Bergarbeiterkolonie Julia
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Die Bergarbeiterkolonie Julia entstand ab 1899 in Holsterhausen. Sie wurde durch die Harpener Bergbau AG für die Belegschaft der benachbarten Zeche Julia errichtet und zählt zu den prägenden Werkssiedlungen des Stadtgebiets. Die Siedlung liegt zwischen den Bahnlinien im Norden und der Dorstener Straße im Westen.
Die Straßen erhileten anfangs (1912) die Namen: Sedanstraße (Bielefelder Straße), Industriestraße (Beckumer Straße), Mittelstraße (Juliastraße), Juliastraße (Klosterstraße), Baukauer Straße (Paderborner Straße) und Friedrichstraße (Bielefelder Straße). Hauptsächliche Architekten / Ausführung: Magdeburger Bau- und Creditbank, bzw. Stadtbebauungsamt.[1]
Bauphasen und Umfang
Die Siedlung wurde in mehreren Etappen errichtet: 1899, 1900, 1909 sowie 1928/29. Sie umfasst rund 8,18 Hektar[2]. Ursprünglich wurden etwa 40 Vierfamilienhäuser für rund 200 Familien gebaut. Bis 1929 wuchs der Bestand auf etwa 130 Häuser an. Davon sind nach den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs heute noch 97 Gebäude erhalten. Kriegsbedingte Baulücken wurden später mit Einfamilienhäusern geschlossen[3].
Architektur und Ausstattung
Die typischen Siedlungshäuser bestehen aus Backsteinmauerwerk im traditionellen Stil des Ruhrgebiets. Jedes Haus bot vier Wohnungen mit jeweils 81,5 m² Wohnfläche, fünf Räumen, Abort, Stallungen, eigenem Eingang und Wasseranschluss[4]. Oberhalb des Eingangs befanden sich zusätzliche Zimmer für Kostgänger. Zur Wohnung gehörte jeweils ein Stück Gartenland zur Selbstversorgung.
Der damalige Chronist Robert Hundt schrieb 1902:
„Die Wohnungen sollten in erster Linie an Leute vermietet werden, welche schon längere Zeit in Diensten der Gesellschaft standen. [...] Ferner sollten Familien mit geringerer Kopfzahl Gelegenheit zum Halten von Kostgängern gegeben sein, ohne dass eine Gefährdung der guten Sitten zu befürchten wäre.“[5]
Im Jahr 1902 wohnten in der Siedlung 225 Familien, 55 erwachsene Söhne und 117 Kostgänger – fast alle arbeiteten auf der Zeche Julia[6].
Die Steigerhäuser befanden ssich alle auf der Rottbruchstraße.
Weitere Bautypen
Mit dem Anwachsen der Belegschaft entstanden ab 1900 an der damaligen Baukauer Straße (heute Paderborner Straße) Sechs-Familienhäuser mit rund 74 m² großen Wohnungen. Diese verfügten über drei Wohnräume, Küche und Stall. Die Fassadengestaltung bestand aus Putz- und Klinkerornamentik[7].
Laubenganghaus "Bandoneon"
Im Jahr 1928 ließ die Stadt Wanne-Eickel an der Bielefelder Straße ein etwa 50 Meter langes Laubenganghaus mit 20 Kleinwohnungen errichten. Der einheitliche Bautyp vereinfachte Planung und Bauausführung. Im Volksmund wurde das Gebäude „Bandoneon“ oder „D-Zug“ genannt. Es wurde in den 1960er Jahren als Notunterkunft genutzt und Mitte der 1990er Jahre abgerissen[8].
Nachkriegsgeschichte und heutiger Zustand
In den 1980er Jahren erfolgte die Privatisierung der Siedlungshäuser durch die Märkische Steinkohlengewerkschaft. Die dortigen Bewohner hatten Kaufrecht und nutzten es mehrheitlich. Ein Antrag auf Denkmalschutz wurde von der Unteren Denkmalbehörde der Stadt Herne abgelehnt, da durch Umbauten und Modernisierungen zu viele gestalterische Eingriffe vorgenommen wurden[9].
Bedeutung
Die Kolonie Julia war nicht nur Wohnort, sondern auch identitätsstiftend für den Stadtteil Holsterhausen und ist ein Beispiel für den sozial motivierten Werkswohnungsbau im Ruhrgebiet der Kaiserzeit und Weimarer Republik[10].
Literatur
- Robert Hundt: Bergarbeiter-Wohnungen im Ruhrrevier. Dortmund 1902.
- Bollerey/Hartmann: "Gutachten Arbeitersiedlung" 1980
- Stefan Goch: Leben an der Ruhr. Klartext, Essen 1992.
- Westfälisches Amt für Denkmalpflege: Siedlungsarchitektur im Ruhrgebiet. Münster 1985.
- Stadtarchiv Herne: Bauakten Harpener Bergbau AG.
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Einzelnachweise
- ↑ Bollerey/Hartmann 1980 HER 21
- ↑ Stadtarchiv Herne: Bauakten Harpener Bergbau AG, 1899–1929
- ↑ ebd.
- ↑ Hundt, Robert: Robert Hundt: Bergarbeiter-Wohnungen im Ruhrrevier. Dortmund 1902., S. 144–145
- ↑ Hundt, Robert: Robert Hundt: Bergarbeiter-Wohnungen im Ruhrrevier. Dortmund 1902., S. 145
- ↑ ebd.
- ↑ Westfälisches Amt für Denkmalpflege: Siedlungsarchitektur im Ruhrgebiet, Münster 1985
- ↑ Stadt Herne, Bauaktenarchiv, Objekt Bielefelder Straße, 1928–1995
- ↑ Mitteilung der Unteren Denkmalbehörde Herne, 1981
- ↑ Goch, Stefan: Leben an der Ruhr. Arbeiterwohnungsbau und Siedlungspolitik im Ruhrgebiet, Klartext, Essen 1992

