Akademie war die Initialzündung für Sodingen (WAZ 06.09.2014)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Als Planungsdezernent der Stadt Herne spielte Jan Terhoeven eine wesentliche Rolle beim Bau der Akademie Mont-Cenis in Herne. Im WAZ-Interview blickt er zurück auf die Entstehungsgeschichte.

Stadtteilreport WAZ 2014

Akademie war die Initialzündung für Sodingen


Herne. Als städtischer Planungsdezernent war Jan Terhoeven maßgeblich am Bau der Akademie Mont-Cenis beteiligt. Im Interview mit der WAZ blickt der pensionierte Herner Stadtrat zurück auf den langen und steinigen Weg bis zur Realisierung dieses Großprojekts.

Im Jahr 1999 eröffnete das Land in Sodingen die Akademie Mont-Cenis.

15 Jahre später sprach die WAZ mit dem ehemaligen städtischen Baudezernenten Jan Terhoeven, der eine wesentliche Rolle bei diesem Großprojekt gespielt hat.

Wenn Sie heute, 15 Jahre nach der Eröffnung, vor der Akademie Mont-Cenis stehen – sagen Sie sich dann: „alles richtig gemacht“?

Jan Terhoeven: Ja, aus der damaligen Situation heraus haben wir alles richtig gemacht. Meine Hauptaufgabe war es, die Kosten zu überwachen und gleichzeitig die experimentelle Architektur zu 100 Prozent durchzusetzen. Das ist gelungen. Bei der Technik mussten wir allerdings nachrüsten. Es hat sich gezeigt, dass wir noch sorgfältiger hätten planen müssen. Vieles war nicht zu Ende gedacht.

Ist Jan Terhoeven der Vater der Akademie?


Die Landesfortbildungsakademie Mont-Cenis wurde 1999 in Sodingen eröffnet.Foto: Olaf Ziegler

Nein, der Vater der Akademie Mont-Cenis ist Professor Karl Ganser von der Internationalen Bauausstellung Emscher Park. Ich habe mit großer Leidenschaft an dem Projekt gearbeitet. Das war hochspannend, man konnte viele Dinge bewegen und umsetzen. Zu erkennen, wie die Entscheidungsstrukturen sind, wie man sie steuern und mit verschiedenen Ebenen spielen kann – das war faszinierend. Ich habe mich zwischenzeitlich wie ein Dompteur gefühlt. Und wir hatten in diesem Projekt fantastische Partner.

Was bedeutet der Bau der Akademie und anschließend die Errichtung des Stadtteilzentrums für Sodingen?

Sodingen ist dadurch der stärkste Stadtteil in Herne geworden und hat zum ersten Mal so etwas wie ein kommunales Zentrum bekommen. Man kann das auch an der Zufriedenheitsskala ablesen: Dieser Stadtteil lebt! Meine Frau und ich fahren ebenfalls von Eickel zum Einkaufen nach Sodingen, weil es dort auf engstem Raum alles gibt.

Eine Vision: Wie hätte sich Sodingen ohne die Akademie entwickelt?

Das wäre ganz fürchterlich gewesen. Man kann ja auf alten Fotos die Tristesse sehen. Ohne die Initialzündung Akademie wäre das Elend geblieben. Heute hat Sodingen ein fußläufig erreichbares Zentrum – es funktioniert.

Jenseits der Auswirkungen auf den Stadtteil kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Fortbildungsakademie von der Bevölkerung heute kaum genutzt wird.

Dieser Eindruck ist nicht falsch. So war es ursprünglich vom Innenministerium auch gewünscht; man hätte am liebsten einen Zaun um die Fortbildungsakademie gezogen. Das konnte damals verhindert werden. Doch die Entwicklung des ursprünglichen Bürgerzentrums in der Akademie ist fatal.

Konkret?

Wir hatten zu Beginn in der Akademie ein Bürgerbüro, die Stadtteilbibliothek, Rentenberatung, das Sozialamt, die Stadtwerke … – es war immer Betrieb. Das ist alles weg, weil die Stadt ihre Dienste zurückziehen musste. Immerhin wird der Bürgersaal noch öffentlich genutzt. Er ist aus Städtebaumitteln finanziert worden und muss 20 Jahre zur Verfügung gestellt werden, also bis 2019.

Eine These: Die Akademie ist ein Fremdkörper im Stadtteil.

