1897 April 24 Feierliche Einführung des Bürgermeister Schaefer und des Magistrats

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel

Vivat, floreat crescat![1]

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Herne wurde am 1. April 1897 durch die Auflösung des alten Amtes Herne selbständige Stadtgemeinde im Kreis Bochum. Der Hoheitliche "Gnadenakt" erfolgte durch Kaiser Wilhelm II. am 20. September 1896 im "Neuen Palais" zu Potsdam. Am 10. Oktober 1896[2] wurde dies der Amtsgemeinde Herne zugestellt und nun begannen die Vorbereitungen zur verwaltungstechnischen Umsetzung. Im Januar 1897 erfolgten Wahlen der 3 Klassen[3] und am 20. Februar 1897 konstituierte sich die erste Stadtverordnetenversammlung und wählte den bisherigen Amtmann Hermann Schaefer zum ersten Bürgermeister der Stadt Herne und dazu den neuen Magistrat.
Doch erst nach der offiziellen Bestätigung durch die Regierungsbehörden und nach dem Verwaltungsübergang zum 1. April konnte die festliche Einführung erfolgen.

Diese fand am Samstag, den 24. April 1897 im Rathaus und anschließend im Hotel Schlenkhoff statt. Im General-Anzeiger für Dortmund und die Provinz Westfalen wurde folgender - immer im Kontext seiner Zeit zu lesender - Artikel über die Festakte veröffentlicht:[4]

Einführung des Herrn Amtmanns Schaefer als erster Bürgermeister der Stadt Herne

Herne, 24. April.

Einen Markstein in der Geschichte unseres aufblühenden Gemeindewesens bildete für Herne der heutige Tag. Er bildete gleichsam den Abschluss eines langgehegten Wunsches: die Erhebung der bisherigen Gemeinde Herne in die Reihe der westfälischen Städte. Ganz Herne prangte im Flaggenschmuck, der feierlichen Einführung unseres ersten Bürgermeisters und des Magistrats auch äußerlich ein festliches Gepräge gebend.

Zu der Feier war eine außerordentliche Sitzung des Stadtverordnetenkollegiums in der Schule an der Mont-Cenis-Straße einberufen. Das Sitzungszimmer war in einen Festsaal umgewandelt und durch frische Blattpflanzen und Girlanden auf das prächtigste dekoriert. Im Hintergrunde erblickte man ein Arrangement mit den Büsten der drei ersten deutschen Kaiser.

Gegen 1½ Uhr traf Herr Regierungspräsident Winzer[5] in Begleitung des Herrn Landrats Spude[6], von Bochum kommend, hier ein und wurde von Herrn Bürgermeister Schaefer in den Schulsaal geleitet, woselbst die Stadtverordneten vollzählig versammelt waren.

Herr Stadtverordnetenvorsteher Lauten eröffnete die Sitzung und wies auf das bedeutsame Ereignis hin, welches sich in diesem Raume abspielen werde. Der heutige Tag sei ein Merkmal in dem Aufschwunge unseres Ortes. Se. Majestät habe geruht, der alten Landgemeinde Herne das Städterecht zu verleihen und den Herrn Regierungspräsidenten zu beauftragen, unseren Herrn Bürgermeister in sein Amt einzuführen. Ich begrüße Herrn Regierungspräsidenten Winzer im Namen des Stadtverordnetenkollegiums und der Bürgerschaft und wünsche, dass es ihm in unserem Kreise Wohlgefallen und er von Herne ein freundliches Andenken mitnehmen möge. Ebenso begrüße ich den Herrn Landrat, dessen Erscheinen uns mit Freude erfüllt und heiße ihn herzlichst willkommen.

Herr Regierungspräsident Winzer: Der heutige Tag ist, wie schon von dem Herrn Vorredner erwähnt, ein hochbedeutsamer und erfreulicher. Der feierliche Akt, der mich in Ihre Mitte geführt bildet den vorläufigen Abschluss in dem Fortschritt und der Entwickelung eines rastlosen Gewerbefleiße und wirtschaftlichen Lebens, wie ihn Ihre jung Stadt seit Jahrzehnten erlebt hat. Aus einer kleinen, unbedeutenden Ortschaft, die man auf weite Kreise nur aus dem Kursbuche kannte, ist in kurzer Zeit, Dank der günstigen Lage und Produktionsverhältnisse, eine tüchtige Werkstätte des westfälischen Industriebezirks geworden. Dieser gewaltige Aufschwung konnte aber nicht wundern, denn Herne hatte einen tatkräftigen und gewissenhaften Mann an der Spitze, dank dessen Tätigkeit und unermüdlicher Arbeitskraft, sich das Gemeinwesen zu einer Stadt von 20000 Einwohner entwickte, so dass die Formen der Landgemeindeordnung zu klein und die Verleihung der Städteordnung zur Notwendigkeit wurde. Damit wurde das Ziel aller Wünsche erreicht.

