Sodingen schon zu Napoleons Zeiten Zankapfel zwischen Castrop und Herne (Pruys 1925)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Franz Josef Pruys (geboren am 31. Dezember 1887 in Warendorf, gestorben am 14. Dezember 1944 in Castrop-Rauxel). Langjähriger Schriftleiter des Castroper Anzeigers, widmete am 2. Oktober 1925 im Castroper Anzeiger - Heimatblätter für Castrop und Umgebung 4. Jg. Nr. 9 - einen besonderen Artikel über die Eingemeindungsfrage zwischen Herne und Castrop. Die Kuh wurde erst 1928 mit der Eingemeindung des Amtes Sodingen nach Herne beendet.


Sodingen schon zu Napoleons Zeiten Zankapfel zwischen Castrop und Herne

Von Franz Josef Pruys

Anderthalb Jahrhunderte, nachdem mit der Beendigung des Jülich=Clevischen Erbfolgestreits unserer Heimat endgültig an das Kurfürstentum Brandenburg gekommen war, zerschnitt der den für Preussen unglücklichen Schlachten von Jena und Auerstedt folgende Tilsiter Frieden vom 9. Juli 1807 dieses Band: König Friedrich Wilhelm III. musste mit der Hälfte seines Landes auch die westfälischen Gemarkungen an Napoleon abtreten. Castrop und Umgebung kam zu dem in der Hauptsache aus dem ehemaligen Herzogtümern Kleve und Berg und der Grafschaft Marke gebildeten „Großherzogtum Berg“, über das der Schwager Napoleons Joachim Murat als Regent eingesetzt wurde.

Das Großherzogtum war in drei „Departements“ eingeteilt, die nach den Flüssen Rhein, Sieg und Ruhr benannt wurden. Castrop und Umgebung gehörten zum Departement der Ruhr, an dessen Spitze als Präfekt der Freiherr von Romberg auf Haus Brüning stand, der seinen Sitz in Dortmund hatte. Das Ruhrdepartment umfasse die Kreise Dortmund, Bochum, Hörde, Unna, Werne, Lüdinghausen und Wolbeck.

Die Kantons zergliederten sich in Mairien. Auch Castrop wurde Sitz einer Mairie, zu dessen Maire der Freiherr von Bodelschwingh=Plettenberg ernannt wurde. Ihm zur Seite standen in der ganz nach französischen Muster zugeschnittenen Zivilverwaltung, ein Adjunkt (Beigeordneter) und eine Anzahl ebenfalls von Präfekten ernannten Municipalräte. Zur Maire Castrop gehörten die Gemeinden Castrop, Schwieringhausen, Alt-Mengede, Groppenbruch, Frohlinde, Merklinde, Bövinghausen, Holthausen, Sodingen, Börnig, Rauxel, Gysenberg, Habinghorst, Goldschmieding. Dingern, Westerfeld, Nette, Deininghausen, Oestrich, Brünninghausen, Mengende, Deusen und Ellinghausen, also das Gebiet der Stadt Castrop und der Ämter Rauxel, Mengede und Sodingen.

Gegen die Neuregelung der Dinge erhob sich erst Widerspruch, als in der Folgezeit der Municipialitäten von den Franzosen hohe Abgaben aufgelegt wurden, die u. a. auch durch Besteuerung der Grundstücke aufgebracht werden sollten. Genau wie heute bei den Eingemeindungsverhandlungen, so suchte auch damals schon der Nachbar dem anderen die eine oder andere fette Steuerquelle abzuleiten und für sich zu gewinnen.

So entstanden damals Grenzstreitigkeiten zwischen Herne und Castrop einerseits und Datteln und Castrop andererseits.

Über den Herner=Castroper Streit, der sich bezeichnender Weise schon damals in der Hauptsache um Sodingen drehte, sind noch folgende Urkunden vorhanden:

Castrop, den 7. Februar 1811.
der Maire der Municipalität Castrop
an den Herrn Maire der Municipalität Herne.
Vermittelst Marginal=Verfügung vom 15. hat auf Ihre Vorstellung vom 12.m.p. die hochlöbliche Präfektur dekretiert, daß die Grenzen zwischen diesseitigen Gemeinden Börnig und Sodingen und den jenseitigen Herne und Horsthausen berichtigt werden sollen.
In dieser Berichtigung bringe ich einen Termin auf künftigen Montag als den 11. d. Vormittags 10 Uhr in Vorschlag.
Das Zusammentreffen kann bei Westerbusch zu Voßnacken. ohnmaßgeblich am füglichsten geschehen und sollen die diesseitigen Interessenten dahin bestellet werden.
Sie, Herr Maire, wollen gefälligst zu dieser Grenzberichtigung die erforderlichen Anstalten Treffen“.

Über den Lokaltermin selbst ist folgende Niederschrift vorhanden:

Voßnacken, den 11. Februar 1811

In gefolge Verfügung der hochlöblichen Präfektur vom 15. m.p. fanden sich zur Grenzberichtigung zwischen der Commune Börnig und Sodingen (Mairie Castrop) und der Commune Horsthausen und Herne (Mairie Herne).
1. der Herr Maire Steelmann nebst einiger Depurtierten aus Herne und Horsthausen
2. der Beygeordnete Neubauer nebst einigen Deputierten aus Börnig und Sodingen ein.

