Albert Ringsdorf

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Albert Ringsdorf (geboren am 9. April 1849 in Radevormwald, gestorben am 7. August 1933 in Brake (Höxter), war ein Verwaltungsbeamter, Amtmann (Amt Wanne) und Bürgermeister von Salzuflen.

RINGSDORFF, Albert (1848-1933).jpg
Todesanzeige aus der Westfälische Zeitung (Bielefeld) vom 10. August 1933

Albert Ringsdorf (auch Ringsdorff) wurde am 9. April 1848 als Sohn des Strumpfwebers Christian Andreas Ringsdorf und seiner Ehefrau Maria Anna Christine Helena Bechte in Radevormwald geboren.

Über seine Schulische und Militärische Laufbahn ist nicht bekannt, jedoch ging er nach dem Militär in die Verwaltung über. Besondere Vorgänge im Jahre 1872 wurden erst Jahrzehnte später bekannt.

1874 ist er als I. Verwaltungssekretär im Amt Wattenscheid angestellt, und ab dem 1. Oktober 1874 zum II. Standesbeamter bestellt.

Amtmann von Wanne

Als aus dem Alt Amt Herne heraus das neue Amt Wanne geschaffen wurde, fiel die Wahl des neuen Amtmanns auf Albert Ringsdorf. Auf Vorschlag des Landrates Florens von Bockum-Dolffs (1842-1939) wurde er von der ersten Amtsversammlung im Stolpschen Saal in Wanne am 21. Juli 1875 gewählt, von der Regierung in Arnsberg am 27. Juli bestätigt und am 31. Juli vereidigt, sowie am in sein Amt eingeführt.
Diese Einführung wurde als große Jubelfeier des neuen Amtes Wanne zelebriert und von allen Honoratioren, darunter der Herner Amtmann Paul Hesse, sowie der Amt-Vorsteher Wilhelm Sprick (der letzte Verschwand mit viel Geld und der Erste wurde danach geschasst).

Der alte Wanner Bahnhof um 1910.

Wanne, 4. Juli. Nachdem bereits am Samstag die Verpflichtung und Einführung des Herrn Amtmanns Ringsdorff seitens des kgl. Herrn Landraths stattgefunden hatte, wurde heute hier die von den Amtseingesessenen zu Ehren des neuen Hrn. Amtmanns veranstaltete Feier begangen. Die Güterhalle des Cöln=Mindener Bahnhofes war vom Fest=Comitee in Ermangelung eines andern geeigneten Lokals, auf das Schönste mit Maien, Fähnlein und Draperien verziert. Hierin hatten an langen Tafeln gegen 250—300 Festgästen sich eingefunden, um an dem Festmahl Theil zu nehmen. Die Reihe der Toaste wurde von Hrn. Assesso v. Sommerfeld, der den im Seebade weilenden Hrn. Landrath v. Bockum-Dolffs vertrat, mit dem auf Sr. Majestät den Kaiser eröffnet. Nach ihm feierte Herr Pfarrer Meißner von Crange das Ereigniß des Tages, die Eröffnung des Amtes Wanne und Einführung des neuen Hrn. Amtmann durch ein auf Hrn. Ringsdorff. Nun ergriff dieser das Wort, um sich für das durch seine Wahl bezeugte Vertrauen zu bedanken. In längerer Ausführung entwickelte der Gefeierte des Tages das Programm seiner beabsichtigten Amtsverwaltung, worin er ohne Ansehen von Rang und Stand, ohne Rücksicht auf Partei und Person, auf Reichthum oder Armuth Jedem gerecht zu werden und mit Rath und That beizustehen versprach. Herr Amtmann Hesse von Herne ließ die Gemeinde= und Schulvorstände des neuen Amtes leben. Herr Dr. Bruchhausen weihete dem abwesenden Hrn. Landrath und Hrn. Assessor v. Sommerfeld sein Glas, Hierauf verlaß Herr Amtmann Hesse ein vom Hrn. Scharpwinkel, dem Vorsteher von Eikel, verfaßtes Gedicht, worin das neue Amt und dessen Amtmann, freilich mit ziemlich poetischer Lizenz angesungen wurden. Nachdem sich der hierdurch entstandene allgemeine Jubel gelegt hatte, trank Herr Rendant Sprick von Herne auf das Comitee. Auf diesen Toast folgte der Trinkspruch des Hrn. Amtmann Hesse auf die anwesenden Wattenscheider, den Herr Vorsteher Dieckmann unter Hervorhebung der hervorragenden guten gesellschaftlichen und amtlichen Eigenschaften des neuen Hrn. Amtmanns mit einem Hoch auf die Eingesessenen des neuen Amtes erwiederte. Hierauf gedachte Herr Sprick der neuen Frau Amtmännin und der Familie des Gefeierten mit einem Hoch, worin alle Festgenossen begeistert einstimmten. Es würde zu weit führen, alle die übrigen Reden und Toaste einzeln aufzuführen. Bis zu weitvorgerückter Stunde blieben die Festgenossen in gehobener Feststimmung und schönster Eintracht und Gemüthlichkeit zusammen. Den Festtheilnehmern wird dieser 1. Tag des „Amtes Wanne" nie aus der Erinnerung schwinden!

