Die Stahlskelettkirche in Holthausen

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Am 12. September 1931 wurde im Herner Anzeiger einen Artikel über den Bau der neuen Kirche in Holthausen veröffentlicht.[1]

Die Stahlskelettkirche in Holthausen.
Zur morgigen Grundsteinlegung.
Am 19. Juni ist an der Börsinghauser Straße in Holthausen neben der Schule der erste Spatenstich getan worden zur Errichtung der seit drei Jahren mit vielen Schwierigkeiten vom Kirchenvorstand vorbereiteten neuen katholischen Kirche. Nachdem das Fundament (Pfeiler mit aufliegendem Betonkranz) gelegt worden war, ist in den letzten Wochen das Stahlskelett montiert worden, und seit einigen Tagen sind die Maurer dabei, den tragenden Stahl mit Stein zu umgeben und die Wände emporzuführen. Morgen Vormittag soll nach dem Hochamt die feierliche Grundsteinlegung erfolgen.
Die neue Kirche ist eine Besonderheit weit und breit,
weil bei ihr die Stahlskelettbauweise angewandt wird. Diese Art zu bauen besteht darin, dass alle tragenden Teile von Fußbodenhöhe ab in Stahl ausgeführt werden, und zwar die Stützen der Wände, Dachstuhl, Turmbau und Empore. Diese Stahlteile werden in der Werkstatt fertiggestellt und dann an Ort und Stelle montiert. Im fertigen Bau sieht man nichts mehr von ihnen, da sie von Mauerwerk umgeben werden, so dass die Kirche nachher genauso aussieht wie andere Steinkirchen. Die Stahlskelettbauweise bürgert sich in Deutschland, das doch am ehesten Grund hätte, jede Möglichkeit, billiger und schneller zu bauen, auszunutzen, nur allmählich ein. um bekanntesten ist sie durch ihre Anwendung bei Industrie= und Hallenbauten. Welche Leistungen aber durch Stahlskelettbau erzielt werden können, beweisen die amerikanischen Wolkenkratzer, die Wunderwerke von unerhörter technischer Durchbildung darstellen. Vor kurzem ist das Empire State Building in Neu York vollendet worden, das höchste Bauwerk der Welt mit 85 Stockwerken und einer Höhe von 391 Metern, wobei eine Stahlkonstruktion von 58000 Tonnen Gewicht verwendet wurde. In Deutschland ist man in letzter Zeit dazu übergegangen, die Stahlskelettbau weise auch bei Wohnhausbauten anzuwenden. Fertig stellen diese äußerst zweckmäßige, schöne und reich gegliederte Wohnhäuser dar.
Die Gründe, die für die Stahlbauweise sprechen,
sind der geringe Materialpreis (der Gesamtlohnaufwand in Werkstatt und Baustelle ist beim Stahlrichtbau genau so hoch wie beim Ziegelsteinbau), die weitgehende Verlegung der schlecht kontrollierbaren Baustellenarbeit in geregelte Werkstattbetriebe, die Verkürzung der Bauherstellungsdauer der Fortfall einer längeren Austrocknungszeit und die Verwendungsmöglichkeit serienmäßig hergestellter Baustoffe und Bauteile (Fenster, Türen aus Stahl), die innerhalb der deutschen Grenzen hergestellt und weiterverarbeitet werden, sowie die Einführung des von Jahreszeit und Witterung nahezu unabhängigen Richtbaues und die damit gegebene Möglichkeit des Winterbaues.
Was in Holthausen der Anlass war, für die Kirche den Stahlskelettbau zu wählen, war vor allem die Tatsache, dass wegen der dadurch möglichen geringen Mauerwandstärken eine viel geringere Bodenbelastung zu erwarten war, ein in Anbetracht der Gefahr von Bergschäden wichtiger Umstand. Die Stahlkonstruktion bewirkt zudem, dass ein Reißen durch Setz= und Senkschäden unmöglich ist, weil nur ein Verkanten des ganzen Gebäudes entstehen kann. Dieses ist aber durch einseitiges Heben des auf Pfeilern ruhenden Fundamentkranzes leicht auszugleichen. Von sehr wesentlicher Bedeutung war weiterhin die Verbilligung (13—14 Prozent Ersparnis an Material) und die schnelle Bauzeit. Man hofft nämlich, bereits den Weihnachtsgottesdienst in der neuen Kirche abhalten zu können.
