Erziehung durch - Druckerschwärze (Herner Anzeiger 1936)

Aus Hist. Verein Herne / Wanne-Eickel
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Am 9. Juli 1936 wurde im Herner Anzeiger einen kleiner Artikel über historische Inserate im Jahre 1872 von einem autor mit Pseuydonum "t" veröffentlicht, den wir hier zum Besten bringen.[1]

Erziehung durch— Druckerschwärze
Zeitungsinserate im alten Dorf Herne.

Alte Zeitungen sind ein anziehender Lesestoff, dass gilt auch für einige über 60 Jahre alte Herner Zeitungen aus dem Jahre 1872, von deren Inhalt hier einige erzählt sei. Besonders belustigt die Art, wie die Zeitung von der Bevölkerung des Dorfes als ein Mittel zur Erziehung der lieben Mitmenschen benutzt wird. Man wird sich eines Lächelns über die Art, wie man dieses Ziel im Inseratenteil zu erreichen sucht, kaum erwehren können, wenn man folgende Proben liest:

Der Küster der Dorfkirche scheint nicht nur einmal, sondern verschiedentlich dadurch den Unwillen von Begräbnisteilnehmern erregt zu haben, dass er den Leichenzug länger als notwendig auf sich warten ließ. So wird der Herr Küster zur Pünktlichkeit zu bringen gesucht durch eine Annonce folgenden Inhalts:

„Aufgepaßt!
Ich möchte auch wohl Küster sein,
das Geld mir käm' im Bette ein.
Bei Leichen eine Viertelstund muß stei,
auf der klappernden Chaussee."

Der Küster reagiert auf diese Zeilen nicht. Daher erscheint eine zweite Annonce mit der Aufforderung an ihn, sich bei Beerdigungen das Schlafen abzugewöhnen. Nun greift der Küster auch zur Feder, geht aber auf die Vorwürfe, die man ihm macht, nicht ein, sondern macht sich über den Verfasser der beiden oben erwähnten Anzeigen wie folgt lustig:

„Nun noch einmal aufgepasst!
Schöne Poesie, aber wenig Sinn und Verstand!
Daher keine Antwort wert.
O tempera, o mores.
Der vernünftige Kuster.“

Der Gegner schlägt mit gleicher Klinge zurück, was den Küster zu folgendem Angriff übergehen lässt: :„Noch einmal aufgepaßt!

Roh, Buckei, do unger em Grawen,
wat sägst do dann no des Morgens
so fröh mit dem Fuhsel em Liev?
Ein aufpassender Küster.“

Dadurch wird wahrscheinlich ein Freund des ursprünglichen Angreifers so in Zorn versetzt, dass er dem Küster unter anderem vorwirft:

„Häst jo selvers am Sonndag morgen do unger em Grawen am Posthues geläegen.
Ein aufpassender Wirt,
der von Gelsenkirchen zurückkommt.“

Der Kampf mit der Druckerschwärze wurde nach einer weiteren Annonce beendigt. Ob der Herr Küster sich „gebessert“ hat, davon hören wir nichts, auch nicht über die Kalkholer, die in der folgenden Annonce erwähnt werden. Diese heißt:

„Aufgepaßt! nach Bickern. Es ist noch fortwährend in der bekannten Kalkgrube gelöschter Kalk zu haben für diejenigen, welche des Nachts welchen holen wollen; jedoch mit dem Bemerken, dass es so geschieht, dass man die Spur nicht so deutlich vernimmt, wie in der Nacht des 14ten zum 15ten cr.
Ein guter Aufpasser."

Antwort erfolgt darauf vorsichtshalber nicht. Empörung herrscht einmal über den Hund eines Arztes. Wir lesen:

„Anfrage! Sollte dafür keine Medizin sein, dass der Hund des Doktors——— zu Herne keine Hühner, Katzen etc. todtbeißt?“

Der holden Weiblichkeit sucht „ein bekannter Tänzer" beizubringen, was schicklich ist. Er lässt eine „leise Anfrage“ folgenden Inhalts los: „Ist es erlaubt, dass die Madame——— zu Altenhöfen auf einem Balle einem Tänzer, womit sie den ganzen Abend getanzt hat, den Tanz abzusagen, um nachher mit einem andern zu tanzen und sich davon Küssen und Drücken zu lassen?“ Warum soll dem einen nicht billig sein, was dem andern recht ist, zumal der eine „Küssen" und „Drücken“ für so wertvoll hält, dass er beiden Wörtern einen großen Anfangsbuchstaben gibt? Recht verärgert scheint der Landwirt F.— gewesen zu sein, als er in der Zeitung von der Verlobung seiner Tochter las. Er bringt dem Herausgeber der Zeitung den Text folgender Annonce:

„Derjenige, der sich erlaubte, die Verlobung mit meiner Tochter einrücken zu lassen, hat sich dadurch zum Verleumder und Lügner gemacht, weil solches durchaus nicht der Fall ist.“

Von dem Bösewicht, der hier zurechtgestaucht wird, scheint das Bekenntnis der Liebe zur Tochter des genannten Landwirts zu stammen, das er in folgenden Versen niederlegt: „An L——.—! Kein Feuer, keine Kohle kann brennen so heiß wie heimliche Liebe, von der niemand etwas weiß. Ein stiller Verehrer."

Ein anderer Liebhaber fragt an, ob die Dame des Hauses etwa von Eifersucht geplagt worden sei, als sie ihrem Dienstmädchen verbot, die kranke Mutter zu besuchen und einen Arzt zu holen, wobei er der Begleiter sein wollte. Das Mädchen, nicht die Herrin, antwortet: „Am gedachten Sonntage habe ich meine Mutter in Sodingen, welche nicht krank und darum auch keinen Arzt verlangt hat, im Einverständnis meiner Herrschaft besucht. Der erwähnte Liebhaber forderte mich aber auf, ihn nach der Essener Kirmes zu begleiten, welches ich aber ohne die Erlaubnis meiner Herrschaft nachzusuchen, ablehnte, weil ich den Herrn Liebhaber nicht als Liebhaber anerkenne" (Es folgen Datum und Unterschrift.)

Ob wohl auch heute viele Mädchen so handelten?

—t.


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Quellen