So groß die Gazetten die Einführung beschrieben, umso kleinlauter wurde das plötzliche Ende nach nur knapp 2 Monaten erwähnt:
Gelsenkirchen, 1. Okt. Soeben erhalten wir die Mittheilung, daß Herr Amtmann Ringsdorf in Wanne seines Amtes von der Königlichen Regierung zu Arnsberg enthoben worden und verwaltet der Beigeordnete Herr Gutsbesitzer Middeldorf vorläufig die Amtsgeschäfte.
Warum, ist nicht zu recherchieren. Zuvor ist er in den Zeitungen nur zweimal erwähnt: 1. bei einem Todesfall (Bei Pluto überfahrener Mann) und 2. als Vorsitzender des Schulausschusses.
Vielleicht war die Stelle eines Amtmannes etwas zu groß für den damals erst 26.Jährigen. Die nächste Beschäftigung war dann wieder die eines Amtssekretärs. Er wechselte ins Amt Ückendorf, seit Herbst 1876 bis 1879 unter Hermann Schäfer.

Hier machte er sich auch als Redner einen Namen. So gab er schon am 9. April 1876 vor dem „Deutschen Reichs-Verein“ in Ückendorf (wo er 1880 zum Vorsitzenden gewählt wurde) einen später abgedruckten Vortrag zu Thema „Die Verfassung und Verwaltung der deutschen Städte und Aemter insbesondere in der Provinz Westfalen vom Mittelalter bis zur Jetztzeit“ zum Besten.
Als 1879 Schaefer nach Herne ging, stand er als Nachfolgekandidat zur Disposition. In der Zeitung hieß es:
In der „Bochumer Zeitung“ finden wir folgende Korrespondenz aus: „Ueckendorf, 15. Juli. Wie bekannt, ist unser früherer Herr Amtmann Schäfer zum Amtmann des großen Amtes Herne ernannt worden. Es ist eine offenkundige Notorietät, daß die Verhältnisse des Amtes Herne trotz des Eifers und der Geschäftsgewandtheit des früheren Herrn Amtmanns v. Bock, noch sehr derangiert sind. Der Sprick'sche Krach mit seinen üblen Folgen ist noch lange nicht vernarbt und hat auch die sonst gut situierten Spar- und Kommunalkassen der dortigen Gemeinden, welche sämtlich von Sprick verwaltet wurden, in sehr empfindlicher Weise geschädigt. Die von Verwaltungswegen gegen dortige Persönlichkeiten angestrengten Klagen sind von den höheren Behörden durch alle Instanzen nicht anerkannt. Ob nun die Ersatzpflicht auf gerichtlichem Wege angefaßt werden wird, ist Schreiber dieses nicht bekannt. Herne macht mit seinem neuen Amtmann eine so ausgezeichnete Acquisition, daß es darum wirklich zu beneiden ist. Ueber den Nachfolger des Herrn Amtmann Schäfer verlautet noch gar nichts. Einem on dit zufolge soll wieder ein Offizier, welcher auf einem benachbarten Amtsbüreau im Verwaltungsdienst sich ausbildet, in Aussicht genommen sein. Von anderer Seite wird auch Herr Ringsdorff, welchem seit Errichtung des Amtes Ueckendorf die Stelle als Amtssekretär übertragen war, als zukünftiger Amtmann genannt. Ohne Frage ist Herr R. der Vertrauensmann der großen Mehrheit der Amtseingesessenen, deren Liebe und Anerkennung er sich sowohl durch seinen freundlichen Charakter, wie auch durch seine Thätigkeit, Pflichterfüllung und Umsichtigkeit in der Führung seiner Obliegenheiten erworben hat.
Daraus wurde dann nicht, aber seine Zeit schien gekommen:

Bürgermeister von Salzuflen

Am 14. Juli 1880 wurde Albert Ringsdorf von der Wahl-Kommission der Stadt Salzuflen einstimmig zum Bürgermeister gewählt. Die landesherrliche Bestätigung erfolgte sofort. Ringsdorf hatte sich wohl selbst beworben.
Herr Albert Ringsdorff, der bereits vor Errichtung des Amtes Ueckendorf, seit Herbst 1875 hierselbst als Amts=Sekretär fungirte und sich ebensosehr das Vertrauen der vorgesetzten Behörden, wie die Liebe und Hochachtung der Amtseingesessenen in hohem Maße erworben hat, ist jüngst von der Stadtverordneten=Versammlung in Salzufflen einstimmig zum Bürgermeister erwählt worden. Derselbe wird bereits in einigen Wochen sein neues Amt antreten. Unsre besten Segenswünsche geleiten ihn in seinen neuen Wirkungskreis!“ Es gab nun in Ückendorf, wie auch in Wattenscheid, einige Abschiedsfeiern für den neuen Herrn Bürgermeister. Zahlreiche Vereine, deren Mitglied er war, brachten Ständchen und Fackelzüge.
Am 6. September 1880 traf er in Salzuflen ein, was der Lippischen Landeszeitung zu einer Meldung veranlasste. Zeitgleich übernahm er sein Amt.
Der Start glückte und er machte sich in Krisenbewältigung und Sparsamkeit viele Freunde.
Auch seine zweite Amtsperiode stand Anfangs unter einem guten Stern: Am 11. Dezember 1885 wurde „Herr Bürgermeister Ringsdorff […] vom gesamten Kollegium einstimmig mit Pensionsberechtigung wieder gewählt.“
Zum 400. Stadtjubiläum Salzuflens am 28. Mai 1888 wurde ihm der Lippische Hausorden IV. Klasse verliehen.
Doch das abschließende Fazit seiner Amtszeit fällt tatsächlich negativ aus.
Wie immer, ging es um das liebe Geld.
Am 12. Oktober 1889 besuchte der Lippische Kabinettsminister Friedrich Otto Hermann von Wolffgramm Salzuflen und besichtigte mit Ringsdorf das Rathaus und eine Stärkefabrik.

Kurze Zeit später wurde Bekannt, dass es zu gewaltigen Veruntreuungen gekommen war. Einer Festnahme entzog sich Albert Ringsdorf mit Flucht. Am 22. November 1889 reiste er in Richtung Westen ab, wurde aber am Bahnhof Oberhausen vom nachgereisten Polizei-Gendarmen Wilhelm Hasse festgenommen.