Da es sich um eine der ersten Stahlskelettkirchen in Rheinland und Westfalen handelt, entstand zwischen den Spezialfirmen geradezu ein Wettbewerb den Auftrag zu erhalten. Dadurch und vor allem wegen der werbenden Bedeutung des Baues für die herstellende Firma ist der Preis für das Stahlskelett lächerlich gering geworden. Der Auftrag ist ausgeführt worden von der Vereinigte Kesselwerke=AG, Werk „Orange“ in Gelsenkirchen.
Die Stahlskelettbauweise übt auch eine wertvolle Wirkung auf
das Kircheninnere
aus, da auf diese Weise jede den Blick auf den Altar störende Stütze im Mittelschiff wegfällt. Selbst die Decke, die netzartig und gewölbt ist, wird als Rabitzdecke in der Stahlkonstruktion des Daches aufgehängt. Das Innere unterscheidet sich wesentlich von den von früher her gewohnten Kirchen. Der moderne Sakralbau erhält sein Gepräge nicht nur von dem wesentlich anderen Stilcharakter der Zeit und dem modernen Baustoff, sondern auch von der Not der Zeit, die Zweckmäßigkeit mit den billigsten Mitteln verlangt. Nicht mehr Raumwirkung, sondern Raumausnutzung ist Grundsatz geworden. Eine Zeitlang hat man daher die einfachste und billigste Form, den Saalbau, angewandt. Doch wirkte dieser zu nüchtern. Infolgedessen wandte man sich wieder dem mehrschiffigen Kirchenbau zu, jedoch so, dass die Seitenschiffe nur noch Zugange zu den Bänken des Mittelschiffes darstellen und zur Aufnahme der Beichtstühle dienen können. So ist es auch in Holthausen. Die Seitenschiffe sind ganz niedrig gehalten, so dass die Seitenwände des Mittelschiffes in imponierender Höhe aufragen können und mit ihren hohen Fenstern reiches Licht in den Raum hineingelangen lassen, während die ganze Linienführung den Blick auf den Chor hinlenkt. Dieser ist ebenfalls verschieden von den gewohnten Altarräumen, da jegliches Fenster im Hintergrund vermieden ist, dass in den alten Kirchen doch nur das Auge stört und den Altar verdunkelt. Auch die Fenster an den Seiten des Chores liegen so tief zurück, dass sie nicht zu sehen sind, und nur indirektes Licht auf den Altar werfen. Der ganze Chorraum liegt hoch, so dass auch von der Sakristei aus keine Stufen mehr zu erklettern sind. Selbst die Kanzel. die anstelle des sonst üblichen Seitenaltares auf der Epistelseite stehen wird, ist vom Chorraum aus ohne Stufe und Treppe zu betreten. Den geraden Linien und glatten Flächen entspricht zwar die netzartige und leicht gewölbte Decke nicht, doch zog man diese Form der flachen Balkendecke, wie sie dem basilikalen Charakter der Kirche entsprochen hätte, aus verschiedenen Gründen vor.
Das Turmmassiv wird die Orgelempore enthalten und seitlich wird nach der Epistel=(Süd)=Seite hin, eine Kapelle angebaut, die eine Kriegergedächtnisstätte und die Taufkapelle aufnehmen soll. Der Altar soll Tischform erhalten, darüber soll ein großes Kruzifix Gemälde die Apsis Wand schmücken.
In allem waltet der kunstverständige Sinn Pfarrer Prengers zusammen mit dem Architekten Dipl.=Ing. K. Wibbe, Hamm, von dem der Entwurf stammt und der auch die Bauleitung hat. Die Kirche wird zwar nicht groß (40 Meter lang und 18.50 Meter breit), aber dessen können die Holthauser Katholiken sicher sein, dass sie ein künstlerisches Schmuckkästchen erhalten werden.


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Quellen