Dass es so bald erreicht ist und ich durch die Gnade des König beauftragt wurde, Ihren Chef heute zu verpflichten, dafür gebührt Ihnen allen, die mitgeholfen haben das Werk zu vollenden, Dank und Anerkennung. Diese auszusprechen und dabei des Mannes zu gedenken, der in edler Selbstlosigkeit die Geschickt geleitet hat, gereicht mir zur besonderen Freude, zumal ich in meiner langen Amtstätigkeit auch zur Förderung der Entwickelung dieses Ortes bei tragen konnte. Ich wende mich nun an Sie, Her Bürgermeister, der Sie das Glück haben, an die Spitze einer Gemeindeverwaltung zu treten, die Sie schon so viele Jahre geführt. Dass Ihr bisheriges Wirken den Beifall der hiesigen Bürgerschaft gefunden, dafür bürgt mir Ihre einstimmige Wahl und dass Sie auch fernerhin Ihre ganze Kraft einsetzen zur Förderung der Gemeindeinteressen und Sie der Bürgerschaft in allen Frage ein guter Berater sein werden, dafür bürgt mir Ihre Persönlichkeit. Ich hoffe und wünsche, des Ihre fernere Amtstätigkeit eine ersprießliche und segensreiche sein möge zum Wohle und Heile dieser jungen Stadt. Ich verpflichte Sie nunmehr als Bürgermeister der Stadt Herne unter Hinweis auf Ihren früher geleisteten Diensteid durch Handschlag. Sie werden auch in Zukunft ein getreuer Diener des Königs sein und das Ihnen übertragene Amt nach bestem Wissen, getreu der Verfassung, verwalten. Möge Ihnen Gott hier“ Kraft und Segen geben.

Herr Bürgermeister Schaefer: Herr Präsident! Nehmen Sie meinen aufrichtigsten Dank entgegen für die freundlichen Worte und das freundliche Wohlwollen, welches Sie unserem Gemeinwesen stets gewidmet. Ich verspreche, daß ich mein Amt zur Zufriedenheit meiner königlichen Behörden und zur Zufriedenheit der gesamten Bürgerschaft führen werde. Bildet Herne auch nur einen kleinen Teil der Hohenzollern Monarchi, so kann unsere Stadt doch nur wachsen unter Anschluss an die größere Gemeinschaft. Wohlan denn Ich übernehme die Geschäfte des ersten Bürgermeisters von Herne und lege in dieser feierlichen Stunde das Versprechen ab, meines Amtes getreu und gewissenhaft zu walten zum Segen der Bürgerschaft, zum Wohle der Stadt.

Hierauf nahm der Herr Bürgermeister die Einführung des Beigeordneten Cremer und der Herren Magistratsmitglieder Dickhoff. Papenthin und Schlenkhoff vor und überreichte denselben die Bestätigungsurkunden ihrer Wahl. Herr Bürgermeister Schaefer betonte in seiner Ansprache, dass Herr Cremer den Diensteid schon vor mehr als einem Vierteljahrhundert als Gemeindevorsteher geleistet und dass es einer Erneuerung dieses Diensteides wohl nicht bedürfe. Die Herren vom Magistrat bat er, ihm in allen Fragen getreue Berater und Mitarbeiter zu sein, denn wichtige Aufgaben würden demnächst an die städtischen Körperschaften herantreten.

Die Funktionsperiode des Magistrats datiert vom 1. April 1897 bis 1903.

Hiermit erreichte die offizielle Feier ihr Ende. Das Protokoll wurde vom Herrn Regierungspräsidenten Winzer unterzeichnet und dann die Sitzung geschlossen.