Noch am 26. November 1889 wurde noch spekuliert: „Wie der hier sehr geachtete Mann auf dem Weg des Verbrechens geraten ist, kann man sich hier kaum erklären; man steht vor einem Rätzel. Er galt als tüchtiger Beamter, war in jeder weise solide und in allen Schichten der Bevölkerung beliebt. Seine ehe war eine glückliche, sechs Töchter und vier Söhne entsprossen derselben. Man vermutet, daß frühere schulden vorhanden waren, die aus der Zeit stammen, in der der Unglückliche noch nicht Bürgermeister unserer Stadt war.
Aufgeflogen waren die Unterschlagungen wie beim ersten Sparkassenrendant Hernes Wilhelm Sprick, durch eine Revision:
Die Veruntreuungen des Bürgermeisters Ringsdorff wurde zuerst entdeckt, als sich herausstellte, daß in der Jahresrechnunng 1887 der Reinertrag der Sparkasse um ca. 9600 M. geringer eingestellt war, als er in Wirklichkeit betrug. Einige bei der Sparkasse vorhandene Schuldscheine sind gefälscht, Belege aus den Rechnungen herausgerissen und durch gefälschte ersetzt. Zur Deckung der unterschlagenen Einquartierungs= und Brandentschädigungsgelder nimmt die Stadt jetzt bei der Sparkasse eine Anleihe von 14000 M. auf. Wo der Defraudant die veruntreuten Gelder gelassen hat, ist noch unklar. Wie es heißt, hat bereits im Jahr 1872 gegen R. eine Untersuchung wegen Unterschlagung geschwebt. Er wurde damals, infolge der mangelnden Beweise freigesprochen. Bei seiner Verhaftung in Oberhausen hatte der Defraudant ca. 500 M. im Besitz. Sein Fluchtversuch scheint kein ernsthafter gewesen zu sein.

Wie gut er und seine Familie angesehen war, zeigte aber die Hilfsbereitschaft seinen Lieben gegenüber:
Salzuflen, 29. Nov.(Die Familie) des verhafteten Bürgermeisters Ringsdorff befindet sich in einer recht traurigen Lage, denn die unglückliche Mutter und ihre 10 Kinder- das 11. steht zu erwarten- sehen einer trostlosen Zukunft entgegen, weil sie mittellos sind. Die"L. Lztg." fordert auf. Hülfe zu leisten und diese unglückliche Familie mit Geld zu unterstützen. Hr. Pastor Hobbing hat sich bereit erklärt, sämtliche Gelder für wohlthätige Zwecke in Empfang zu nehmen. Die Bürger unserer Stadt werden ihr Möglichstes thun, um die plötzlich so elend gewordene Familie vor Noth zu schützen.
Wilde Gerüchte kursierten: So schrieb am 7. Dezember die Lippische Post: „Detmold, 5. Dezember. Wie hier erzählt wird, soll der Geist des im hiesigen Untersuchungs=Gefängnis internierten früheren Bürgermeisters Ringsdorff=Salzuflen umnachtet und deshalb eine doppelte Bewachung des Gefangenen angeordnet sein. Wenn sich dem also verhält, so wird nur eine Ueberführung in die Heilanstalt übrig bleiben.

