1]
Haus Wenzel, ehemals Restauration Ropertz. [1]
Haus Wenzel, ehemals Restauration Ropertz. [1]

Friedhelm Wessel [2]

Es war ein normaler Dezembertag des Jahres 1977 im Herner Vorort Sodingen. Auf dem nahen Pütt, der Zeche Mont-Cenis, bereiteten sich die Kumpels auf die letzten Schichten vor, denn bald sollte hier der „Deckel“ draufkommen. Auf einmal herrschte große Aufregung im Bereich Händel- und Saarstraße, in der Nähe der altehrwürdigen Gaststätte „Haus Ropertz“, waren plötzlich einige Braunhemden aufgetaucht. Wie selbstverständlich standen die SA-Männer auf der Straße, rauchten, scherzten und unterhielten sich. Der Inhaber der nahen Metzgerei Schlüter bekam es plötzlich mit der Angst zu tun, rief über die 110 die Hauptwache in Herne-Mitte an: „Hilfe, die SA marschiert wieder in Sodingen...“

Der Notruf wurde routiniert zur Kenntnis genommen und eine Wagenbesatzung machte sich umgehend auf den Weg zur Händelstraße, um hier dem „Braunen Spuk“ ein Ende zu setzen. Doch die Beamten fanden äußerst gelassene Komparsen vor, denn in der aus dem Jahre 1910 stammenden Gaststätte drehte, wie sich schnell herausstellte, der italienische Regisseur Duccio Tessari einige Szenen für „Das Fünfte Gebot“. Es war die Geschichte der Heidger-Brüder, die in den 1920er-Jahren mit ihren Überfällen das Ruhrgebiet in Angst und Schrecken versetzten. In den Hauptrollen waren Peter Hooten, Helmut Berger, Udo Kier und Heinrich Giskes zu sehen.

Die Gaststätte, die sich in einem imposanten wilhelminischen Bau befand, und über eine originale Holzvertäfelung im Schankraum und einem Jugendstil-Oberlicht des großen Gesellschaftszimmers verfügte, gefiel den Filmemachern auf Anhieb. Hier hatte man jahrelang nichts verändert, es sah im Innern noch so aus, als man hier 1912 den später sehr erfolgreichen Fußballclub SV Sodingen aus der Taufe gehoben hatte.

Auch als der damalige Besitzer das ehemaligen „Hotel Gertrudenhof“ nach 1945 in ein Wohnhaus umbauen ließ, wurde die Inneneinrichtung der Gaststätte nicht angetastet. „Im Saal gab es damals eine filmgerechte Schlägerei, dabei gingen auch einige Stühle zu Bruch – aber es war Filmmobiliar“, erinnert sich Helga Wenzel an die Dreharbeiten, die 1977 mit viel Aufsehen in Sodingen über die Bühne gingen. Hauptdarsteller Helmut Berger signierte ihr später ein großes Foto, das während des „SA-Aufmarsches“ auf der Händelstraße entstand, die in der „Braunen Ära“ auch mal für eine kurze Zeit „Horst-Wessel-Straße“ hieß. Ende 2015 endete leider auch die Ära der legendären Sodinger Gaststätte. [3]

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Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Foto von F. Wessel
  2. Dieser Text wurde von Friedhelm Wessel zur Verfügung gestellt. Der Text darf nicht ohne Genehmigung verändert oder weitergegeben werden.
  3. Ein Artikel von Friedhelm Wessel