Im Anschluss an diese Feier fand im Saale des Hotel Schlenkhoff ein

Festmahl

statt, an dem etwa 300 Personen aller Stände teilnahmen. Nach dem ersten Gange erhob sich Herr Regierungspräsident Winzer, um das Hoch auszubringen auf Kaiser Wilhelm II. Überall, wo sich deutsche Männer zusammenfänden, da sei es Sitte, des deutschen Landesvaters zu gedenken, der mit sicherer Hand die Zügel der Regierung führe. Redner bat die Festgesellschaft, sich zu erheben und wies dann auf das rapide Anwachsen der hiesigen Bevölkerung hin, die sich aus allen Gegenden zusammensetze. Aber alle trügen die Königstreue in ihrer Brust. Herne sei allerdings nur ein kleines Glied in der großen Kette des angestammten Hohenzollernhauses, aber es dürfe sich rühmen, eine echte patriotische Stadt zu sein und treu zu Kaiser und Reich zu stehen. Dass die nunmehrige Stadtgemeinde Herne Hand in Hand gehe mit den staatlichen Behörden, erachte er daher für selbstverständlich: In diesem Sinne bitte er, die Gläser zu erheben und mit ihm in den Ruf einzustimmen: Kaiser Wilhelm II. lebe hoch. hoch, hoch.

Brausend durchhallte das begeisterte Hoch die Festräume und ebenso begeistert erscholl das nachfolgende „Heil dir im Siegerkranz.“

Herr Lauten stattete dem Herrn Regierungspräsidenten den herzlichsten Dank ab für sein freundliches Erscheinen. Die Herner Bürgerschaft sei stolz darauf, daß Herr Winzer trotz der weiten Reise und eines erst vor kurzem erlittenen Unfalls persönlich gekommen wäre, um an dem Ehrentag der Stadt Herne teilzunehmen. Der Herr Regierungspräsident habe von jeher der Gemeinde Herne das größte Wohlwollen gezeigt und die Entwickelung unsers industriereichen Ortes zu fördern gewusst. Des Redners Hoch galt Herrn Regierungspräsidenten Winzer.

Sofort erhob sich Herr Winzer und sprach dem Redner seinen Dank aus. Solange er durch die Gnade Sr. Majestät an der Spitze des Regierungsbezirks stehe und er hierzu körperlich in der Lage sei, könnte die Stadt Herne seines Wohlwollens versichert sein. (Bravo.) Der Herr Regierungspräsident dankte für den freundlichen Empfang und verband seinen Dank mit einem Hoch auf die Grafschaft Mark und speziell auf die Stadt Herne.

Herr Beigeordneter Cremer betonte, dass als geborenes Herner Kind die Entwickelung unserer Ortschaft in allen Stadien mitgemacht habe. Vor etwa 40 Jahren habe Herne 800 Einwohner gezählt, heute aber 21.000 und sei Stadt. Diesem rapiden Aufschwunge die Wege geebnet habe die Gunst, die uns die königlichen Behörden entgegengebracht und dass das Ziel, vor dem wir heute ständen, erreicht worden, sei nicht an letzter Stelle dem Herrn Landrat Spude zu verdanken. Auf dessen Wohl leerte Redner sein Glas.

Herr Landrat Spude lehnte das ihm gezollte Verdienst dankend ab und warf einen Rückblick auf die 18 jährige Dienstzeit des Herrn Bürgermeisters Schäfer. Diesem gebühre das Hauptverdienst, dass Herne in solcher Blüte stehe. Wie viele Schöpfungen seien unter seiner tüchtigen Verwaltung entstanden. Herr Amtmann Schäfer habe den Titel Bürgermeister längst tragen können, denn von anderen Städten habe man ihm diesen Posten wiederholt angetragen. Aber er habe mit den Bewohnern seines Amtes verbunden und in ihrer Mitte bleiben wollen. Die Bewohner Hernes könnten frohgemut in die Zukunft blicken. Denn diese würde sich der Vergangenheit würdig anreihen. Dem Herrn Bürgermeister liege das Wohl der gesamten Bürger am Herzen und habe besonders ein Herz für die Schulen und Vereine, worüber er interessante Beispiele anführen könne. Vor allem aber sei es sein treuer Mitarbeiter gewesen. „Füllen Sie die Gläser bis an den Rand, lasst sie uns erheben und rufen: Hernes erster Bürgermeister soll leben! Hurrah, hoch!

Die Hochrufe wollten gar kein Ende nehmen und die Begeisterung fand ihren Höhepunkt in dem Gesang des „Herner Stadtliedes,“ welches ein hiesiger Dichter zur Feier des Tages vom Stapel gelassen hat: In dem Liede heißt es auch unter anderem:

Und so ist es denn gekommen,
Das nun Herne wird zur Stadt,
Denn der „Schäfer“ sah mit Kummer,
Dass das Dorf nicht Platz mehr hat,
Um zu bergen seine Herde,
Zwanzigtausend zählt der Hirt—
Drum hat er es schön gedeichselt:
Eine Stadt das Dorf nun wird. 