Verhandlung

„Die Verhandlung gegen den ehemaligen Bürgermeister Ringsdorf wird in der ersten Woche nach Ostern vor der Strafkammer zu Detmold stattfinden.“
Detmold, den 10. April.(Strafkammer.) Auf der Anklagebank befindet sich der wegen allerlei Vergehen im November v. J. angeklagte, verhaftete und seines Amtes entsetzte Bürgermeister Ringsdorf=Salzuflen. Der Gerichtshof besteht aus den Herren Landgerichtspräsidenten Wasserfall als Vorsitzenden, den Landgerichtsräten Rosen, Ernst, Busse und dem Assessor Valentin. Die Staatsanwaltschaft vertritt der Erste Staatsanwalt, Geh Justizrat Hunnäus und als Protokollführer fungiert der Landgerichts=Sekretär Hendeß, ein Verteidiger ist nicht bestellt. Wie vorauszusehen war, hatte sich ein zahlreiches Publikum, unter diesem viele Salzufler, eingefunden, weshalb sich der Zuhörerraum fast zu klein erwies. Der Vorsitzende erröffnet die Sitzung um 10 Uhr 30 Min. und vermahnt zunächst die 16 erschienenen Zeugen, die Wahrheit zu sagen. In dem hierauf verlesenen Eröffnungsbescheide der Strafkammer werden 22 Fälle namentlich aufgeführt, in denen der Angeklagte sich der gesetzwidrigen Unterschlagung ihm amtlich und privatim anvertrauter Gelder schuldig gemacht haben soll. Die Personalien des Angeklagten betreffend, so ist derselbe am 9. April 1848 geboren, also gestern 42 Jahr alt gewesen. Nachdem er seiner militärischen Pflicht Genüge geleistet, hat er verschiedene subalterne Stellungen eingenommen, in welch' einer er sich der Unterschlagung schuldig gemacht hat, welche er mit 1 Monat Haft büßen mußte. Ein wegen angeblich von Beihülfe zum Betruge gegen ihn eingeleitetes gerichtliches Verfahren wurde eingestellt. Er ist dann später zum Bürgermeister in Salzuflen erwählt, auch die Wahl nach Ablauf von 6 Jahren erneuert worden. Sein jährliches Diensteinkommen hat anfänglich 2400, später 3600 Mark betragen. Vom Vorsitzenden nach dem Grunde der Zerrüttung seiner Vermögensverhältnisse befragt, gibt er seine zahlreiche Familie (11 Kinder) die Unterstützung seiner alten Mutter und eines Bruders an, gesteht aber auch, eine ziemliche Schuldenlast mit nach Salzuflen gebracht zu haben. Aus dem nun folgenden Zeugenverhör, was wir nicht im einzelnen bringen können, da wir sonst zu weitläufig werden und manche Aussagen wiederholen müßten, schien uns hervorzugehen, daß der Angeklagte vielleicht zu großen Spielraum im Erheben von städtischen Geldern ohne das Vorhandensein einer strengen Kontrolle gehabt habe. Sehr groß muß das Vertrauen und der Kredit gewesen sein, dessen sich der Angeklagte erfreute, da derselbe ein eigenes Haus nicht nur kaufen, sondern auch komfortabel einrichten konnte, ohne dazu Vermögen zu besitzen. Im übrigen wird dem Angeklagten von den Zeugen nachgesagt, daß er in und außer dem Hause ein einfaches Leben geführt habe, über den Verbleib so großer Summen können sie aber auch keine sichere Auskunft geben. Mit einer halbstündigen Unterbrechung währte die Verhandlung bis 5 Uhr, alsdann wurde die Sitzung bis morgen früh 9 Uhr vertagt.
Detmold, 11. April. Das heute gegen Ringsdorff verkündete Urteil lautet auf 8 Jahre Gefängnis.
Detmold, 12. April.(Ringsdorff.) Wie wir bereits meldeten, ist der frühere Bürgermeister Ringsdorff in Salzuflen wegen Unterschlagung fremder Gelder in vielen Fällen zu einer Gesamtstrafe von 8 Jahr Gefängnis verurteilt worden. Außerdem wurde auf 5 Jahre Ehrverlust erkannt. Der Staatsanwalt beantragte eine Strafe von 10 Jahr Gefängnis und 2 Jahr Ehrverlust. Nach dem Urteil des Gerichtshofes ist der Angeklagte auch dringend verdächtig, eine öffentliche Urkunde wissentlich gefälscht zu haben und wird hierüber das Schwurgericht zu urteilen haben.