Dat Streppmusfest (1940)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Am 8. August 1940 wurde im Herner Anzeiger einen Artikel über Sitten und Gebräuche im alten Herne veröffentlicht. Besonders das Einkochen von Stielmuss wird hier dargestellt. Die Humoreske art dieses Artikel ist besonders erlesbar.[1]

Dat Streppmusfest

Von altem Herner Brauchtum

Wie in andern Teilen unserer Heimatprovinz war es auch im alten Dorfe Herne Sitte, dass sich beim Einmachen der Wintervorräte die Nachbarn gegenseitig Hilfe leisteten. Mit dem Stiel= oder Streppmus fing das an, es folgten die Einmachbohnen und der Kappes. Den einzelnen Haushaltungen wäre das Bohnenschnippeln und das Abstreifen und Kleinschneiden beim Stielmus eine recht langwierige Angelegenheit geworden. Deshalb half eine der anderen abwechselnd dabei aus, alle Hände halfen wacker dabei mit. Während für die Frauleute ein guter Kaffee gekocht wurde (Geduld, liebe Leserin, in absehbarer Zeit wirst auch du dich wieder daran laben können), bekamen die Männer dabei einen alten Korn eingeschenkt. Wie sagt doch Schiller: „Wenn gute Reden sie begleiten, dann fließt die Arbeit munter fort“. So war es auch hier, beim Auseinandergeben stand ein wesentlicher Teil des Winterbedarfs fertig.
Nach Allerheiligen begann dann das Schweineschlachten. Es war damals kein Haus im Dorfe, in dem nicht wenigstens ein Schwein geschlachtet worden wäre. Zum Winterbedarf gehörte auch ein Stück „van ne daue Suorge".„Dat Beste am Schwien es doch ümmer dat, wat tüschen Kopp un Stiärt sitt.“ Wie käme sonst wohl Geschmack an das Wintergemüse. Ein paar saftige Rippen, ein Eisbein oder -„Lucullus, verhülle dein Haupt“, - eine selbstgemachte Mettwurst, ohne eine dieser Einlagen war doch das beste „Streppmus" nichts.
Diese abendlichen Zusammenkünfte boten dann manchmal Stoff zu allerhand Streichen den lieben Nachbarn gegenüber. Sehr beliebt war es, das abstreifte „Laub“ vom Stielmus irgendeinem Nachbarn auf die Fensterbänke zu packen. Mancher, der nicht gerade einen Hof oder Kotten hatte, schaffte sich so den Abfall vom Halse. Die Jungbauern oder Knechte machten sich alljährlich einen Sport daraus, irgendeinem Nachbarn mit Hilfe einer Leiter das ganze Abfallgemüse auf die Fensterbänke im zweiten Stock zu bauen.
Es sind an die achzig Jahre her, als der damalige Dorfdiener und Nachtwächter Knoop auf seinem Streifengang an dem Gehöft des Bauern Althof an der Hochstraße vorbeikam. Es war gegen Mitternacht. alles lag in tiefer Ruhe. Knoop ließ seine Blicke aufmerksam umhergehen. Da gewahrte er im Mondschein einen Menschen mit einem Korbe. der eine an das Althoffsche Wohnhaus gelehnte Leiter emporstieg. Dicht am Hause, unter der Leiter, befand sich die Mistgrube. Knopp, der zuerst angenommen hatte, er hätte es hier mit einem Dieb zu tun, wurde bald eines Besseren belehrt. Er hörte Schritte, und ein zweiter Mann, der ebenfalls einen großen Korb trug, nahte dem Hause. Knoop, der den alten Brauch wohl kannte, konnte sich eines Lächelns nicht erwehren, doch pflichtgetreu, wie er war, glaubte er doch, als Amtsperson und Hüter der Ordnung diesen Unfug nicht dulden zu dürfen. Er stürzte plötzlich vor, griff nach der Leiter und kippte diese seitwärts um, sodass der Obenstehende den Halt verlor und geradewegs in die darunter befindliche Mistkuhle stürzte. Gottlob fiel er hier ziemlich weich. Knoop aber hatte sich den zweiten Mann geschnappt, während der erstere sich mit Mühe und Not fluchend aus dem Mist herausgearbeitet hatte. Es stellte sich heraus, dass der eine der Sohn eines Sattlermeisters, der zweite Knecht eines benachbarten Bauernhofes war. Bei dem Sattlermeister war das „Streppmusfest" gestiegen, die beiden Täter waren dabei zu viel an der Pulle gewesen. Mit dem Knecht war auch die Tochter des Hofes zum Helfen gekommen. Auf diese hatte der Sattlerssohn ein Auge geworfen und, um sich bei dieser ins rechte Licht zu rücken, hatte er mit dem Knecht zusammen diesen Streich ins Werk gesetzt. Mit dem unfreiwilligen „Bad“ hatte er freilich nicht gerechnet. Knoop ließ die beiden Sünder laufen. Das duftende Endergebnis für den Sattlerssohn blieb aber nicht verschwiegen, er wurde noch lange damit gehänselt. Am meisten aber sollen sie auf dem Althofschen Hofe darüber gelacht haben.
Das Brauchtum der nachbarlichen Hilfeleistung hat aber manches erfreulichere Ergebnis gezeitigt. Mancher junge Mann hat hierbei sein Mädchen kennen und lieben gelernt. Nach der gemeinschaftlichen Arbeit verweilte man noch ein Stündchen und, während wohl ein alter Schwerenöter sein Leiblied anstimmte „Wann hier en Pott met Bauhnen stait un do en Pott met Brie, dann lot eck Brie un Bauhnen stohn un griep no de Marie“, griff draußen mancher Jungmann nach seiner Marie oder Libeth. Die Nacht senkte sich hernieder, der Mond goss seinen milden Schein über ein glücklich liebend Paar. Aus der verschwiegenen Gartentaube aber drang. von niemand gehört, leises Kosen, ein Flüstern von dem alten doch ewig jungen Lied der Liebe
Von der Welt ach so weit, von der Welt ach so fern,
Es hat sie niemand gesehn, als der Mond und die Stern“
J. Reichel



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Quellen