Ja, aber ein ganz wichtiger Fremdkörper. Die Akademie mit ihrer schrillen Architektur und die Anlagen drumherum machen Sodingen zu einem besonderen Stadtteil. Noch immer kommen jedes Jahr Fernsehteams, es gibt ständig Bewegung. Ich bin mir sicher, dass die Sodinger unheimlich stolz auf diese Einrichtung sind. Und man muss auch bedenken, dass Gäste der Akademie Einrichtungen beziehungsweise Angebote der Herner Sportler nutzen. Auch der Gysenberg profitiert nicht schlecht von den Akademie-Gästen. Aber es bleibt natürlich eine Landeseinrichtung mit etwa 20.000 Übernachtungen im Jahr, die auf ihre eigene Arbeit konzentriert ist. Die Akademie ist nicht Teil des Sodinger Herzens. Deshalb ist es auch so wichtig, dass der „richtige“ Alltag im Einkaufszentrum stattfindet. Dass die Stadttochter HGW damals entschieden hat: Wir machen das – das war genial.

War die Akademie das wichtigste Projekt ihres beruflichen Lebens?

Das kann man so sehen. Es gibt aber auch andere Projekte in Herne, die ich mit Herzblut entwickelt habe. Zum Beispiel: der Umbau des Buschmannshofs in Wanne. Das ist ein toller Platz geworden. Oder das Flottmann-Gelände. Und aus Ihrer Sicht vielleicht banal: der Kugelbrunnen auf der Bahnhofstraße. Ich bin eben noch dort gewesen. Der macht mir genauso viel Spaß wie die Akademie.

Stuttgart 21, Berliner Flughafen, Elbphilharmonie . . . – „das Projekt Akademie Mont-Cenis ist mal genauso gestartet“, sagt Jan Terhoeven. Die Entstehungsgeschichte sei voller Verzögerungen, Komplikationen und neuer Entwicklungen gewesen. Der Unterschied: Herne und das Land haben ihr Großprojekt bereits zum Abschluss gebracht und sind nach Angaben des früheren Planungsdezernenten im Kostenrahmen von 77,5 Millionen Euro geblieben. „Nach der Abrechnung 2013 blieben sogar noch 30 000 Euro für die Stadtkasse übrig.“ Nicht zu verachtender Nebeneffekt: Im Umfeld der Akademie hätten Private weitere 70 Millionen Euro investiert, so Terhoeven.

Bis zur Umsetzung des 1989 gefassten Landesbeschlusses zur Ansiedlung der Fortbildungsakademie in Herne – „das hatte Innenminister Schnoor Willi Pohlmann versprochen“, so Terhoeven – mussten die Beteiligten einen langen, steinigen Weg zurücklegen.

„Wir haben in Herne ein Grundstück gesucht und sind durch alle Grünanlagen ,gegeistert’“, erzählt Terhoeven. Bei jeder Fläche habe die umliegende Nachbarschaft protestiert. Zum 60. Geburtstag von Willi Pohlmann sei dann ein Staatssekretär des Landes zu Gast gewesen. Mit diesem sei er nach Sodingen gefahren und habe ihm das Areal gezeigt. Mit Erfolg: „Das ist ja toll“, sagte der Gast. Das Land gab grünes Licht. „Das war das erste Mal, dass das Land eine Einrichtung auf einer Industriebrache angesiedelt hat“, so Terhoeven. Unumstritten sei die Entscheidung in Düsseldorf nicht gewesen: „Die mittlere Ebene des Innenministeriums wollte immer ins Münsterland“, berichtet Terhoeven.

Dass die Wahl auf Herne fiel, hatte aus Sicht des Ex-Dezernenten einen positiven Nebeneffekt : Auf dem ehemaligen Zechengelände habe die Eigentümerin - die Montan Grundstücks-Gesellschaft - ein großes Einkaufszentrum à la Centro ansiedeln wollen: „Das Theater in der Nachbarschaft war riesengroß“, erinnert sich Terhoeven. Das wurde durch die Entscheidung für eine Fortbildungsakademie verhindert: „Damit war Ruhe, alle waren zufrieden.“

Mit dem Ja des Landes zum ehemaligen Zechenareal in Sodingen war der Bau aber längst nicht in trockenen Tüchern. Ein großes Problem: Das Land wollte nicht selbst bauen, sondern nur mieten. 1990, 1991, 1992, 1993 . . . – die Jahre gingen ins Land, ohne dass es zum Durchbruch kam.

Die entscheidende Initiative sei dann 1994 von Professor Karl Ganser, dem Chef der Internationalen Bauausstellung Emscher Park (IBA), ausgegangen, so der frühere Dezernent. Die von Terhoeven „nebenbei“ geführte Entwicklungsgesellschaft Mont-Cenis wurde gegründet. „Das Projekt wuchs immer mehr.“

Durch Erweiterungen konnten (und mussten) neue Fördertöpfe geöffnet werden: Die Planungen für eine Fortbildungsakademie mit 176 Betten wurde auf Vorschlags Gansers ergänzt durch eine Photovoltaikanlage auf dem Dach („die weltweit größte in ein Gebäude integrierte Anlage“) und eine Art Stadtteilrathaus mit Dienstleistungen für die Herner Bevölkerung.