Es wurde zwar eine Bestimmung der Grenze an Ort und Stelle versucht, indessen konnte keine Bereinigung zustande gebracht werden, denn von Seiten der Mairie Herne wurde verlangt, daß man eine gerade Linie von Schmidts Brücke zu Sodingen bis an Schulten Forst zu Allstedden, welches ein Communikations=Weg sei, ziehen und die Schulten Allstedde und Uhlenbreeck nebst die Commune Sodingen nach Herne einschließen sollte. Sodann der Bache nach bei Westerbusch vorbey bis an die große Forst und im Allstedder Bruch bis nach Bladenhorst.

Der Beigeordneten Neubauer äußerte sich, daß er keinen Auftrag von dem Herrn Maire Freyherrn von Bodelschwingh=Plettenberg habe, die Commune Solingen abzutreten.

Und da die Deportierten von Börnig und Solingen durchaus eine solche Linie nicht als Grenze annehmen wollten, wie sie oben vorgeschrieben sey, so wurde die Sache für hiermit beendigt und der höheren Behörde zur Entscheidung überlassen.

Vor dem Unterzeichneten wurde von Seiten der Mairie Herne noch bemerkt, daß diese Sache dem Herrn Präfektur=Rat Jacobi, der die beste Lokalkenntnis habe zur Untersuchung und Entschließung an Ort und Stelle aufgetragen werden möge.

Der p. Neubauer hatte mieht dabey zu erinnern, daß der Herr Maire von Castrop davon vorher in Kenntnis gesetzt werden müsse.
Steelmann Neubauer
Schulte in der Langforth, Rotger Werkamp aus Herne, Wersthoff bey Herne, Schulte am Esch.


Die Deputierten aus der Mairie Castrop weigerten ihre Unterschrift“.

Die Castroper waren wie aus der Unterschriftenverweigerung und den Vorbehalten des Beigeordneten Neubauer, des Stellvertreters des Maires von Bodelschwingh=Plettenberg, hervorgeht, von der beabsichtigen Lösung der Dinge sehr wenig erbaut.

Das auch der Maire von Castrop selber diese Auffassung teilte, erhellt aus einem ausführlichen Schreiben, das dieser unter dem 16. Februar 1811 an den Herrn Präfekten absandte.

Aus der Einleitung des Schreibens geht hervor, daß der Maire von Herne die neue Grenzfestsetzung veranlaßte, indem er in einem Antrag vom 11. Januar behauptete, das 3= bis 500 Morgen Grund, welche ihre wahren und sonstigen Laage nach zur Mairie Herne und immediate zu den Communen Horsthaus und Herne gehörten, zur Mairie Castrop gezogen, und deshalb darauf anträgt, durch Bestimmung neuer Grenzlinie, solcher der besagten Commune zuzutheilen“. Weiter heisst es in dem Schreiben, daß aus dem Verlaufe der Verhandlungen „die sonderbaren Anmaßungen des Herrn Mairie Steelmann“ offensichtlich wurden, indem derselbe "nicht alleine durch die zu den Communen Sodingen, Börnink gehörige Gründe, sondern sogar durch die Commune Sodingen selbst seine Mairie zu vergrößern anstrebt“. Es wird dann der Nachweis erbracht, daß die Distrikte ,so der pp. Steelmann reklamiert, keineswegs von der Mairie Castrop getrennt werden können, weil die Eigentümer derselben zum bei weitem größeren Teil in der Mairie Castrop wohnen. Wenn es gleich unmöglich ist, daß eine Commune=Grenze alle die dahin gehörigen Gründe einschließen kann, so ist es doch wohl der Natur der Lange angemessen, daß da, wo eine solche Überschließung stattfindet, der größere Teil den kleineren nach sich zieht. Ich würde den Einwohnern der Gränzgrundstücke nächst der Mairie Herne nur unnötige Mühe und Kosten ihn Hinsicht der Steuerzahlung einestheils verursachen, fürs andere aber der ganzen Commune einen ihr rechtlich gebührenden Vorteil durch die zurückgezahlten Zusatz*Centi … bei den Steuern rauben, wenn ich zugeben wollte, daß die Gründe zur Mairie Herne gezogen würden. Ich muss also feyerlich protestieren und daher gehorsamst beantragen:

Die deutlich genug bestimmten und auf wichtigen Grundsätzen beruhende Gränze zwischen der Mairie Castrop und Herne ferner unverändert zu belassen und den Herrn Maire Steelmann in seinem Gesuch abzuweisen“.

Über den Ausgang des Streites findet sich in denen wir vorliegenden Akten leider nichts, doch darf man, da Sodingen bis zur Stadtwerdung Castrops im Jahre 1902 zum Amte Castrop gehörte, wohl annehmen, daß der Maire von Castrop s. Zt. mit seiner Absicht durchgedrungen ist und gegenüber Herne ein obsiegendes Urteil erlangte.


Verwandte Artikel

Quellen