Und wenn du denkst, Flottmann geht unter . . .

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

„Und wenn du denkst, Flottmann geht unter . . .“

Diskutierten über die Firma Flottmann: (v.l.) Historiker Ralf Piorr, Michael Farrenkopf (Bergbaumuseum), Uta C. Schmidt (Moderatorin), Prof. Stefan Goch (Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen) und Hubert Emmerich (ehemaliger Leiter des Herner Kulturamtes).FUNKE Foto Services Foto: Rainer Raffalski

Herne. 16. Januar 2015 Mit einer Podiumsdiskussion und der Aufführung von „Flottmanns-Stimmungswalzer“ wurde in den Herner Flottmann-Hallen eine Dauerausstellung eröffnet.

Christian Ribbe hatte zu kämpfen, mit dem fürchterlichen Versmaß, mit dem verqueren Text. In einer „Welturaufführung“ stellte der Chef der Herner Musikschule, diesmal als Sänger, mit seinen beiden Kollegen Martin Rübenstahl-Schmidt (Geige) und Gerald Gatawis (Keyboard) am Donnerstagabend den „Flottmann-Stimmungswalzer“ vor - der Text aus der Feder von Heinrich Flottmann selbst. „Er verstand zwar was von Bohrhämmern“, lästerte Ribbe, „vom Dichten, von Jambus und Trochäus aber sehr wenig“. Trotzdem brachte der Walzer zusammen, was die „Flottmann-Hallen“ heute ausmacht: ihre industrielle Vergangenheit und die heutige Kulturstätte mit Veranstaltungen, glücklicherweise weit oberhalb des Niveaus von Flottmanns Walzer.

Parteimitglied seit 1931

Anlass für die Uraufführung und eine anschließende Podiumsdiskussion war die Eröffnung der Dauerausstellung in den Flottmann-Hallen, die die Geschichte der gleichnamigen Firma und Eigentümerfamilie aufarbeitet (die WAZ berichtete). Eine Geschichte, die nicht nur eine des Erfolgs ist, für Innovation und weltweite Bedeutung steht und Herne den Beinamen „Stadt der Bohrhämmer“ einbrachte; es ist auch eine Geschichte mit dunklen oder anders: braunen Kapiteln. „Flottmann ist nicht in den Nationalsozialismus hineingerutscht. Er und seine Familie sind schon 1931 beziehungsweise 1932 in die Partei eingetreten - eine klare, bewusste Entscheidung“, betonte der Herner Historiker Ralph Piorr. Er hat die Flottmannsche Geschichte umfangreich recherchiert und war maßgeblich mit an der Gestaltung der Dauerausstellung beteiligt.

Historische Fotos

Während auf der Leinwand über der Bühne eine Fotoshow mit historischen Bildern spannende Einblicke in Betrieb, Anlagen, Arbeitsabläufe und Flottmanns Verbindung zum NS-Regime gab, diskutierte Moderatorin Uta C. Schmidt mit Ralph Piorr, Michael Farrenbruch (Bergbaumuseum), Prof. Stefan Goch (Institut für Stadtgeschichte Gelsenkirchen) und Hubert Emmerich (ehemaliger Kulturamtsleiter und „Kind“ der Anna-Luise-Siedlung) über Aspekte der Firma Flottmann, die auch ein Stück Ruhrgebietsgeschichte spiegelt - vom Aufschwung 1902 bis zum Ende 1994. Das angestammte Areal war schon 1983 geräumt, die Restfirma an die Baukauer Straße verlagert worden.

Ehrenbürgerschaft aberkannt

2013 wurde Heinrich Flottmann aufgrund seiner NS-Vergangenheit die Ehrenbürgerschaft der Stadt Herne aberkannt. Um 1920 hatte Flottmann in seinem Walzer gereimt: „Und wenn du denkst, Flottmann geht unter, er geht nicht unter, es scheint bloß so. Gute Arbeit schützt noch immer vor Schutt und Trümmer; das ist doch so. Lass den Flottmann nur gewähren, er wird sich schon wehren, mal so und mal so. Denke nicht, Flottmann geht unter, er geht nicht unter, er bleibt stets froh“. Tja.

Kulturstätte seit 1986

Als Wanne-Eickeler sei er eigentlich erst mit Flottmann in Zeiten des Niedergangs in Kontakt gekommen, erklärte Oberbürgermeister Horst Schiereck in seiner Ansprache. Ein Niedergang, aus dem sich zumindest für einen Teil des ehemaligen Betriebes ein Neuanfang entwickeln sollte - und ein Glücksfall für die Kulturszene in Herne.

1980 kaufte die Stadt Herne das Gelände. Gegen Pläne, die kompletten Werksanlagen abzureißen, regte sich schnell Protest. Eine große Wohnbebauung scheiterte an den Kosten für die Altlastensanierung. Letztlich verhinderten Denkmalschützer, ein Scheck aus Düsseldorf und ein Machtwort von NRW-Minister Christoph Zöpel den Abriss.

Früh hatten sich Kreative, Sozialwissenschaftler, aber auch Bürger für eine sozio-kulturelle Nutzung eingesetzt. An eine von Initiativen selbst verwaltete Einrichtung wollte die Stadt aber nicht ran, erinnerte sich Hubert Emmerich, damals stellvertretender Leiter des Herner Kulturamtes. Die Stadt übernahm die Flottmann-Hallen in ihre Regie: Im Oktober 1986 wurden sie mit einem großen Fest eröffnet. Für die Nutzung des Namens war das Einverständnis von Flottmanns Sohn nötig: Er gab es unter der Bedingung, so Emmerich, dass dort nur Veranstaltungen gemäß der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stattfinden würden. [1]

Gabriele Heimeier

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Quellen