Haranni im Werdener Heberegister (Reiners 1935) IV

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 26. Januar 1935 startete Leo Reiners im Herner Anzeiger ein umfangreichen Artikelserie über „Haranni“. [1]

Haranni im Werdener Heberegister

Das „Hulsenguidt thu Holthusen“ - Interessante Zusammenhänge mit Hof Sonntag in Börnig und den Schlossherren von Bladenhorst - Der Börniger Weinberg gehörte tatsächlich Werden - Honnykens nicht eingeholte Heiratsgenehmigung - Ein Herner Pastor Heinrich 1401— Tappe und Eckmann in Holthausen waren Werdener Abteigut!

Von Dr. Leo Reiners

IV. 16. Februar 1935

Der Klosterbesitz in Holthausen

Neben „Bergen im Kirchspiel Herne“ hat von dem Werdener Güterbesitz im Herner Gebiet am längsten und bedeutungsvollsten „Holthausen im Kirchspiel Castrop“ eine Rolle gespielt. Dieses Holthausen tauchte, wie wir sahen, schon in der Urbarhandschrift A unter „Amt Odgrims“ um 900—920 auf. Erwähnt wurden damals ein Mathalgar, ein Wil-mund, ein Ledrad und ein Athallind in Holthausen. Im Großen Privilegienbuch (um 1160) wurden für Holthausen Obert und Hermann (für Sodingen Hermann und für Herne Gerbert und Gevehard) genannt. Erst rd. 250 Jahre später kommt Holthausen im Werdener Schrifttum zum dritten Male zur Erwähnung. Es geschieht in dem Lehengüterverzeichnis aus der Zeit Abt Adolfs von Spiegelberg, das um 1412 entstand. Dort heißt es unter Castrop:

Kastorpe. ltem Everhardus de Mengede de tribus mansis in Holthusen ½ mr. et 3 d.

Danach sind damals in Holthausen immer noch drei Hufen an Kloster Werden hörig. Mit ihnen ist Eberhard von Mengede belehnt, der dafür eine halbe Mark und 3 Denare jährlich zu zahlen hat.

Noch im gleichen Jahrhundert erscheint ein anderer Lehnsherr über Holthauser Klosterbesitz. In dem Verzeichnis nicht hofhöriger Klostergüter aus Schades Register (Zeit der Klosterreform 1474/77) findet sich

Grete up der Borch toe Boken van den gude toe Castorpe (die Hand Kruishaars (1506-55) hat hier erklärend hinzugesetzt
dat Hulsengudt by Holthusen), behandet mit einem Sohne, für das Siechenamt 4. s. Werd.

Hier ist also eine Grete up der Borch aus Bochum zusammen mit ihrem Sohn mit dem Hulsengut zu Holthausen behandet und hat für das Siechenamt des Klosters jährlich 4 Werdener Solidi zu zahlen. Dieselbe Inhaberin von Klostergut wird im Register des Rentmeisters Gortfrid Carthuis (1490/91) erwähnt. Dort heißt es unter Boichem (Bochum):

ltem Margareta up der Borch de bonis 1o Castorpe 4 s.

Während also in Schades Register von einem Gut in Castrop gesprochen wird, das Grete up der Borch zu Bochum innehat, sind es rd. 15 Jahre später mehrere Güter (de bonis) in Castrop. In beiden Fällen beträgt aber der Zins nur 4 Solidi. Jedenfalls dürfte das eine und wichtigste der Güter das Hulsengut in Holthausen gewesen sein. Dieses Hulsengut erscheint aufs neue rd. 100 Jahre später im Pacht- und Rentenbuch des Stifts Werden von Abt Heinrich Duden, das 1589/90 entstand. Dort heißt es:

Johan, Philips Arndt und Herman gebroeder van Vermundt alle 3 behandet mit Hulsenquidt thu Holthusen by Castorp, Erbzins durch den Pächter zu Martini 4 Werd. schill. Colniß paymentz.