— In fast zweistündiger Rede, welche an Klarheit und Objektivität nichts zu wünschen übrigließ, entrollte der Herr Erste Staatsanwalt Geh. Justiz=Rat Hunnäus ein Bild von dem Charakter des Angeklagten der grausigsten Art. Er sagte u. a., dieser habe sich nicht gescheut, dem alten durchaus ehrlichen Kuntze vorzuwerfen, derselbe habe die betreffende unterschlagene Summe Geldes für sich behalten. Auch charakterisiere ein an Brandes geschriebener Brief die Gesinnung des Angeklagten. Jede Kontrolle habe er dadurch abgeschnitten, daß er den Beamten, dem Stadtverordneten=Vorsteher, dem Rendanten Einsicht in die Bücher mit den Worten verweigert habe, „das geht Euch nichts an, das sind meine Sachen, bekümmert Euch doch nicht um anderer Leute Angelegenheiten!“ Erschwerend trete für den Angeklagten ins Gewicht, daß er schon einmal bestraft und einmal wegen Urkundenfälschung in Untersuchung gewesen sei. Die Akten dieses Falles habe er (der Staatsanwalt) gelesen und daraus die Überzeugung gewonnen, daß der Verdacht ein dringender gewesen sei. Und ferner: der Angeklagte habe die Veruntreuungen schon seit vielen Jahren gewerbsmäßig betrieben und das Vertrauen, welches man in ihn gesetzt, schwer mißbraucht. Auch käme die außerordentliche Höhe der unterschlagenen Summen, sein beharrliches Leugnen erwiesener Thatsachen und der Mangel an Reue in betracht. Durch sein ganzes Verhalten habe er nicht nur die Sympathie der Richter, sondern auch des Publikums verscherzt. Als einzig strafmildernd könne der Umstand angesehen werden, daß der Angeklagte eine zahlreiche Familie zu ernähren gehabt habe. Das sei aber so schlimm nicht. Mit einem Gehalt von 3600 Mark habe er auskommen müssen, andere Leute müßten sich auch nach der Decke strecken.— Der Angeklagte hörte den Strafantrag ruhig und bittet dann mit bewegten Worten, ihn nicht ganz unglücklich zu machen, er sei ja durch die größte Not in seine jetzige Lage gekommen, da seine Frau gar kein Vermögen gehabt habe und er seine Mutter und seinen Bruder hätte unterstützen müssen. Man möge doch seine Familie bedenken, welche ihres Ernährers beraubt werde. Vor allem aber möge man ihm die bürgerlichen Ehrenrechte nicht aberkennen, da er sonst später selbst in der untergeordnetsten Stelle keine Arbeit finden werde. Dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft gegenüber, daß er keine Reue gezeigt habe, bemerke er, daß ihm seine Vergehen unendlich leid thäten, er habe seitdem keine ruhige Stunde mehr gehabt, sich auch redlich(!!) bemüht, die unterschlagenen Summen zurückzubezahlen u. s. w.
Detmold, 11. April. Prozeß Ringsdorff. Gestern Morgen begann die Verhandlung gegen den früheren Bürgermeister der Stadt Salzuflen Ringsdorff vor der hiesigen Strafkammer. Der Angeklagte wurde wegen Unterschlagung fremder Gelder in 22 Fällen, die ihm in seiner Eigenschaft als Bürgermeister anvertraut waren und eine Gesamtsumme von 38429 M. ausmachen, zu 8 Jahren Gefängnis und 5 Jahren Ehrverlust verurteilt. Der Staatsanwalt hatte 10 Jahre Gefängnis beantragt. Als Zeugen waren 20 Beamte und Bürger aus Salzuflen erschienen.“ Detmold: 11. Juni. Seit gestern befindet sich der frühere Bürgermeister Ringsdorf=Salzuflen in der hiesigen Strafanstalt.
„Detmold, 11. Juni. Der ehemalige Bürgermeister Ringsdorff= Salzuflen wurde gestern von dem Oberwachtmeister Kampmeier aus der Untersuchungshaft in die Strafanstalt übergeführt. Darnach scheint also die eingelegte Revision verworfen zu sein. Wie die "L L." hört, ist Ringsdorff in letzter Zeit wegen seiner erst neuerdings bekannt gewordenen Unterschlagung von 6900 Mark von dem Untersuchungsrichter vernommen worden.“
