Mein erster Tag auf Piepenfritz

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

An den Tag, an dem ich erstmals offiziell das Zechengelände von Friedrich der Große an der Werderstraße in Horsthausen betrat, erinnere ich mich noch sehr gut: Es war der 1. April 1959.

"59er-FdG-Lehrlingstreffen" im Jahre 2013: Friedhelm Wessel, Horst Schneider und Bernd Sens. [1]

Friedhelm Wessel [2]

Zuvor hatte ich nur dem ehemaligen Ausbildungsleiter Dr. Scharberg, der damals noch in einem großen Eckhaus Hermann-Löns-Straße/Schaeferstraße wohnte, besucht. Eigentlich sollte und wollte ich ja Bergmann werden, doch der Chef der Piepenfritz-Azubis winkte ab: „Mit diesem Zeugnis.. Nein, du machst eine Schlosserlehre...“ Sein Wort hatte Gewicht. Mit einem Lehrvertrag in der Tasche, der nur noch von meinen Eltern unterschrieben werden musste, ging ich nach Hause. Später gab ich den Vertrag in der Hauptverwaltung ab.

So machte ich mich schließlich am 1. April um 5.15 Uhr auf dem Weg zum Pütt. Mit dabei: Ein großes, blau-kariertes Handtuch, das als Tragetasche diente, denn darin befanden sich Blaumann, Schuhe, Socken, Arbeitshemd und Unterwäsche. Die Kaffeepulle aus Aluminium und das Dubbelpaket trug ich in der linken Hand.

An der Markenkontrolle meldete ich mich ganz schüchtern beim Markenkontrolleur, nannte meinen Namen, der schaute auf eine Liste und überreichte mir ein kleines, metallenes Blechschild mit meiner Markennummer. Weitere neue Auszubildende waren inzwischen am Werkstor eingetroffen, der „Wächter“ des Tores, ein Mann, der einen schwarzen Bergmannskittel trug, hielt einen anderen Lehrling an, den er wohl kannte und meinte: „Nimm die Jungs hier mit in die Kaue, sonst verlaufen sie sich noch“. Er grinste hämisch. So trotteten wir dem Jugendlichen hinterher, der, wie sich bald herausstellte, gerade das 2. Ausbildungsjahr auf dem Pütt absolvierte.

Unser Weg führte uns links um die Markenkontrolle herum, vorbei ein einigen Gebäude, Lüftern und Kühlern, bis wir den damaligen Sportplatz mit dem auf der Südseite gelegenen Schwimmbad und dem danebenliegenden Schulgebäude mit integrierter Sporthalle erreichten. Die Jugendkaue des Bergwerkes Friedrich der Große 1/2 lag damals im Westen des Werksgeländes im Bereich der heutige Kanalstraße. Über der Kaue gab es weitere Räume, die wir danach jahrelang als Raum für den sogenannten Werksunterricht nutzten.

In der Kaue angekommen, wies uns der Kauenwärter die jeweiligen Haken zu. Es war fast mucksmäuschenstill, denn allen Frischlingen klopfte das Herz bis zum Hals, nur die Älteren unter den Berglehrlingen, Bergjungleuten und Handwerkern machten auf unsere Kosten ihre kleinen Scherze.

Nachdem wir und alle umgezogen hatten, ging es gemeinsam in die Werkstätten oder die anderen Arbeitsplätze wie Leseband, Schmiede und Holzplatz. Über eine Fußgängerbrücke, die die Zechengleisanlage überspannte, kamen wir auf den Nordteil des zweigeteilten Areals. Hier ging es wieder zurück in Richtung Schacht 1, hier lagen die anderen Gebäude wie Mannschaftskaue und Werkstätten.

In der Schmiede lernten die angehenden Kumpels den Umgang mit Vorschlaghammer und Schmiedefeuer. Meist stellten sie sogenannte Bolzenklammern her, die unter Tage zur metallenen Verbindung von Holzstempeln zu Hauf benötigt wurden.

Auf einer freien Fläche unter dem alles überragenden Meisterbüro an der Stirnseite der Schmiede sprach unter anderem Meister Kischkel ein paar Worte. Hier lernten wir auch Herrn Eistermann kennen, der wohl die rechte Hand des Werkstattleiters war. Er nahm auch die Markennummern in Empfang und teilte sie nach Schichtende wieder aus. Dann wurden wir namentlich aufgerufen und unseren Bereichen zugewiesen. Einige meiner damaligen Azubi-Kollegen kannte ich bereits. So Horst Schneider, Dieter Ansorge, Heinz Schwerdtfeger (der später mal für Schlagzeilen sorgen sollte) und Kalle Overbacks.