Damals sind also die drei Brüder Johann, Philipp Arnold und Hermann von Virmund auf Schloss Bladenhorst mit dem Hulsengut behandet gewesen. Sie waren die ältesten Söhne des Philipp von Virmund, der auf Schloss Bladenhorst die lutherische Lehre ein-führte und dessen Tochter die (im Kindbett gestorbene) erste Gattin des gelehrten Jobst von Strünkede war. Eine andere Tochter, Anna Theodora, heiratete Caspar v. Romberg zu Brüninghausen. Diese bekam nach Philipp Arnold, der kinderlos blieb, das Schloss Bladenhorst, wodurch die v. Romberg Besitznachfolger der Virmunds wurden und wahrscheinlich auch das Hulsengut innehatten. Jedenfalls hat dieses bei der Säkularisation 1802/03 wohl noch zum Klosterbesitz gehört, denn ein 1821 bei der Sammlung der Werdener Archivalien angelegtes „Verzeichnis des Archivs der ehemaligen fürstlichen Reichsabtei Werden“ nennt ausdrücklich das „Hülsengut“ in Holthausen.

Darüber, ob das Hulsen- bzw. Hülsengut heute noch nachweisbar ist, werden wir weiter unten sprechen.

Auffallend ist allerdings die Ähnlichkeit von „Hulsengut“ mit „Hulßgut", das, wie wir anführten, nach demselben „Pacht- und Rentenbuch Abt Dudens“ in Bergen genannt wird. Aber darüber wird noch zu sprechen sein.

Wer waren nun die anderen Holthauser Höfe? Es wird doch bei Eberhard von Mengede von drei Höfen in Holthausen gesprochen.

Hennink?

Da kann uns das„Verzeichnis der Kurmed- und Wachszinsigen", das um 1500 angelegt ist, helfen. Es enthält folgende Notiz:

Castorpe
Wylm Dyricus / Honnyken solverunt per concordiam, cuilibet 3 fl. Hornenses, quia nupserunt sine consensu etc. anno 1506. Diricus Sundach.
Kastrop: Wilm und Dirikus Honnyken zahlten nach Übereinkunft jeder 3 Floreni Hornenses (fl.= Gulden), weil sie ohne Einwilligung heirateten. 1506. Dirikus Sundach.)

Was es mit dieser Stelle auf sich hat, geht noch deutlicher hervor aus dem „Einnahmeverzeichnis aus Zahlungen Wachszinsiger", wo es für das Jahr 1505/06 heißt:

Wilhem Honicke ei Dirich Honicke germani habitantes i(n) p(arochia) Castorpe concordantes nobiscum de cerecensualitate sua etc. nupserunt enim sine consensu et nutu etc. dabunt quilibet 3 fl. Hornenses, facit simul 6 fl. Colonienses.
Dirich Sundach to Castorpe noluit convenire, sed solvit de quatuor annis suum wasstins 8 d.
(Wilhelm und Dietrich Honicke, Gebrüder, die im Kirchspiel Kastrop wohnen und mit uns über ihre Wachszinspflicht usw. übereingekommen sind - sie heirateten nämlich ohne Einwilligung und Zustimmung usw. - geben jeder 3 Floreni Hornenses, macht zusammen 6 Kölnische Gulden. Dietrich Sundach zu Kastrop wollte sich nicht einigen (oder: ehelichen), doch bezahlt er für vier Jahre seinen Wachszins mit 8 Denaren.)

Hier finden wir also als Wachszinspflichtige (sie müssen demnach einmal Bienenzucht gehabt haben) zunächst zwei Brüder Honicke ooer Honniken im Kirchspiel Castrop. Da sie um 1505/06 erwähnt werden, muss ihr Familienname auch im Märkischen Schatzbuch von 1486 stehen. Dort findet sich aber unter Castrop kein derartiger Name, wohl steht unter Börnig ein Jan Henninck. Da Börnig ebenfalls zum Kirchspiel Castrop gehörte, sonst aber kein Name im ganzen Kirchspiel verzeichnet ist, der mit Honicke oder Honnyken in Beziehung gebracht werden könnte, so kann man nur schließen, dass die-ser Jan Henninck der Vater der ohne Genehmigung in den Ehestand getretenen Wilhelm und Dietrich Honnyken war. Nun findet sich ein Name Honninkh oder Hoeninkh auch in dem jüngst von der Stadt Herne angekauften Katasterverzeichnis des Gerichts Castrop von 1675/76. Dort steht er unter Holthausen. Das wird immer noch dieselbe an Kloster Werden wachszinspflichtige Familie sein. Leider fehlen von da ab die Nachrichten über die Honnink, in den Katasterunterlagen von 1826 ist nichts mehr über sie zu finden.

