Humor und Ernst in Herner Sprichwörtern (1940)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 22. Juni 1940 wurde im Herner Anzeiger einen Artikel über den "Humor und Ernst in Herner Sprichwörtern" veröffentlicht. Leicht verändert präsentieren wir Ihnen diese Weisheiten.[1]

Humor und Ernst in Herner Sprichwörtern
In alten Sprichwörtern und Redensarten spiegelt sich immer ein gerütteltes Maß an Lebensweisheit wider. Ernste und heitere Dinge des Lebens, die ständig erneut an die Menschen herantreten, sind durch Generationen vor uns bereits in Form der Sprichwörter und Redensarten niedergelegt, von Mund zu Mund weitererzählt worden und so erhalten geblieben. Von ihrer Wahrheit haben sie bis heute nichts eingebüßt.

Wie jeder kleinste Ort, so hat auch das alte Dorf Herne einen für es charakteristischen Schatz an volkstümlichen Lebensweisheiten besessen.
Wir bringen heute einen Beitrag aus dem Gebiet unserer Heimatgeschichte, und zwar sind es dieses Mal ernste und heitere Sprichwörter, die zum täglichen Sprachschatz der Eingesessenen gehörten.
Beginnen wir mit einer Reihe von witzigen Redensarten:

  • „Wat de Lü nech all fört Geld maken könnt!“ segg de Bur, do saoh (= sah) he ne Aab (= Affe).
  • „Gott weet alles, man bloß nech, wat in'ne Wurst is, dat wet he nech!"
  • „Kummt'n bietken näiger (=näher), ich kann nech gott hör'n!“ segg de Voß (= Fuchs) to de Pieleanten (Enten).
  • „Man mot de Sake ov'n Grund gohn.“ segg de Bur, do sprang he en de Mißkuhl
  • „Man mot sek te helpen weten.“ segg de Bur, do bunn'n (= band) be sinen Schauh (= Schuh) met'n Pieleworm (= Regenwurm) zu.
  • „Kopparbeet gript an!“ segg den Ossen (= Ochse), do mot he't erstemol den Plaug (= Pflug) trecken.
  • „Eck strof mine Frau bloß mit guode Worte!" segg de Köster (= Küster), do smeert(= schmiß) he Iähr (= ihr) de Bibel an'n Kopp
  • „Do häß guod lachen!“ seggt dat Hauhn to'm Hahn. „do bruckst kene Eier to leggen!“
  • „Et is immer noch Glück bit Unglück, de Pip is heil gebliewen!" seggt de Burfrau, as Iähr Mann dör de Balkenluk gefallen woar.

Viel Lebenserfahrung ist in den Redensarten zu finden, die mit dem Heiraten zu tun hatten. So sagte man wohl: „Frieen un Heudrögen (= Heutrocknen) geschieht völl umsüß!"
Mütterliche Erfahrung warnte junge Mädchen, die sich mit Heiratsgedanken trugen und die Liebenswürdigkeiten junger Männer zu ernst nahmen, mit dem Sprichwort: „Kiekers (= Schauleute) sin käine Käupers(= Käufer)!“
Ein anderes Heiratssprichwort, das uns gleichzeitig das alte schöne Nachbarschaftsverhältnis vor Augen führt, lautete: „Friee Nowers Kind un koop Nowers Rind, dann wesse nich bedrougen!"(Heirat Nachbars Kind und kauf Nachbars Rind, dann wirst du nicht betrogen!")
Einen ähnlichen Sinn hatte das Sprichwort: „Friee öwer'n Mist, dann weiste, wo de biß!" („Heirat' über den Misthaufen zum Nachbarn hin, dann weißt du, wo du bist!")

Ueber des Glück des einzelnen stand damals immer das Schicksal des Hofes. Von den Kindern konnte ihn nur einer übernehmen, damit er lebensfähig blieb. Die übrigen Geschwister wurden mit einer geringen Aussteuer abgefunden und hatten dann keine Ansprüche mehr zu stellen.
Hiervon spricht das harte, aber unabwendbare Wort: „Hunnert Daler un en Kauh, un dann dat Hecke tau!" d. h., das Hoftor schloss sich nach der Abfindung [gleich] hinter dem Betreffenden.
Auf die Liebe und die Heiratslust bezogen sich die folgenden Redensarten: „Wo de Liebe drop fällt, do fällt se drop, un wenn se op'n Misthaufen föllt!"
Oder: „Dä nemmt ouk dat Päd (= Pferd) ömm den Stall!" d. b., ein Mann heiratete ein wenig schönes Mädchen nur deshalb. weil es reich war.
Heiratslustige junge Mädchen, die einen alten Mann nahmen, sagten wohl zu ihrer Entschuldigung: „Ach watt, better en ollen Narr, as gar käinen!“
Hatte sich ein ulkiges Pärchen gefunden, dann sagte der Volksmund: „Et es käin Pöttken so schäif (= schief), ei paßt nen Deckelken drop!“
Heiratete ein alter Mann, dann hieß es wohl: „Häi mott noch met de Brill' an de Weige (= Wiege) sitten!"
Im übrigen glaubten damals die Leute an eine Art Vorbestimmung bei dem Sichfinden der Pärchen. Dieses Gefühl drückten sie in dem Sprichwort aus: „Wat bineen (= beieinander) kommen sall, kömmt bineen, un wenn se dä Düwel op dä Schuwkar (= Schubkarre) bineen schuwen sall!"
Von lustigen Witwen sagte der Volksmund gerne: „En Witwe hed en lang' Kleid: jeder trett drop!“
Heiratete eine ältere Frau noch in ihren alten Tagen, dann hieß es wohl: „En olle Hibbe hed ouk noch gän en gräun (= grünes) Blättken!" oder:
„Lott doch dä ollen Schüren brennen, dä brennt am besten!"
Als die Hauptsache beim Heiraten sah man aber die Ehrlichkeit auf beiden Seiten an: „Lot es sin, wie't will: de Hauptsake es, dat dat Hatte (= Herz) godd es!"
Vom menschlichen Schicksal sagte man allgemein, dass es in einer höheren Hand liege und dass man den vom Schicksal gezeichneten Weg gehen müsse:
„Goddes Wäer is Goddes Wille. Holl' dä Mule un schwieg stille!"
Oder: „Duck dich, lott vorüwergohn, dat Wedder will sin Willen haon (= haben)!"
Dass Arm und Reich in gleicher Weise ihre Sorgen zu tragen haben. sagte man mit dem Sprichwort. „Jeder mott sin Päcksken to Markte drägen!"
Kam etwas Unangenehmes ständig wieder, hieß es: „Wenn man dan Düwel vörn rutschmiet, dann kömmt hä van ächten (= hinten) wier rin!"
In schlechten Tagen tröstete man sich mit dem Spruch: „Gott dä Här lött us woll sinken, aber hä lött us nich verdrinken (= ertrinken)!"


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Quellen