Herr Bürgermeister Schaefer drückte in tiefempfundenen Worten seinen Dank aus für die ihm am heutigen Tage dargebrachten Ovationen. Insbesondere dankte er Herrn Regierungspräsidenten Winzer und Herrn Landrat Spude. Was ihm in dieser Stunde durch Kopf und Herz gehe, vermöge er nicht zu erzählen Das ihm ausgebrachte Hoch bestärke in ihm das Bewusstsein, dass die Bürgerschaft zu ihm Vertrauen gefasst hätte. Ich bitte Sie, mir das Vertrauen auch in Zukunft zu bewahren, auch dann, wenn die Kommunalsteuerprozente etwas hoch werden. (Heiterkeit.) Mein Bestreben wird auch fernerhin sein, die Gemeininteressen zu fördern, soweit ich in meinen schwachen Kräften dazu in der Lage bin. Helfen Sie mir alle, das erstrebte Ziel zu erreichen. Der heutige Tag ist ein hocherfreulicher für mich, aber auch ein Gefühl der Wehmut beschleicht mich, wenn ich bedenke, dass ich von meinen lieben Freunden in Baukau scheiden muss. Als ich vor 18 Jahren hierhin kam, hatte Herne 8.000 Einwohner heute 21.000 der Amtsbezirk zählte 9.000, heute 30.000 Einwohner. Diese Zunahme erheischt immense Fortschritte auf allen Gebieten des Gemeindewesens und so sah ich denn in der langen Zeit meiner Amtstätigkeit manches neues erstehen. Wir hatten damals noch keine Bürgersteige, keine Wasserleitung, keine Kanalisation, kein Krankenhaus und Armenanstalten, kein Amtsgericht und keine elektrische Bahn. Das Kaiserdenkmal ist im Entstehen begriffen und die Reichsbanknebenstelle ist so gut wie fertig. Und was soll uns noch alle die Zukunft bringen: Städtische Badeanstalt, Stadtpark, höhere Schulen, Turnhallen, Schlachthaus usw. Ich könnte ihnen noch so viele Projekte aufzählen, dass ihnen die Steuerhaare zu Berge ständen. (Heiterkeit.) Also frisch ans Werk zu neuem Schaffen. Wir können hoffen, dass unsere junge Stadt in neun Jahren zum Stadtkreise avanciert ist, sofern es Sr. Majestät gelingt, den Frieden zu erhalten, denn nur im Frieden können sich Handel und Gewerbe fruchtbar entfalten. Möge Herne unter den mächtigen Flügeln des Hohenzollerners weiter wachsen, blühen und gedeihen. Die Stadt Herne soll leben!

hoch, hoch, hoch!

Herr Bergrat Behrens feierte die alte Gemeindevertretung von Herne, die ihr Amt am 1. April niedergelegt.

Herr Pastor von Martitz brachte einen launigen Toast auf den neuen Magistrat aus und Herr Direktor Dickerhoff toastete auf Fürst Bismarck.

Herr Amtmann Dr. la Roche ließ sein Hoch ausklingen auf den früheren Amtmann Schäfer und das Amt Baukau.

So flossen die fröhlichen Stunden bei Rede und Gesang dahin. Die Herren Regierungspräsident Winzer und Landrat Spude, welche gegen 6 Uhr unter donnernden Hochrufen den Saal verließen, beantworteten die stürmischen Ovationen mit einem freudigen „auf Wiedersehen“.

Erst um die achte Abendstunde wurde das Mahl, das durch eine vorzügliche Tafelmusik der Straußschen Kapelle gewürzt wurde, aufgehoben. Allen Teilnehmern wird die Feier eine angenehme Erinnerung sein. Der neuen Stadt Herne ein kräftiges Vivat, floreat crescat!

  1. Sie lebe, blühe und gedeihe"
  2. Vgl.: "Gründung eines Bürgervereins der Stadt Herne in: GENERAL-ANZEIGER FÜR DORTMUND UND DIE PROVINZ WESTFALEN 9 (12.10.1896) 281. Online auf Zeitpunkt.nrw
  3. Vgl.: Preussenchronik.de zum 3. Klassenwahlsystem
  4. Vgl.: "Einführung des Herrn Amtsmanns Schaefer als erster Bürgermeister der Stadt Herne in: GENERAL-ANZEIGER FÜR DORTMUND UND DIE PROVINZ WESTFALEN 10 (26.04.1897) 114. Online auf Zeitpunkt.nrw
  5. Wilhelm Winzer (1834-1919) von 1889-1901 Regierungspräsident Arnsberg. Vgl.: wikipedia.de
  6. Carl Spude (1852-1914) war von 1887-1900 Landrat zu Bochum. Vgl.: wikipedia.de