Hof Sonntag in Börnig.

Wichtiger noch ist die Nachricht über Dirikus Sundach. Nach dem Märkischen Schatzbuch von 1486 gab es einen Hentzgen Sondach in Holthausen und einen Rutger Sondach in Börnig, nach dem Katasterverzeichnis von 1675 nur einen Sontag in Börnig (neben einem Sontag in Pöppinghausen, das aber zum Kirchspiel Recklinghausen gehörte). Auch in den Katasterkarten von 1826 ist der Hof Sonntag in Börnig (keiner in Holthausen) enthalten. Der Inhaber hieß damals Diederich Sonntag. Zu diesem Hof gehörten allerdings Grundstücke auch in Holthausen und Sodingen. Nun aber kommt das Entscheidende. In dem Güter- und Grundstücksverzeichnis von 1867 stehen dieselben Grundstücke - es sind eine ganze Reihe- , die auf den Karten von 1826 den Namen Sonntag tragen, auf den Namen Frhr. Konrad von Romberg zu Bladenhorst, 1883/84 gehören sie Freifrau von Weichs zur Wenne geb. von Romberg. Nun haben wir oben schon erfahren, dass im Jahre 1589/90 die von Virmund auf Bladenhorst, deren Erben die von Romberg sind, mit dem „Hulsenguidt thu Holthusen by Castorp“ behandet waren. Da nach dem Güter- und Grundstücksverzeichnis von 1867 die v. Romberg in Börnig, Holthausen und Sodingen, von kleinen Grundstücksteilen abgesehen, keine anderen Grundstücke als die 1826 auf den Namen Sontag verzeichneten und erst recht nur einen bebauten Hofraum, nämlich den Sontagschen, besaßen, so erscheint der Schluss unausweichlich, dass das Hulsen- oder Hülsengut und der Hof Sontag in Börnig ein- und dasselbe sind.

Wo liegt nun der Hof Sontag in Börnig? Er ist leider nicht mehr da. Bis 1908 hat er be-standen! Er lag in dem Winkel, den die Kirchstraße am Eingang zum Dorf Börnig mit der Dorfstraße (rechter Hand von dem aus Sodingen kommenden Spaziergänger) bildet. Heute gehört das freie Grundstück der Stadt Herne.

Ein Werdener Weinberg.

Aber noch ein weiteres ist in diesem Zusammenhang wichtig. Wir haben schon auf den „Denar für Wein“ hingewiesen und gezeigt, dass dieser tatsächlich anstelle früher gelieferten Weins gegeben wurde. Ja, wir haben sogar nachgewiesen, dass es in Herne Weinberge wirklich gegeben hat. Der eine lag da, wo jetzt das Börniger Krankenhaus steht. Die dortige Flur heißt noch auf der Katasterkarte von 1826 „im Weinberge“ und ist der Südostabhang der Flur „auf dem Berge“. Nun gehörte aber der ganze Grundstückskomplex „im Weinberge“ mit dem anschließenden Abhang der Flur „auf dem Berge“ und dem danebenliegenden „Knabenacker“ dem Bauer Sontag in Börnig bzw. v. Romberg zu Bladenhorst. Daraus muss man rückschließen, dass wir tatsächlich hier den zum Hülsengut gehörigen Weinberg haben, der an das Kloster Werden Wein lieferte bzw. später den „Denar für Wein" zahlte.

Pastor Heinrich in Herne.