Nur so sei die finanzielle Kalkulation aufgegangen, sagt Jan Terhoeven. Mit 26,6 Millionen Euro stammt der größte Anteil aus der Städtebauförderung. 22,4 Millionen Euro steuerte das Innenministerium bei, zwei Millionen Euro die Stadt Herne. Die von Terhoeven geführte Entwicklungsgesellschaft legte 14,1 Millionen Euro hin - Erlöse aus dem Verkauf von weiteren Grundstücken auf dem ehemaligen Zechenareal.

1997 war Baustart, 1999 Eröffnung - „noch mit nassem Beton darunter“, erinnert sich der ehemalige Dezernent. Und auch an skurrile Randgeschichten denkt Terhoeven gerne zurück. Zum Beispiel: Auf den Sachverstand eines Holzbauprofessors aus der Schweiz habe man zurückgreifen wollen. 5000 DM habe dieser als Tageshonorar in bar haben wollen: ein Drittel in D-Mark, ein Drittel in Schweizer Franken und ein Drittel in Gold - warum auch immer ...

Kurz nach der Inbetriebnahme der Fortbildungsakademie fiel in Sodingen der Startschuss für ein neues Projekt, das Terhoeven als „fast noch wichtiger“ bezeichnet: der Neubau eines Laden- und Stadtteilzentrums in direkter Nachbarschaft zur Akademie. Die Insolvenz des damaligen Eigentümers des Edeka-Gebäudes und das Engagement der Stadttochter HGW hätten den Weg geebnet. Terhoeven: „Es war wichtig, dass wir nicht nur diese Walhalla da oben hingestellt haben, sondern auch das Stadtteilzentrum.“

Dass dieses Vorhaben überhaupt realisiert werden konnte, sei aber auch der Unterstützung aus der Herner Politik zu verdanken, so Terhoeven. Die Kalkulation für die ursprünglichen Pläne fürs Stadtteilzentrum mit zwei Geschossen sei nicht aufgegangen. Deshalb habe die Stadt entschieden: „Wir bauen höher.“ Der Rat habe das abgenickt, aber sonst habe das damals keiner richtig mitbekommen. Die Bevölkerung habe vor der Baustelle gestanden und sich gefragt: „Was wird das?“ Der Unmut sei immer größer geworden. Zur Beruhigung habe er „viele bunte Pläne“ gezeigt. Gut gegangen sei diese Strategie aber wohl nur, weil die Politik „gute Stimmung“ gemacht habe.

Nicht nur bei diesem Projekt habe er derartige Unterstützung aus der Politik erfahren: „Man musste zwar kämpfen, aber wenn einmal eine Entscheidung gefallen war, dann hatte man in Herne Rückendeckung.“ Und auch zu Oberbürgermeister Horst Schiereck habe er ein gutes Verhältnis gehabt: „Er wusste genau, wie man einen Apparat wie die Verwaltung führt“, lobt der Sozialdemokrat seinen früheren Chef. Deshalb sei er 2007 - nachdem er fünf Jahre in der Akademie sein Büro hatte - auch gerne ins Herner Rathaus zurückgekehrt. „Auf eigenen Wunsch“, wie er - entgegen anderslautender Gerüchte - betont.

Zur Person: In Eickel fühlt er sich „sauwohl“

Als Planungsdezernent der Stadt Herne spielte Jan Terhoeven eine wesentliche Rolle beim Bau der Akademie Mont-Cenis in Herne. Im WAZ-Interview blickt er zurück auf die Entstehungsgeschichte.Foto: Rainer Raffalski

2011 endete eine Ära: Nach 24-jähriger Amtszeit als Bau- und Planungsdezernent trat Jan Terhoeven in den Ruhestand – und das, obwohl Herne eigentlich nur eine Durchgangsstation sein sollte. Zuvor war er neun Jahre bei der Bezirksregierung Arnsberg tätig.

Auch nach der Pensionierung wohnt Terhoeven mit seiner Gattin in Eickel: „Ich fühle mich hier sauwohl.“ Die Terhoevens haben zwei Kinder und zwei Enkelkinder.

Der 66-Jährige ist aktiv im Ruderverein Emscher-Wanne. Zurzeit bereitet er eine Unternehmerregatta vor: „Eine Wahnsinnsarbeit“, sagt Jan Terhoeven.

Redaktion [1]

Zur Person: In Eickel fühlt er sich „sauwohl“ [2]

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Siehe auch

Quellen