„Detmold, 5. November.(Schwurgericht.) 4. Sitzung. Das Richterkollegium besteht aus dem Präsidenten des Schwurgerichts, dem Landgerichtsrat Busse und dem Assessor Valentin. Die Staatsanwaltschaft vertritt der Erste Staatsanwalt Hunnäus und das Protokoll führt Gerichts=Sekretär Hendeß. Die Verteidigung des Angeklagten hat Rechtsanwalt Runnenberg übernommen. Auf der Anklagebank sitzt der frühere Bürgermeister Ringsdorff=Salzuflen, der Urkundenfälschung bezw. Unterschlagung amtlich ihm anvertrauter Gelder beschuldigt. Bekanntlich ist derselbe von der Strafkammer des hiesigen Landgerichts wegen Unterschlagung in vielen Fällen schon Anfang dieses Jahres zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden und befindet sich seitdem in der hiesigen Strafanstalt, in welcher er mit Strohflechterei beschäftigt wird. Selbstredend erschien er in der grauen Sträflingskleidung, glatt rasiertem Gesicht und kurz geschnittenem Haupthaar, gebrochen an Körper und Geist, im Vergleich gegen früher ein wahres Jammerbild.— Zu Spruchgeschworenen werden ausgelost: 1. Pächter Heinrich Uffelmeier=Unterwüsten, [...]. Laut Eröffnungsbeschluß wird der Angeklagte beschuldigt: 1. die Summe von 2400 Mark und 2. die Summe von 6900 Mark unterschlagen und hierauf bezügliche Aktenstücke (Quittungen u. dgl.) gefälscht zu haben. Erstere Summe war ihm von Fürstlicher Regierung zur Auszahlung an den Fabrikarbeiter Aechterdieck für ein von diesem angekauftes Haus überwiesen. Die zweite Summe hatte die Stadt Salzuflen von der Sparkasse angeliehen, um damit ein von der Leihekasse geliehenes Kapital in gleichem Betrage zu tilgen. Letzeres hatte derselbe aber unterlassen und zum Zwecke der Täuschung Anderer die jährlichen Zinsen prompt bezahlt. Von dem Vorsitzenden gefragt, ob er die ihm zur Last gelegten Verbrechen eingestehe, antwortete er, nur zum Teil seien dieselben wahr. In der nun folgenden Beweisaufnahme wurden folgende Zeugen vernommen: 1. Fabrikarbeiter Aechterdieck Salzuflen, 2. Sparkassen=Rendant Hunecke daselbst, 3. Leihekassen Rendaut Pagel=Detmold, 4. Bürgermeister Vogeler in Salzuflen, 5. Magistratsschreiber Koppsicker daselbst, 6. Stadtrentmeister Barkhausen daselbst, 7. Landrichter Bröffel daselbst. Aus allen Zeugnissen leuchtete die Schuld des Angeklagten mehr oder weniger hervor, und hierauf bezog sich auch der Erste Staatsanwalt Hunnäus in seiner klaren und ausführlichen Rede, während der Verteidiger, Rechtsanwalt Runnenberg, versuchte, wenigstens etwas rein zu waschen. Daß ihm dies aber nicht gelungen, ergab der Wahrspruch der Geschworenen. Derselbe lautete auf Bejahung der vier ersten Schuldfragen und Verneinung der Frage nach mildernden Umständen. Der Gerichtshof verurteilte hierauf den Angeklagten zu einer Zuchthausstrafe von 8 Jahren und in eine Geldstrafe von 400 Mk. Die achtjährige Gefängnisstrafe ist damit aufgehoben. Die ganze Verhandlung währte von 9 bis 14 Uhr und von 2 1/2 bis 7 3/4 Uhr.

„Salzuflen. Der Fall Ringsdorff bildet erklärlicherweise hier seit der zu Zuchthaus erfolgten Verurteilung des verflossenen Stadtoberhauptes immer noch das Tagesgespräch, und man erwartet von der Stadt, die sich in anerkennenswerter, wahrhaft barmherziger Weise der Frau und Kinder des gefallenen Mannes schon gleich nach seiner gefänglichen Einziehung annahm, daß sie nun auch diejenigen schadlos halten wird, welche Ringsdorff in seiner früheren amtlichen Eigenschaft um ihr Hab und Gut gebracht hat. In beiden städtischen Kollegien soll darüber nur eine Stimme des Wohlwollens herrschen.-

1922 wird Albert in der Todesurkunde seiner Frau (Karoline Ohlinger, * 1854 Solingen-Wald, † 16.04.1922 Bielefeld) als „Buchhalter“ bezeichnet. Sie wohnten damals auf der Großen Kurfürstenstraße 20 in Bielefeld.
Insgesamt gebahr sie ihm 12 Kinder. Albert starb hochbetagt im Jahre 1933 und wurde in Salzuflen beigesetzt.

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Quellen