Damit wäre unsere Ausschöpfung der Werdener Urbare abgeschlossen. Es muss aber noch einer Stelle aus den „Aufzeichnungen über Annahme von Dienstmannen der Abtei Werden unter Abt Adolf von Spiegelberg“. Erwähnung getan werden. Dort heißt nämlich:

ltem anno domini Mo quadringentesimo primo recepimus Drudam, filiam Lutken der Ovene ac generam domini Hinrici pastoris in Herne, in hominem ministerialem cum omnibus de se procreandis, tali tamen condicione, quod post mortem ipsa ei omnes de se procreandi dabunt unum scudatum antiquum cuilibet pro herwadio.
(Gleichfalls haben wir im Jahre 1401 Drude, die Tochter von Lutken der Ovene und Schwägerin des Herrn Pastors Heinrich in Herne mit all ihren Kindern als Dienstmännin aufgenommen und zwar unter der Bedingung, dass nach dem Tode sie selbst und all ihre Kinder jeder einen alten Schild (Münze) als Herwadium geben (Herwadium, eigentlich Heergewette, Heerausrüstung, ist eine Sterbefallsgebühr).

An dieser Textstelle interessiert uns hauptsächlich der Pfarrer Heinrich in Herne. Wir wissen nämlich aus der vorreformatorischen Zeit der Herner Kirche sehr wenig. Bisher war z. B. der Name nur eines Pfarrers der damaligen Zeit, eines Pfarrers Wessel (um 1277), bekannt. Jetzt kennen wir wenigstens einen weiteren, den Pastor Heinrich um 1401.

Tappe und Eckmann in Holthaulen Klostergüter.

So hat uns denn das Schrifttum des Werdene Klosters recht aufschlussreiche Einblicke in die Herner Vergangenheit tun lassen. Doch ist damit das Thema immer noch nicht erschöpft. Es ist uns nämlich möglich gewesen, Einblick in alte Urkunden, die sich im Besitze des Herrn Tappe in Holthausen befinden, zu nehmen. Dabei stellte sich zu unserer Freude heraus, dass wir auf einen bis ins vorige Jahrhundert hinein vom Kloster Werden abhängigen Hof gelangt waren. Aus den Urkunden, auf die wir in einem gesonderten Artikel zurückkommen werden, geht hervor, dass der Hof Eckmann zu Holthausen, der Hof Tappe (Oberste Tappe) zu Holthausen, der Hof Schlingermann zu Obernkastrop und das Kusen- oder Hülsengut in Bergen, Kirchspiel Herne, „dem Verlaut nach jetzo Bergmann genannt", dem Stift Werden gehörten. Die drei erstgenannten unterstanden dem Abdinghof in Waltrop, der mit seinen Unterhöfen an die von Freitag zu Schorlingen (s. Vrygdach im vorigen Artikel) zu Lehen gegeben war. Goswin von Freitag zu Schorlingen trat dieses Lehnsrecht im Jahre 1653 mit Genehmigung des Werdener Abtes erbkäuflich an Conrad von Strünkede ab. Als die Strünkeder ausstarben und die großen Erbauseinandersetzungen begannen, kaufte Tappe im Jahre 1787 für 1200 Reichsthaler den Hof und unterstand nun direkt dem Abt von Werden, der Johann Henrich Tappe und dessen (künftige) Ehefrau mit dem „Hobs- und Behandsguth Tappe genant“ behandete. 1811 hat der Hobs- und Behandigungsrichter in Werden (der preußische Staat war 1802/03 mit der Säkularisation an die Stelle des Abtes getreten) die Behandigung der Ehefrau des Johann Henrich Tappe, Anna Maria Margareth geb. Heiermann, ausgesprochen. Übrigens saßen Tappe (der oberste Tappe) und der Kleine Tappe (später Täpken, dann Wiesche) und Eickmann ausweislich des Märkischen Schatzbuches schon 1486 in Holthausen.

Wir sehen, dass mit diesen Urkunden bedeutungsvolles neues Licht auf die Beziehungen Hernes zu Kloster Werden fällt. Wir können also die Ausmünzung der Werdener Archivalien, soweit sie Koetzschke publiziert hat, abschließen, um uns nun den heimi-schen, für uns sicherlich ebenso wertvollen Quellen zuzuwenden. Zum Schluss sei nur bezüglich der Erwähnung des Hülsengutes in Bergen in den Holthauser Urkunden gesagt, dass, wie auch Abt Duden angibt, ein Hülsengut in Holthausen (offenbar Sonntag) und ein Hulß, Kusen= oder Hülsengut in Bergen bestanden haben muss. Damit wäre auch es die oben angeschnittene Namensähnlichkeit von „Hulsengut" und „Hulßgut“ erklärt.

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Quellen