Im Pulk der neuen Azubis und Gesellen wartete bereits unser Einweiser und Alt-Geselle Hans Nowak auf das neue Schlosserquintett. Der Weg in die Schlosserei, einem etwa 120 Quadratmeter großen Raum an der Nordseite der Halle mit Blick auf die Zechenbahn, war ja nicht weit. Die angehenden Bergleute wurden hier den verschiedenen Gewerken zugeteilt. Bei den Schmieden überragte Fritz Hülsmann alle anderen Gesellen. Manchmal treffe ich den gebürtigen Horsthausener auch heute noch, dann plaudern wir über die guten, alten Piepenfritz-Zeiten.

Hans Nowak, unser Alt-Geselle, hielt an jenem 1. April 1959 eine kleine Ansprache und zeigte uns unsere Arbeitsplätze: eine ölgetränkte Werkbank, die aber noch von verschiedenen Werkstücken befreit werden musste. Horst Schneider, Bernd Sens, Walter Herzig, Klaus Zweiböhmer und ich bekamen nun unsere Schraubstöcke, dazu einen etwa 30 mal 30 Zentimeter großen Putzlappen, der als Unterlage für Winkel und Schieblehre diente. Dazu gab es einen Satz Feilen – flach, halbrund, rund – in den Versionen grob und fein. Später erhielten wir noch jeweils Eisensägen. Die anderen Gesellen Huesmann und Pascher schauten uns interessiert zu. Unser Geselle hatte für uns ein quadratisches Metallstück von etwa 110 mal 110 Millimeter besorgt. Nun begann der Ernst des Lebens: Es musste aus dem 10 Millimeter starken Blechstück ein passgenaues Quadrat von 100 mal 100 Millimeter herausgearbeitet werden.

In der kleinen Grubenschlosserei, die hinter der großen Schmiede lag, wurden unter anderem Abbau- und Bohrhämmer, Pumpen und weiteres Kleingerät, das im Untertagebetrieb benötigt wurde, wieder instandgesetzt.

Gegen 7.30 Uhr tauchte dann Meister Porsfeld auf, der zuvor seine anderen Schützlinge auf der Schachtanlage 3/4 begrüßt und eingewiesen hatte. Er entpuppte sich im Laufe unserer Lehrzeit und auch danach als ein harter, aber gerechter Fachmann, der aber von allen Auszubildenden verehrt und respektiert wurde.

Unser Azubis-Quintett war froh, als um 10 Uhr ein akustisches Signal den Beginn einer halbstündigen Kaffeepause ankündigte, wie wir gemeinsam in einer Holzbude, die sich im Schatten des neuen Fördermaschinenhauses von Schacht 1 befand, antreten konnten. Hier verzehrten wir etwa 50 Neulinge fast stillschweigend unser Brote und spülten mit schwarzem Kaffee oder Tee nach. Dann ging es wieder zurück in die Werkstatt, wo Feile und Winkel von nun an genau ein Jahr lang Tag für Tag unsere Arbeitstage begleiteten. So war ich völlig überrascht, als ich auf dem Pütt meinen Klassenkameraden Horst Schneider traf, der damals im Dichterviertel wohnte. Wir war nun für einige Jahre unzertrennlich, auch später als sich unsere Wege beruflich trennten, blieben wir bis zu seinem Tod im Jahre 2014 Freunde. Bis zum 30. April 1959 gab es auf den deutschen Bergwerken noch die Sechs-Tage-Woche. Daher mussten auch wir Lehrlinge damals noch samstags für ein paar Stunden zum Pütt. Aber es waren aber sehr kurze Arbeitstage, die um 12 Uhr endeten.

Aber bis zum Ende der Lehrzeit mussten wir Auszubildenden, nachdem wir längst auf 3/4 tätig waren, einmal im Monat in die Lehrwerkstatt zurück, um unsere vorgegebenen Werkproben abzugeben, die dann von Alt-Geselle Nowak und Meister Porsfeld bewertet und begutachteten wurden. Sie stellten uns Azubis immer wieder vor neue Herausforderungen im Bereich des metallverarbeitenden Berufes, der in diesen Fällen nicht unbedingt auf unsere späteren Arbeitsplätze im untertägigen Maschinenbetrieb abgestimmt waren, dann dazu gehörten auch der Umgang mit den verschiedenen Schweißgeräten. Voller neue Eindrücke und total müde kehrten ich nach der ersten Schicht auf Piepenfritz nach Hause zurück. Nach dem Essen schlief ich sogar auf der Eckbank ein, was danach, als ich ab dem 1. April 1961 erstmals richtige Grubenluft schnupperte, wohl öfters vorgekommen sein soll...... [3]

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Quellen

  1. Foto: Sammlung Friedhelm Wessel
  2. Dieser Text wurde von Friedhelm Wessel zur Verfügung gestellt. Der Text darf nicht ohne Genehmigung verändert oder weitergegeben werden.
  3. Ein Artikel von Friedhelm Wessel